Es ist nun rund 20 Jahre her, dass ich im Sachkunde-Unterricht gelernt habe, Europa habe ein „Demokratiedefizit“… Daran hat sich bis heute nichts geändert – abgesehen davon, dass es immer mehr Macht bekommen hat und bekommen soll.
Die „Globalisierung“ hält als vermeintlich so drängender Sachzwang für diese „Notwendigkeit“ her. Das Problem ist nur: Wir (die Bürger Europas) kennen „die da oben“ gar nicht! Wir wissen nicht, wer hier wie gewählt wird und wer was im Sinn hat. Das fängt bei einem Lissabon-Vertrag an – einem Vertragswerk auf mehreren Hundert Seiten, den kaum einer unserer Abgeordneten aus Deutschland gelesen hat und der entgegen jeglicher demokratischer Prinzipien durchgeboxt wurde. Und es hört vorläufig beim Präsidenten des Europäischen Rates (PER), van Rompuy, auf…
Wie 27 stolze Demokratien zur Entscheidung kommen
„Zwar war da kein weißer Rauch, aber die heimlichtuerische Art, wie 27 stolze Demokratien zu der Entscheidung gekommen sind, lassen den Vatikan fast transparent erscheinen.“ schreibt die britische Tageszeitung The Independent über die Wahl des neuen PER Herman van Rompuy. Und nicht nur sie hält die Sache für ein abgekartetes Spiel…
„Es hat sich gezeigt, dass die Gemeinschaft (…) keinen starken Präsidenten braucht, sondern einen, der bei der Verwirklichung eigener Interessen (einzelner Staaten) nicht stört“, schreibt die polnische Zeitung Dziennik Gazeta Prawna und die Mailänder Corriere della Sera ergänzt: „Europa ist es gelungen, einen Herr und eine Frau Niemand mit den beiden EU-Topjobs zu betrauen. Es ist eine Kapitulationserklärung Europas“ (weitere Pressestimmen gibt es dazu bei der sueddeutschen.de).
Selbst Europas Politiker sind alles andere als überzeugt von ihrem neuen „Anführer“ – zumindest nicht Nigel Farage, zwar ausgewiesener Europa-Skeptiker (was ihn zu einem Widerredner aus Prinzip machen könnte – aber auch einer, der Skandale um den französischen EU-Kommissars für Verkehr Jacques Barrot oder den Kommissionspräsidenten José Manuel Durão Barroso öffentlich gemacht haben soll (siehe auch Wikipedia). Jedenfalls ist seine Rede – zu sehen bei Youtube – mehr als eindringlich: „We don’t know you, we don’t want you, and the sooner you are put to grass the better…“
20 Jahre Demokratiedefizit
Das alles – eingedenkt der Tatsache mit dem schon seit mindestens 20 Jahren bestehenden Demokratiedefizit – beunruhigt mich schon und so bin ich der Frage nach gegangen: Was in aller Welt passiert hier mit uns? Zunächst einmal: was ist eigentlich ein Präsident des Europäischen Rates? Der PER ist – laut Wikipedia – zuständig für die europäische Außen- und Sicherheitspolitik und ein mit dem Lissabon-Vertrag neu geschaffenes Amt (seid 1. Dezember 2009).
Er muss mehrheitlich von den Regierungschefs gewählt werden – das EU-Parlament muss diese Wahl nicht bestätigen!!! „Es wird vielfach befürchtet, dass der Gemeinschaftscharakter der Europäischen Union dadurch gefährdet wird, dass die Spitze der EU nicht an der Spitze der Kommission steht und vom EU-Parlament legitimiert wird“, heißt es dazu sehr zurückhaltend bei Wikipedia.
Und wer ist nun dieser Herman van Rompuy – und noch wichtiger: Was hat er vor? Ich hab mich wieder auf die Suche gemacht: Bei Wikipedia findet man einen nichtssagenden Eintrag, der anscheinend von jemandem geschrieben wurde, der sich ausschließlich mit Europa-Themen befasst (Deckname „El Duende“, zu Deutsch anscheinend so etwas wie Poltergeist, Kobolt oder Gespenst – wie unheimlich).
Van Rompuy, wer bist Du?
Das ZDF lässt es total menscheln und berichtet ausschließlich über seine Liebe zur Poesie… Was allerdings nichts heißen muss – ich erinnere nur an die skandalöse Be- bzw. Absetzung des ZDF-Intendanten (Brender) durch Koch & Konsorten! Viele weitere (europäische) Zeitungen scheinen nichts Gutes über ihn berichten zu können (siehe Pressestimmen der sueddeutschen.de oben).
Bleibt also die Frage: Welcher Gesinnung ist dieser Mensch? Vorgeschlagen wurde er vom schwedischen Ministerpräsident Fedrik Reinfeldt. Er soll 1993 das Buch Das schlafende Volk (Det sovande folket) veröffentlicht haben, in dem er den schwedischen Wohlfahrtsstaat scharf attackierte und für einen gesellschaftlichen Wandel im Geiste des Neoliberalismus eintrat (siehe auch Wikipedia).
Neoliberalismus, Lissabon-Vertrag, PER, Außen- und Sicherheitspolitik? Moment, da war doch was… Da war doch der ewig bemühte Sachzwang zur Einigung der Europäischen Mitgliedsländer (sonst können wir gegen die „bösen“ Asiaten nicht konkurrieren). Da ist doch die angebliche Bedrohung des Euro durch die finanziellen Schwierigkeiten Griechenlands. Dies macht doch angeblich eine geschlossene Wirtschaftspolitik Europas notwendig!
Kein Sachzwang zur Regulierung der Banken
Komisch dabei ist nur, dass die Bedrohnung durch die Spekulationen der Banken (und Bankkunden) anscheinend keinen Sachzwang zur Regulierung erfordern – oder wodurch sind so viele Europäische Staaten noch mal in finanzielle Schieflage geraten? Weil sie den Banken das Geld in den Rachen werfen mussten, dass sie dann als Staatsanleihen wieder heraus gegeben haben – damit wir dumme Bürger auch noch Zinsen dafür zahlen???
Nein, nein – aber ich weiß schon: ich weiß nichts. Ich blicke bei der ganzen EU-Politik nicht durch – und wer hier wen wählt und wer hier was will… Deshalb: Schluss mit der Vielstaaterei! Schluss mit der Schwäche! Schluss mit der Demokratie! Ein Nobody, dessen auffälligstes Kennzeichen anscheinend seine Unauffälligkeit ist und von dem das ZDF außerdem sagt:
„Karriere machte er nicht, weil er vorankommen wollte, sondern weil andere ihn riefen“ – ja, wer sich in so einem „lupenreinen Demokratieprozes“ wählen lässt, der wird sicherlich der Richtige sein, um Europa zur Geschlossenheit zu bringen. Selbst wenn es dem Volk nicht passt. Oder nicht…?
Bildquelle (v.l.n.r.): M.Großmann, Gerhard Altmann, www.pixelio.de
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