Die Aktion „Frühjahrsputz gegen Lobbyisten in Ministerien“ von Lobby Control aus dem Jahr 2008.
Kaum eine Regierung entscheidet so nach Lobbyisten-Wünschen wie die jetzige Schwarz-Gelbe, hieß es gestern in der Polit-Talkschow Maybrit Illner, in der es u.a. auch um die künftige Entwicklung der Regierung im Allgemeinen und der FDP im Besonderen geht. Keine Frage: Lobyyisten-„Geschenke“ wie die Hotel-Steuersenkung, die AKW-Laufzeitverlängerung, die undemokratisch-geheimen Finanzspritzen für die Finanzinstitute oder die Deckelung der Krankenkassenbeiträge für Arbeitgeber machen unsere Politiker unglaubwürdig – und uns misstrauisch. Dabei könnte relativ einfach ein positiver Schritt in eine transparentere Politik getan werden, berichtet Lobby Control.
„Egal ob AKW-Laufzeiten oder Finanzmarktregulierung – Lobbyisten mischen bei politischen Entscheidungen kräftig mit. Wer jedoch in wessen Auftrag und mit welchem Budget Einfluss nimmt, das bleibt in Deutschland bisher völlig im Dunkeln“, erklärt Heidi Klein, Vorstandsmitglied von LobbyControl. Und nicht nur das: Die britische „Sunday Times“ hatte Ende März aufgedeckt, dass mehrere EU-Politiker Gesetze gegen Bares verwirklicht hatten (siehe auch Blog von Lobby Control).
Zu hören oder zu lesen ist davon in Deutschland wenig. „Als hätten wir mit der Bestechlichkeit einiger EU-Parlamentarier aus anderen Ländern nichts zu tun“, meint Heidi Klein von Lobby Control. Dabei liege dem Skandal mehr zugrunde als ein paar verirrte Individuen: „Auch im EU-Parlament gibt es einen eklatanten Mangel an Regeln – für Abgeordnete wie für Lobbyisten. So dürfen EU-Abgeordnete jeder Nebentätigkeit nachgehen und wenn sie noch so klare Interessenkonflikte birgt. Auch aus Deutschland gibt es hierfür mit Elmar Brok* und Klaus-Heiner Lehne* prägnante Beispiele. Wir fordern unter anderem: Nebentätigkeiten, die Lobbyjobs oder anderweitige Interessenkonflikte beinhalten, müssen klar verboten werden“, erklärt Klein.
Keine Kehrtwende
Ein klares Verbot ist die eine Seite – mehr Transparenz die andere. Schon seit Jahren fordern Lobby Control und andere Organisationen ein sogenanntes Lobbyisten-Register. Gestern wurde über die Anträge der Grünen und der Linkspartei für ein verpflichtendes Lobbyregister sowie über einen Antrag der SPD zur Mitarbeit von Externen in den Bundesministerien im Bundestag diskutiert. Doch leider kam es nicht zur erhofften Kehrtwende: die CDU/CSU sowie die FDP lehnten ein Register erwartungsgemäß ab.
