Wenn es nach den Führungskräften in Unternehmen und der Verwaltung geht, gibt es keine Korruption in Deutschland. Doch wohl spätestens der Fall des Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber sollte zeigen, dass man oftmals lieber den Kopf in den Sand steckt – bis es nicht mehr länger geht –, anstatt die Gefahren zu erkennen und offen anzugehen. Doch wie sieht es denn nun aus in Deutschlands Amtsstuben? Ein Gespräch mit Frau Dr. Gisela Rüß von Transparency International gibt einen Einblick.

Die Akzeptanz der öffentlichen Verwaltung ist zu gering…

Um es vorweg zu nehmen: Nein, dies wird keine Skandalmeldung! Frau Rüß unterstreicht in dem Podcast von Transparency International ausdrücklich, dass sie den Deutschen Beamten in der Mehrzahl für rechtschaffend und unbestechlich hält. Im Gegenteil. Sie beklagt, dass die Akzeptanz der öffentlichen Verwaltung in Deutschland so gering sei. Das ist schade, ist es doch eher geeignet, eine „Null-Bock“- und „Mir-doch-egal“-Stimmung zu verbreiten, als aus Ehrgefühl und Identifikation zum Kampf gegen Korruption zu motivieren.

Entsprechend interpretiert Frau Rüß die aktuellen Statistiken zur Bestechlichkeit in Verwaltung und Wirtschaft auch so: Zwar wiesen diese höhere Bestechlichkeitszahlen in der Verwaltung aus, doch liege dies vor allem daran, dass die Behörden mit dem Thema offener umgingen, als die Wirtschaft. In diesem Sinne hält sie auch insgesamt steigende Zahlen nicht für eine sich tatsächlich zuspitzende Lage – sondern für einen Beweis dafür, dass man der ohnehin vorhandenen Korruption mit mehr Transparenz begegne.

Es gibt viel zu tun!

Sicher, schon Churchill wusste, dass man nur der Statistik trauen kann, die man selbst fälscht. Fest steht also, wie Frau Rüß meint: „Seit Sarrazin wissen wir, dass man mittels Statistiken alles belegen kann“. Fest steht auch, dass es noch viel zu tun gibt in Deutschland. Zum Beispiel könnte eine einheitliche Regelung helfen, wie Frau Rüß in dem Interview fordert. Denn bislang hat jedes Land seine eigenen Regelungen – vor allem wenn es um das Thema Sponsoring geht.

Dass kein Unternehmen sponsern dürfe, dass in einem gerade laufenden Verfahren beteiligt sei, ist laut Rüß Konsens. Auch dass Unternehmen, deren Geschäft z.B. dem Bildungsauftrag zuwider laufen, keine Bildungseinrichtungen sponsern können, sei allgemein anerkannt (z.B. Zigaretten oder Alkoholhersteller). Doch damit endet es schon. Die Stadt Hamburg fand zum Beispiel unter Schill nichts dabei, sich Polizei-Uniformen von einem Unternehmen finanzieren zu lassen… „Stellen Sie sich in so einer Situation mal eine Durchsuchung bei diesem Unternehmen vor“, fordert Rüß auf.

Neben mehr Transparenz – auch nach 6 Jahren Informationsfreiheitsgesetz tun sich Behörden noch schwer, ihrer Informationspflicht nachzukommen, wie Frau Rüß als eine von Vielen berichten kann – wären laut Rüß vor allem erforderlich:

  1. Dass es in Behörden und Unternehmen eindeutige Ansprechpartner für Anti-Korruptionsmaßnahmen gibt.
  2. Dass es ausführliche Gefahr-Analysen gibt, die besagen, in welchen Abteilungen welche Arbeitsplätze aus welchen Gründen überhaupt korruptionsgefährdet sind (Baubehörden, Straf- und Bußgeldbehörden gehören zu den am meisten gefährdeten Verwaltungen).
  3. Und dass die Führungskräfte für das Thema sensibilisiert werden.

Anti-Korruption=mehr Arbeit?

Gerade Letztere sähen in Anti-Korruptionsbemühungen häufig einfach nur mehr Arbeit – und machten sich nicht bewusst, dass solche Vorfälle auch für ihre eigene Karriere zur Falle werden könnten, warnt Frau Rüß in dem Interview. Viel mehr Sorgen mache ihr allerdings die zunehmende Bestechlichkeit in der Politik – die sich zudem auch zum Teil noch in rechtlich zulässigem Rahmen befinde! Darüber hinaus beobachte sie mit Sorge die Privatisierung. Denn dort, wo staatliches Eigentum in privates übergeht, gibt es keine Verwaltung mehr – und wie bereits oben geschrieben, werden ihrer Erfahrung nach Korruptionsfälle in der Privatwirtschaft wesentlich seltener aufgedeckt, geschweige denn in Statistiken erfasst…

Hier noch mal der Link zum 30-Minuten-Podcast: http://bit.ly/q7dWw7
 Vielen Dank für das Bild an Barbara Eckert via pixelio.de