Der derzeitige Streit um die Laufzeiten von Atomkraftwerken tritt auf der Stelle. Es wird gerangelt. Die Fronten sind verhärtet. Ganz klar: Atome spalten.

Doch bei allem Gezerre um die Energiepolitik der Zukunft scheinen die Langzeitfolgen für künftige Generationen von einem schwarzen Fleck verdeckt. Atomlobbyisten, BDI und Energiekonzerne berufen sich auf den internationalen Wettbewerb, haben aber keine überzeugenden Konzepte für die Lagerung des Atommülls parat. Mit einer privaten Initiative versuchen sich Niklas Sum (24) und Philipp Schächtele (25) der PR-Großoffensive der Befürworter entgegen zu stemmen – und setzen dabei auf die Kraft des Internet.

Atomkraft war schon immer ein strittiges Thema. In den 70er Jahren stellten sich Tausende von Menschen bei Wind und Wetter auf die Straße um zu demonstrieren, ketteten sich an Zäune und Schienen an – kämpften für eine Zukunft ohne hoch radioaktiven Schrott, der uns noch über Generationen gefährden wird. Erfolglos. Die meisten Bauvorhaben wurden durchgesetzt und auch die sogenannten „Endlager“ wurden erst mal eingerichtet, offiziell als Versuchslager, inoffiziell, um Fakten zu schaffen…

Atomkraft, eine katastrophale Geschichte

Dann kam der GAU in Tschernobyl und die ganze Welt hatte eine Zeit lang ein Gefühl dafür was es heißt, Angst vor radioaktiver Verstrahlung zu haben. Auf der anderen Seite des Planeten zeigte der Unfall in Harrisburg, im Kernkraftwerk Three Mile Island, dass mit dieser Energie nicht zu Spaßen ist und man sehr genau darüber nachdenken sollte, welche Konsequenzen billiger Strom heute für die Zukunft haben wird. Denn kein Ort ist wirklich sicher und kein Mensch unfehlbar.

Wer will garantieren, dass sich in der Zukunft „Störfälle“ dieser Art nicht wiederholen. Wer kann dafür bürgen, dass sich die Atommülllager wirklich als endlich erweisen? Die Erde ist kein statischer Ort und jede auch noch so sicher wirkende Höhle kann in einigen hundert Jahren ihre Struktur verändern, instabil werden, brüchig und damit hoch gefährlich.

Der Skandal um Asse II zeigt uns deutlich, dass man noch nicht einmal so lange warten muss. Erdgeschichtlich betrachtet in kürzester Zeit wurde aus einem Lager ein Dilemma. Ich erinnere mich an eine Reportage im NDR-Fernsehen die den Anschein erweckte, dass Asse II so sicher sei, dass man sogar Touristen durchführen könnte. Unvergessen die Szene in der eine Besucherin das fließende Wasser am Felsen ableckt. Ob sie das heute wohl bereut?

Und dennoch: Atomkraft sei wichtig. Ohne diese gingen in wenigen Tagen die Lichter aus und wer in Zeiten der Globalisierung im Wettbewerb nicht abgehängt werden wolle der müsse nun mal darauf zugreifen, da der so erzeugte Strom so günstig sei. Das dabei auch Subventionen eine Rolle spielen steht nicht oben auf der Liste der Argumente.

Das aber ein wirtschaftliches Konkurrenzsystem uns dazu zwingt, so bedenkenlos mit der Gesundheit unserer Kinder und Enkel zu spielen wirft Fragen auf: Wie viel kann so ein Wirtschaftssystem wert sein? Wie teuer ist diese Energie eigentlich, wenn man die Langzeitkosten (und womöglich noch Gesundheitskosten) dazu rechnet? Warum stehen diese Fragen nicht im Mittelpunkt der Debatte?

Billiger Strom ist gut für das Klima?

Neuerdings kommt noch das Pro-Argument „Klima“ dazu. Da wird doch von den Befürwortern tatsächlich behauptet, dass wir das Klima schonen würden, wenn wir nur die nächsten Jahrzehnte auf billigen Atomstrom setzten. Doch gab es da nicht mal ein Zusammenhang in der Argumentation der Klimaapologeten, zwischen Energieverbrauch und Erderwärmung?