Doch ob Stuttgart oder Moorburg: die Kluft zwischen dem, was Politiker uns glaubhaft machen wollen – nämlich dass sie „verstanden“ hätten, dass sie Glaubwürdigkeit anstrebten, dass sie zum Wohle aller entschieden – und dem, was die Menschen als Realität erfahren, wächst. Und damit der Unmut. Wo sich vermeintliche Sachzwänge über Nacht (vor allem vor Landtagswahlen) in Luft auflösen können und Überzeugungen eine Frage des individuellen Machtkampfes sind, beginnen die Menschen, Widerstand zu leisten. Vor allem, wenn es ihnen dadurch spürbar an den eigenen Geldbeutel geht…
„Dass die Bürgerinnen und Bürger nicht akzeptierten, wenn gegen ihren mehrheitlichen Willen etwa AKW-Laufzeitverlängerungen mit den Energiekonzernen ausgedealt würden, hätte sich bei den letzten Landtagswahlen jedoch deutlich gezeigt“, findet auch Lobby Control. Und nicht nur das: Unsere Regierung, die doch so gerne und häufig unterstreicht, dass Deutschland im internationalen Wettbewerb der Länder nicht zurück stehen dürfe – beispielsweise wenn es um die Stromversorgung geht – sollte sich auch in diesem Punkt sputen, um den Anschluss nicht zu verpassen. Denn:
„Auch in anderen europäischen Ländern wird aktuell über ein Lobbyregister diskutiert, etwa in England, Irland, Österreich und der Schweiz. In England und Irland haben die Regierungsparteien ein Lobbyregister in ihre Koalitionsvereinbarungen aufgenommen. In Österreich soll nächste Woche ein Lobbyisten-Gesetz vorgelegt werden, das unter anderem ein Lobbyregister einführen soll“, erklärt Heidi Klein.
Klar sollte uns – bei allem Schwarz-Gelb-Bashing – auch sein, dass Rot-Grün nicht anders handeln würde. Schließlich hätten sie die nun so beherzt geforderten Verbote und Register während ihrer Regierungszeit längst einführen können. Zu verstrickt sind hier die Interessenlagen, zeigt die ARTE-Doku (auf der Startseite von fuereinebesserewelt.info rechts oben zu finden). Und zu geschmeidig, einschmeichelnd und geschickt sind meist die Lobbyisten. Daher sollten wir wohl auch aktiv werden: Auch jede noch so kleine Tat, wirkt sich politisch aus. Zum Beispiel könnt Ihr schon mal dafür sorgen, dass Lobby Control den Preis der Fairness-Stiftung erhält, in dem ihr entsprechend abstimmt. Oder ihr könnt über eBay eine Karl-Theodor-zu-Guttenberg-Doktorarbeit ersteigern, die sonst kaum noch zu haben ist – der Erlös kommt ebenfalls Lobby Control zugute.
* Die Organisation Spinwatch stellte fest, dass diese beiden deutschen EU-Abgeordneten, die problematische Interessenkonflikte bergen, wie Lobby Control berichtete.
Hallo Marc, ja stimmt: Lobbyismus zu verbieten wäre sicherlich sogar undemokratisch, denn im Grunde sollen sie die Interessen verschiedener Bevölkerungsgruppen vertreten. Das gilt also bspw. auch für Umweltschutzgruppen, Menschenrechtsorganisation, MIeterschutzbünde und so weiter und so fort. Das ist schließlich wichtig. Ich glaube, es meint auch wirklich keiner ernsthaft, dass man Lobbyismus verbieten sollte oder ähnliches – aber es muss Transparenz herrschen. Gerade wenn es in der Praxis so aussieht, dass manche (wenige) viel Geld und damit viel Einflussmöglichkeiten haben – und andere (viele) wenig. Das ist dann halt schon echt undemokratisch…
Hi,
es sollte jedem mündigen Bürger klar sein, dass unsere gewählten Volksvertreter von Lobbyisten angegangen werden. Allerdings stellt sich mir die Frage, ob die Wirtschaft hier einfach die „besseren“ Leute hat oder ob man nicht eine gewisse Pattsituation zwischen gegnerischen Lobbyisten schaffen könnte.
Lobbyismus völlig aus der Politik zu verdrängen, halte ich für eine sehr unwahrscheinliche Sache.
Gruß
Marc
So lange wir Parteiensysteme haben, wird es Lobbyismus geben, denn Parteien brauchen Geld. Wer glaubt, dass die „unabhängigen“ Kleinen was anders machen, wenn sie an die Macht kommt, braucht immer nur ein paar Monate warten und wird dann das Gegenteil erleben. Das Prinzip der Parteiendemokratie sorgt für eine Spaltung in der Bevölkerung und gleichzeitig für die Nähe zum Geld. Das ist in jedem Land der Welt so.
Nibiru