No Social Media – unsere Gründe für den Ausstiegt aus Insta, Facebook und Co.

No Social Media – unsere Gründe für den Exit!

Wir haben Insta, Facebook & Co. den Rücken gekehrt, weil sie Teil des Problems sind und keine Lösung! Gelingt es uns trotzdem, viele Menschen zu erreichen? Unsere Gedanken dazu …

Wir sind dabei „Für eine bessere Welt“ weiterzuentwickeln. Eine Frage beschäftigt uns dabei schon einige Jahre: Können wir eine bessere Welt wollen und gleichzeitig auf genau die Plattformen setzen, die Demokratie und öffentlichen Diskurs massiv gefährden? Ein Großteil der sozialen Interaktionen im Netz läuft über wenige große Plattformen. Betrieben von einer Handvoll Big Tech-Konzerne, die unsere Kommunikation auswerten und beeinflussen. Ihre Macht wächst und nimmt bedrohliche Formen an (siehe USA). Wir haben für uns entschieden: Don’t feed the troll! Wir machen da nicht mehr mit!

Weg von Big Tech!

Konkret bedeutet „No Social Media“ derzeit für uns: „Für eine bessere Welt“ ist nicht mehr bei Facebook, Insta oder YouTube aktiv. Wir beide meiden Angebote wie WhatsApp oder TikTok. Wenn wir uns darüber mit anderen unterhalten, stellen wir immer wieder erstaunt fest: Eigentlich wissen alle, dass sie den Plattformen nicht über den Weg trauen können. Und was sie mit uns und vor allem auch jungen Menschen machen. Zumindest so ein bisschen. Aber dann überwiegen doch Argumente wie „Wo soll ich denn sonst Werbung für mich machen?“ oder „Ich habe ja nichts zu verbergen“.

Uns geht es genauso und es war für uns ein längerer Weg, bis wir den Mut zusammen hatten, um auszusteigen. Noch wissen wir nicht, was das für uns als Freiberufler und Freiberuflerin bedeutet. Gerade in heutigen Zeiten – das ist auch unsere Sorge – veröffentlichen Verlage doch nur noch Autoren und Autorinnen, die ordentlich Follower nachweisen können. Wie kommt es da an, wenn wir sagen „Da machen wir nicht mehr mit!“?

Dennoch: mittlerweile ist die Liste mit den Contra-Punkten einfach so lang geworden, dass wir es zumindest versuchen wollen. Und wir sind damit nicht allein. Die ehemalige Pinterest-Expertin und Marketing-Fachfrau Alexandra Polunin hat daraus sogar ein Business gemacht: sie berät Selbständige dabei, unabhängiger von Social Media zu werden oder ganz auszusteigen [1] (wir haben noch nicht mit ihr gesprochen :-).

So, aber nun unsere wichtigsten Gründe für unseren Social-Media-Exit:

No Social Media: Zehn Gründe!

1. Datenmissbrauch als Geschäftsmodell

Big Tech – also die größten IT-Unternehmen der Welt, allen voran Alphabet, Amazon, Apple, Meta und Microsoft – sammelt täglich tausende „Datenpunkte“ von uns. Laut Bundesbeauftragtem für Datenschutz werden diese genutzt, um unser Verhalten vorherzusagen und gezielt Werbung auszuspielen [1]. Aber dabei bleibt es nicht. Die Daten werden zum Beispiel benutzt, um Wählerverhalten zu manipulieren (Stichwort Cambridge Analytica [2]). Wir sehen das als einen massiven Angriff auf unsere Privatsphäre und Freiheit.

2. Algorithmen und Filterblasen manipulieren

Algorithmen bestimmen, was wir sehen. Dabei verstärken sie extreme Inhalte, denn Gefühle wie Wut oder Empörung erhöhen die Verweildauer der Nutzenden. So haben zum Beispiel die Algorithmen von Facebook gezielt Hassrede, Falschinformationen und aufwiegelnde Inhalte gefördert und so die Gewaltausbrüche gegen die muslimische Minderheit der Rohingya in Myanmar gefördert [4]. Zunehmend werden so genannte Social Bots auch von KI gesteuert. Die Bundeszentrale für politische Bildung warnt vor Filterblasen, die die Meinungsvielfalt einschränken und Polarisierung fördern [5].

3. Social Media schadet der mentalen Gesundheit

Social Media-Plattformen sind so gestaltet, dass sie süchtig machen, um Menschen so lange wie möglich bei der Stange zu halten. Immer wieder „muss“ jemand nachsehen, was sich gerade tut. Die berühmte Fomo – also „Fear of missing out“. Das heißt die Menschen haben Angst, irgendwas zu verpassen. Die IJAB – Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V. – warnt vor psychischen Folgen wie Angst und Depression [6].

