Unsere Welt steckt voller Geheimnisse, unerklärlicher Phänomene und großer Illusionen. Bereits vor einigen Tagen hatten wir hier im Blog darüber gegrübelt, wer wohl diesen Herman van Rompuy gewählt hat – und wie? Nun, solche Geheimniskrämereien werden kritische Geister unter uns ebenso bewundern wie beispielsweise die Verschleierung der Zahl der Lobbyisten, die im EU-Parlament ein- und ausgehen. Doch warum um alles in der Welt dürfen wir nicht wissen, wer entschieden hat, dass etwas, das „Kalbsleberwurst“ genannt werden darf, gar keine Kalbsleber enthalten muss…?
60 Prozent aller Brüsseler Lobbyagenturen sind nicht in dem offiziellen Lobbyregister eingetragen (nämlich nur 112 der 286), berichtet die „Allianz für Lobbytransparenz und ethische Regeln im Lobbyismus“ (ALTER EU) in ihrer gestern veröffentlichten Studie. Das überrascht uns nicht wirklich – denn dieses Register ist freiwillig. Warum? Glauben unser Politiker tatsächlich, Lobbyisten würden sich da freiwillig eintragen – der Transparenz zuliebe? Das wäre, als würde Michael Schumacher freiwillig die Handbremse angezogen lassen, um nicht zu schnell zu fahren.
Der Verschwiegenheitswahn der Lobbyisten
„Wir hoffen, unsere schwarze Liste nicht registrierter Akteure dient EU-Beamten, Kommissar/-innen und Mitgliedern des Europäischen Parlaments als Instrument. Wenn sie es mit Transparenz im Lobbyismus ernst meinen, dann sollten sie aufhören, nicht registrierte Lobbyist/-innen zu treffen“, meint Nina Katzemich (LobbyControl) und Mitglied des Lenkungsausschusses von ALTER EU. Nun gut, glauben wir mal, dass ihnen Transparenz wirklich am Herzen liegt…
Etwas skurriler wird der Verschwiegenheitswahn der Lobbyisten dann schon, wenn es um Schinkenbrote geht: Die Organisation foodwatch hatte beim Verwaltungsgericht Köln per Klage die Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle der Deutschen Lebensmittelbuchkommission gefordert. Deren 32 Mitglieder werden vom Bundesernährungsministerium ernannt und entscheiden beispielsweise, dass ein Schinkenbrot keinen Schinken, Fruchtkremfüllungen keine Früchte oder Schokoladenpudding keine Schokolade (mind. aber 1 Prozent Kako!) enthalten muss. Die Klage wurde abgelehnt (foodwatch geht in Berufung)! Merkwürdig!
Angst vor Blamage, Schelte und Verachtung
Dabei weiß jedes Kind, dass jemand, der etwas nicht verraten will, Angst hat. Angst vor Blamage, Schelte, Verachtung, Mitleid, Zorn, Traurigkeit – was auch immer. Unschwer vorzustellen ist auch, wovor die o.g. Lobbyisten zurück schrecken: Die Wut der Leute so an der Nase herum geführt zu werden – das gäbe ein schlechtes Image, ein ganz schlechtes Image. Und – egal wie man (wir, ein Politiker, eine Partei oder ein Unternehmen) wirklich ist, das Image muss stimmen.
Das ist alles ein bisschen deprimierend. Aber es gibt dennoch etwas, was uns aufmuntern, ermutigen – ja, sogar fast ein bisschen schadenfroh machen könnte: Sie haben nämlich Angst vor uns! Also all diejenigen, die hoffnungslos klagen, dass man „gegen die da oben eh nichts machen könnte“ – lasst euch nicht irreführen. Denn für „die da oben“ ist es das Wichtigste uns dies glauben zu machen – andernfalls wäre ihr schönes Versteckspiel dahin. Das ist es, was sie uns eigentlich sagen, wenn sie nichts sagen wollen. Man kann nicht nicht kommunizieren, wusste schon der Schriftsteller und Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlavic. Hört nur genau hin!
Weitere Infos: http://foodwatch.de, www.lobbycontrol.de
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