Hitze, Allergien, Pandemien und psychische Krisen – die Erderhitzung wirkt sich schon heute extrem negativ auf unsere Gesundheit aus. Komisch, dass das in der Politik, bei Ärtz:innen und bei Klimaschützer:innen kaum eine Rolle zu spielen scheint.

  • Warum uns die Klimakrise krank macht
  • Wie Ärtz:innen und Pflegekräfte zu Klima-Aktivist:innen werden
  • Wieso wir alle das Klima schützen, wenn wir gesünder leben

Umweltzerstörung macht krank

Die Zahlen sind schockierend: Alleine im Jahr 2013 haben die Kohlekraftwerke in Deutschland so viele Krankheiten verursacht, dass deren Diagnose und Behandlung 62,3 Milliarden Euro verschlungen haben – alleine in Deutschland. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 198.000 Menschen in Deutschland an Luftverschmutzung sterben (zum Vergleich: durch Zigarettenkonsum sind es rund 127.000). Im Jahr 2018 sind laut Schätzungen über 20.000 Menschen an der Folge der dauerhaften Hitze gestorben. Vor allem die Städte entwickeln sich nämlich zu wahren Hitzeinseln.

Unser Raubbau an der Natur zieht laut Health for Future auch steigende Infektionskrankheiten nach sich. In den letzten zwei Jahrzehnten hätten 60 Prozent der neuen Infektionskrankheiten ihren Ursprung in der Zoonose, so Leah Schirren und Jon von Stritzky von Health for Future in einer sehenswerten Ringvorlesung in Hamburg. Und das wird zunehmen. Durch die Temperatur- und Niederschlagsverschiebungen verändern sich die Bedingungen für Viren und Bakterien. Neue Insekten mit neuen Viren siedeln sich bei uns an – etwa die Tigermücke. Bekannte Insekten werden zu Trägern neuer Viren – etwa das West-Nil-Virus in heimischen Mücken.

GWÖ-Salon: Klimawandel und Gesundheitsschutz

Übrigens gibt es am Donnerstag, den 21. Oktober 2021 eine Online-Podiumsdiskussion zu genau diesem Thema. Organisiert wird sie von der Gemeinwohlökonomie Hamburg. Eingeladen sind als Gäste: Leah Schirren, Medizinstudentin und Aktivistin bei Health for Future + Frank Dzukowski, Leiter der Vorstands-Stabsstelle Nachhaltigkeit und Klimamanagement am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf + Markus Mosig, Referent für Nachhaltigkeit bei der nachhaltigen Krankenkasse BKK ProVita.

Auch die Zahl der Allergien werden steigen. Schon heute haben zwanzig Prozent aller Kinder und dreißig Prozent aller Erwachsenen Allergien. Durch die Erderhitzung werden die Wachstumsperioden der Gräser und Bäume länger: Die Zeit der Pollenflüge verlängert sich. Die zunehmende Luftverschmutzung verstärkt diesen Effekt noch.

Und schließlich führt das alles zu psychischer Belastung. Wir alle wissen nun, wie sich eine Pandemie oder eine Flutkatastrophe auf unsere Seele auswirkt. Auch das wird in den nächsten Jahren zunehmen. Es gibt bereits Studien, meinen Leah Schirren und Jon von Stritzky, die zeigten, dass während der Hitzeperiode 2018 und während der Pandemie psychische Reaktionen wie Stress, Depression, Angst, Antriebslosigkeit und Aggression nachweislich zugenommen haben.

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Gesundheitsschutz – ein gutes Argument!

Maßnahmen wie die Energie- und Verkehrswende, fahrradfreundliche Städte mit vielen Grünflächen würden somit nicht nur dem Klima helfen. Sie würden auch vielen Menschen das Leben retten oder zumindest vor Krankheiten bewahren. Laut Schätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gäbe es 1 Millionen weniger Tote, wenn wir als Weltgemeinschaft das Pariser Klimaabkommen einhalten – und das jedes Jahr!

Dennoch spielen diese Fakten in der Politik, im Gesundheitssektor und bei Klimaaktivist:innen scheinbar kaum eine Rolle. Das sollte sich ändern. Denn vermutlich ließen sich mit diesen Argumenten auch Menschen mit weniger Sinn für Klimaschutz überzeugen. Wenn es um die eigene Gesundheit geht, sieht der ein oder die andere vielleicht doch ein, dass Ausgaben sinnvoll sind …

Was der Gesundheitssektor tun kann

Das bedeutet: Wir sollten aktiv werden! Ärtz:innen und Pflegefachkräfte können und müssen sich über die Auswirkung der Klimakrise auf die Gesundheit von Menschen informieren. Zum einen, damit sie Infektionskrankheiten, die sich neu bei uns ausbreiten, schnell diagnostizieren können. Zum anderen, damit sie ihre Patient:innen über die Zusammenhänge aufklären können. Leah Schirren sieht hier großes Potential. Immerhin sind Ärtz:innen in der Regel Autoritätspersonen. Wenn sie vor den gesundheitlichen Folgen der Erderhitzung warnen, könte dies vermutlich viele Menschen zum Umdenken bewegen.

Dazu kommt, dass der Gesundheitssektor für rund fünf Prozent aller CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich ist. Krankenhäuser und Arztpraxen, Pflegedienste und Altersheime könnten also durchaus auch zum Umwelt- und Klimaschutz beitragen, wenn sie ihre Energieversorgung und Beschaffung umstellen würden. Allerdings: derzeit sieht die Gesetzeslage keine Mehrkosten für umweltfreundliche Produkte und faire Lieferketten vor. Etwas, was die Politik durchaus mal in ihr Blickfeld rücken könnte …

Was wir alle tun können

Klimschutz ist Umweltschutz. Umgekehrt gilt aber das Gleiche: eine umweltfreundlicher Lebensführung kann auch ganz erheblich zu unserer Gesundheit beitragen! Knapp drei Viertel aller Krankheiten sind auf den Lebensstil der Patient:innen zurückzuführen, wie die Ärztin Sylvia Hartmann von der Deutschen Allianz Klimwandel und Gesundheit (KLUG) laut dem Magazin enorm sagt. Das bedeutet im Klartext: Zu wenig Bewegung und zu viel Zucker.

Bereits heute gibt es daher schon Hausärtz:innen, die eine Klimasprechstunde anbieten. Zugeschnitten auf die individuelle Lebenssituation, geben sie Interessierten Tipps, wie sie durch einen anderen Lebensstil ihre Gesundheit verbessern und die Umwelt schützen können: Kann ich mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, anstatt mit dem Auto? Kommt eine vegetarische oder vegane Ernährung infrage? Hier können Ärzt:innen zwar zu wertvollen Multiplikator:innen werden – aktiv werden aber müssen letztlich wir alle.