Social Media Plattformen sind absichtlich (!) so gestaltet, dass sie süchtig machen. Negative Seiteneffekte, wie Depression, Minderwertigkeitsgefühle (v.a. bei jungen Mädchen), Hass oder ein negatives Körpergefühl nehmen die Plattformen wissentlich in Kauf. Sie könnten ihre Algorithmen so ändern, dass dies nicht mehr (so stark) geschieht. Aber sie machen es nicht, weil es ihrem Geschäft schaden würde. Dabei machen sie auch vor Kindern und Jugendlichen nicht Halt, die sie gezielt auf ihre Plattformen ziehen.

Dazu ein Beispiel: 2021 leakte die ehemalige Facebook-Mitarbeiterin Frances Haugen Dokumente an das Wall Street Journal, die sog. „Facebook Files“. Sie enthielten Studien, Chat-Verläufe und Präsentationen, die eindeutig zeigten, dass Meta (das Unternehmen hinter Facebook, Instagram und Co) über die schädlichen Effekte seiner Plattformen Bescheid wusste, aber nichts dagegen unternimmt, weil dies seinen Gewinn schmälern würde. Weitere Infos findest du u.a. bei Netzpolitik.org [7].

4. Social Media zerstört echtes Miteinander

Intensive Social-Media-Nutzung geht oft zulasten realer sozialer Kontakte, wie Studien des Deutschen Jugendinstituts zeigen [8]. Das führt zu Oberflächlichkeit und fehlender Empathie. Eine kuratierte Wirklichkeit verleitet dazu, sich nur noch das herauszusuchen, was einem gefällt (die oben genannten Filterblasen). Doch gerade der echte Austausch mit anderen Menschen hilft uns dabei, mit Frustration und Enttäuschung umzugehen, was wichtig im sozialen Miteinander ist.

5. Social Media untergräbt die Demokratie

Das Bundesamt für Verfassungsschutz warnt vor gezielter Desinformation, die demokratische Prozesse gefährdet – zum Beispiel durch künstlich erzeugte Posts bei Bundestagswahlen [9]. Manipulation beeinflusst öffentliche Meinung und Wahlen. Es ist für User kaum noch möglich, genau zu erfassen, von wem welche Informationen kommen. Und der Grad an Perfektion bei der Täuschung, der mit der Künstlichen Intelligenz nun möglich wird, ist beunruhigend. So können sogenannte Deep Fakes, also durch KI erzeugte Bilder und Videos, mittlerweile so täuschend echt sein, dass sie ohne weiteres heftig emotionalisieren [10].

6. Social Media fördert Diskriminierung

Fast jeder zweite Mensch wurde online schon beleidigt. Das hat die bundesweite Studie „Lauter Hass – leiser Rückzug“ [11] ermittelt. „Besonders häufig betroffen sind nach eigenen Angaben Personen mit sichtbarem Migrationshintergrund (30 %), junge Frauen (30 %), und Menschen mit homosexueller (28 %) oder bisexueller (36 %) Orientierung“ steht auf der Website. Plan International geht in seinem Welt-Mädchenbericht 2020 [12] davon aus, dass 70 % der Mädchen und jungen Frauen in Deutschland schon mal Bedrohungen, Beleidigungen und Diskriminierung im Netz erlebt haben. Dies folgt laut Anna-Lena von Hodenberg, Geschäftsführerin der Organisation HateAid [13] einer Strategie: „Die Strategie der Einschüchterung funktioniert: Hass, Gewalt und Lügen sorgen dafür, dass Menschen sich aus dem öffentlichen Diskurs im Netz zurückziehen.“ Die Plattform-Betreiber könnten und müssten dagegen etwas unternehmen.

7. Autoritäre Nutzung von Big Tech

Amnesty International (AI) dokumentiert, wie autoritäre Regime Social Media für Überwachung und Repression nutzen [14]. Digitale Überwachung wird oft eingesetzt, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen und Menschenrechte systematisch zu verletzen. Dabei setzen Staaten zunehmend auf spezialisierte Technologien und Software, um Oppositionelle auszuspionieren und zu unterdrücken. AI selbst ist dennoch weiterhin auf den Plattformen aktiv, weil für sie die Reichweite positiv überwiegt. Das zeigt, dass alle ihre Entscheidung individuell sorgfältig abwägen müssen.

8. Profit vor Gemeinwohl

Die US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftlerin und emeritierte Professorin für Betriebswirtschaftslehre der Harvard Business School Shoshana Zuboff beschreibt in ihrem Buch „Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus“ [15], wie Big Tech Profite maximiert – auf Kosten unserer Freiheit und gesellschaftlichen Werte [16]. Sie warnt vor einer digitalen Oligarchie, die unsere Privatsphäre ausbeutet und unsere Autonomie untergräbt. Ihr Werk ist zentrale Referenz für die kritische Auseinandersetzung mit Überwachungskapitalismus und dessen gesellschaftlichen Folgen. Diese können wir zurzeit in den USA verfolgen.