Wir, dass heißt die reichen Nationen der Erde, verbrauchten zu viel Energie und heizten das Klima damit förmlich auf? Sollte die Energiegewinnung also günstig bleiben, würde doch auch mehr Energie – oder zumindest nicht weniger – verwendet, oder? Die Lösung hieße doch also nicht billig zu produzieren, sondern weniger, bzw. diese effizienter zu nutzen… und dies erfordert nun mal neue und regenerative Konzepte. Aber das ist egal, selbst wenn die Pro-Experten das Gegenteil vorrechnen, bleibt uns das Atommüllproblem.

Eins ist klar: Die Menschen haben Angst vor Atomenergie und sind mehrheitlich durchaus bereit, darauf zu verzichten. Doch die Fronten sind verhärtet und der Streit nimmt bereits groteske Züge an. Zum Beispiel bei einem Kanzlerinnenbesuch in einem Meiler im Emsland: „Lingen – Es knallt schon am Atomkraftwerk, da ist die Kanzlerin noch gar nicht angekommen. Mit groben Schuhen treten Werksschützer schwarze und gelbe Luftballons platt, auf denen Totenköpfe zu sehen sind. Atomgegner haben die Ballons gerade massenhaft in die Luft steigen lassen. ‚Abschalten, abschalten‘, skandieren 300 Demonstranten. Dann fliegt Angela Merkels Hubschrauber ein. Es regnet in Strömen.“… (sueddeutsche.de)

David gegen Goliath

Die Medienhoheit über das Thema scheint für Befürworter und Gegner entscheidend und so passt es auch ins Bild, dass zwei Aktionen derzeitig um Stimmen buhlen, und versuchen die Mehrheit der Menschen hinter sich zu versammeln. Eine der Beiden hat einen millionenschweren Etat und kann alle Register ziehen (Anzeigen in Tageszeitungen, Werbespots, Auftritte in Talkshows). Die andere muss auf das Internet und Flüsterpropaganda setzen.

1. Pro: www.energiezukunft-fuer-deutschland.info
2. Kontra: energie-ohne-zukunft.de

Was die Befürworter wollen ist offensichtlich. Interessanter ist der Einsatz der beiden Initiatoren der Atomgegner:

David gegen Goliath: Mit einer privaten Internetinitiative stellen sich 2 junge Männer der Atomlobby entgegen

Mit sündhaften teuren Anzeigen warben am Samstag Konzernvorstände für die Atomenergie und stellten ihren „Energiepolitischen Appell” zur Unterstützung ins Internet. Niklas Sum (24/Berlin) und Philipp Schächtele (25/Freiburg), die davon aus einer Vorab-Meldung erfuhren, wollten das nicht einfach hinnehmen. Kurzentschlossen bastelten sie eine eigene Homepage, stellten einen eigenen Appell:

„Kernkraft ist Energie ohne Zukunft” ins Netz und teilten dies Freunden mit. Samstag um 17.00 Uhr ging die Seite an den Start und binnen 24 Stunden hatten sie die Nase vorn. Pünktlich zum Arbeitsbeginn heute um 08.00 Uhr legte dann die Atomseite wieder nach und liegt derzeit in Führung. Man darf auf die Entwicklung in den nächsten Stunden und Tagen gespannt sein.

Sum und Schächtle, die keiner Partei oder Umweltorganisation angehören und keine Millionen-Beträge für überregionale Anzeigen haben, setzen dabei ganz auf die neuen Medien. „Das war wirklich ein Schnellschuss”, sagt Niklas Sum auf Anfrage „und wir hatten keine sehr konkrete Vorstellung, wie die Resonanz sein würde.” Natürlich hätten sie gehofft, dass ihre Website über soziale Medien rasch verbreitet wird und deutlich mehr Unterstützer findet als die teure Kampagne der Industrie.

Presseanfragen

Da Niklas Sum und Philipp Schächtele berufstätig sind, bitten sie für Presseanfragen die eMail-Adresse energie-ohne-zukunft@web.de zu nutzen und rufen dann zurück.“

Wer also meint, dass man das Atommüllproblem aus Gründen des Globalisierungsdrucks vernachlässigen sollte, lässt am besten die Finger davon. Alle anderen sollten das Projekt von Sum und Schächtele unterstützen – und das geht hier.

Zukünftige Generationen werden in diesem Streit nicht gefragt, wie auch. Aber was würden sie wohl sagen, wie würden sie entscheiden? Diese Frage sollten wir uns stellen, wenn wir uns tatsächlich anmaßen wollen für sie zu entscheiden.

Bildquelle: © Pixelio.de, Sergej23