9. Social Media ist Ausbeutung

Die Social Media-Plattform sind nur deshalb profitabel, weil dort viele Menschen ihre Inhalte einstellen. Das kostet viel Zeit und Mühe. Doch niemand wird dafür bezahlt, obwohl die Unternehmen hinter den Plattformen damit Milliardengewinne machen. Diese Form der Ausbeutung ist zwar mittlerweile so „normal“, dass kaum jemand sie hinterfragt. Wir finden aber, es ist eigentlich ein Skandal, dass das, was alle miteinander erschaffen, lediglich einigen wenigen mächtige Gewinne einbringt.

10. Social Media gehört uns nicht

Letztlich investieren Menschen sehr viel Zeit in Social Media in der Hoffnung, darüber Reichweite für ihre Themen aufzubauen. Doch wie realistisch ist es, dass dieses Versprechen tatsächlich eingelöst wird? Schon lange ist klar, dass bezahlte Werbung vor echtem Content geht. Viele Marketing-Verantwortliche empfehlen daher, eher Werbung zu schalten, als Inhalte zu posten. Und wenn dein Account gehackt oder vom Betreiber besperrt wird, haben viele keine andere Möglichkeit, als einen neuen Account aufzumachen und von vorne zu beginnen. Es ist daher extrem schwierig, für sich herauszufinden, wie gut der ROI tatsächlich ist. Das ist die Abkürzung von „Return on Investment“ und soll angeben, wie Aufwand und Nutzen im Verhältnis stehen. Als freiberufliche Medienschaffende stellen wir mal ziemlich dick unterstrichen infrage, ob sich der Aufwand tatsächlich immer lohnt.

Für bessere Social Media

Dass wir aus Insta, Facebook und Co. aussteigen, heißt jedoch nicht, dass wir verschwinden! Uns geht es vielmehr um eine ethische, bewusste und nachhaltige Kommunikation.

Wir stellen uns dabei eine digitale Welt vor, in der Kommunikation von Gemeinschaften gestaltet wird, nicht von Konzernen. Wo Datenschutz und Transparenz selbstverständlich sind. Wo Algorithmen Vielfalt fördern und nicht diskriminieren und spalten. Eine Welt, in der echte Begegnung und solidarischer Austausch im Mittelpunkt stehen – online wie offline. Demokratie lebt durch aktives Miteinander, durch Vielfalt, durch freien Meinungsaustausch – und nicht durch digitale Monopole. Engagement entfaltet sichtbare Wirkung, statt in endlosen Scroll-Loops zu versinken.

Die türkisch-US-amerikanische Soziologin und Autorin Zeynep Tufekci bringt es unserer Ansicht nach gut auf den Punkt:

Wir brauchen eine digitale Wirtschaft, in der unsere Daten und unsere Aufmerksamkeit nicht für den höchstbietenden autoritären Machthaber oder Demagogen zum Verkauf stehen.

Zeynep Tufekci (Soziologin und Professorin an der Princeton University, SZ [17])

Wir probieren diesen Schritt nun einfach einmal aus und haben uns eine Alternativ-Strategie für unsere Kommunikation und unseren Reichweitenaufbau überlegt. Die nächsten Monate werden zeigen, ob wir damit ebenfalls erfolgreich sind. Wir werden unsere Erfahrungen mit euch teilen.

Machst du mit? Bist du schon ausgestiegen?

Unsere kleine digitale Rebellion ist auch ein Aufruf: Befreie dich von Abhängigkeiten, nutze Alternativen, stärke Gemeinschaften und kämpfe für eine demokratische digitale Zukunft.

Denn viele engagierte Menschen spüren die Erschöpfung und Frustration, wenn jahrelanger Aktivismus in den digitalen Kanälen kaum Wirkung zeigt oder sogar angefeindet wird. Die Tech-Konzerne kontrollieren, was wir sehen und verwandeln Spaltung in Profit – auf Kosten von Freiheit, Solidarität und echtem Miteinander. Für sie lohnt es sich, wenn Menschen in endlosen Debatten streiten. Für uns aber nicht: Das ist alles andere als demokratischer Diskurs. Mal ganz zu schweigen davon, wie sich manche verbiegen, um ihr Anliegen zu vermarkten. Jede Minute bei TikTok, Insta, Facebook und Co. bedeutet ein Stück Selbstbestimmung weniger.

No Social Media ist daher mehr als Verzicht – es ist ein mutiger Schritt zu Freiheit, Solidarität und Nachhaltigkeit.

Hast du bereits Erfahrungen damit, die du teilen willst? Dann hinterlasse unten einen Kommentar! Wir freuen uns sehr darüber, denn wir finden: Alternativen zu den ausbeuterischen Social Media-Plattformen können wir nur gemeinsam finden und schaffen. Wir brauchen hier den Schulterschluss und die gemeinsame Mobilisierung!

Quellen

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