Das Camp in Düsseldorf ist wohl das derzeit einzige Occupy-Zeltlager in Deutschland, das den Schutz der Kirche genießt – und somit unbegrenztes Camp-Recht. Als wir am Abend ankommen, ist die Asamblea in vollem Schwange. Ein paar Vertreter von NGOs sind anwesend und besprechend in der Runde, welche Kooperationsmöglichkeiten in welcher Form möglich sind.
Wie ist mit den Medien umzugehen?
Wie in allen Camps steht auch das Camp in Düsseldorf vor der dinglichen Frage, wie es mit den Anfragen von Medien und anderen Organisationen umgehen soll: soll man kooperieren? Und wenn ja: wie? In Düsseldorf einigt man sich an diesem Abend auf die Idee, ein Treffen mit Attac und einer Gewerkschaft in Form einer Asamblea abzuhalten – also in einer etwas größeren Runde und mit den bekannten Verfahrensweisen, Kommunikationsregeln und Handzeichen, die den direktdemokratischen Ansatz der Bewegung sicher stellen soll.
Die Truppe diskutiert noch bis spät in die Nacht. Danach wird gefeiert – manche verbringen so die gesamte Nacht. Am nächsten Morgen ist die Stimmung immer noch gut. Abgesehen von einem kleinen Disput mit einem Junkie. Wie in Frankfurt auch, muss die Gruppe auch lernen, mit Problemfällen umzugehen. Man wird sich – ebenfalls wie in Frankfurt – die Unterstützung eines Streetworkers holen.
Die Unterstützung ist groß
Doch ansonsten wirkt das Camp ebenfalls schon bestens organisiert. »Wir haben unheimlich schnell alles zusammen bekommen, was man für ein ordentliches Camp braucht«, erklärt uns Hanno, einer der Initiatoren von OccupyDuesseldorf, am Morgen im Gespräch. Dazu gehört ein Küchenzelt mit entsprechender Ausstattung; ein Zelt für die Versammlungen, die Asambleas; die IT-Infrastruktur, um Livestreams senden und die diversen Social-Media-Kanäle bedienen zu können. »Selbst Matrazen wurden uns von einem Bettenhändler angeliefert«, schmunzelt Hanno.
Das Camp selbst besteht aus geschätzt 20 Zelten mit ungefähr 50 Leuten. Auch hier hängt bunte Protestkunst. Die Kirche stellt sanitäre Einrichtungen und eine gemütliche Cafeteria. Das Publikum ist extrem gemischt. Wir finden junge Studierende, Aussteiger mittleren Alters und auch jemanden, der im Vertrieb einer großen Versicherung arbeitet und sich Urlaub genommen hat, um mit zu zelten.
Den Sanftmut finden…
»Wichtig ist, dass wir unseren Sanftmut finden«, meint er zu uns. Wobei das Wort ja aus zwei Komponenten bestünde: einmal aus dem Begriff der Sanftheit – also zum Beispiel dem Prinzip der absoluten Gewaltfreiheit, dem sich ja auch die Democracia-Real-Ya- oder auch Occupy-Bewegung verpflichtet hat. Und dann aus dem Begriff des Muts. »Und den Mut, den finden die meisten Menschen gerade wieder«, meint er.
Und mit diesen ermutigenden Worten im Ohr setzen wir uns wieder in unseren Bus, um die Heimreise anzutreten: zurück nach Hamburg. Heute sind wir dann noch mal im Hamburger Camp für abschließende Aufnahmen und Interviews – und um um 13 Uhr am MedMob teilzunehmen, also einem gemeinsamen »Protest«-Meditieren.
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#OccupyDuesseldorf
Ort: Martin-Luther-Platz, vor der Johanneskirche
Asamblea: Täglich um 19.30 Uhr
Blog: http://edj-nrw-blog.tosole.de/
Livestream: www.livestream.com/occupyduesseldorf
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hey ihr nordlichter,
schön euch kennengelernt zu haben, hier gehts weiter voran, viele neue gesichter, neuer input und gute lösungen inzwischen am start.
danke für dieses positive feedback, wir lieben diese revolution, auch wenn sie uns fast alles abverlangt, respekt an alle revolutionäre denen diese bewegung ALLES abverlangt.
ich verwehre mich aber gegen anwürfe, wir hätten keine substanz, weil wir von der kirche ungefragt support erhalten.
http://occupy-chance.blogspot.com/2011/10/sind-die-noch-zu-retten.html
wir machen unsere arbeit gewissenhaft und werden den platz oder den support wechseln, sobald die institution ihren irrsinn über uns stülpt oder den versuch unternimmt uns zu vereinnahmen. dies geschieht aber nicht. und wir erreichen eine breite gesellschaftliche akzeptanz, weil wir uns recht gut auf den diskurs konzentrieren und darin auch die kirchen thematisieren. meine unmaßgebliche herangehensweise: beiss die hand die dich füttert und du erkennst die aufrichtigkeit ihres besitzers.
in diesem sinne,
euer hanno
Hallo Hanno, unseren Dank auch an euch, die ihr da für uns ausharrt, kämpft, vielleicht auch mal zweifelt und hadert, dennoch weiter macht und nicht aufgebt! Ja, ich beobachte mit Sorge, dass überall die Grabenkämpfe um die Occupy-Bewegung los brechen: Jeder weiß am besten an der Bewegung herum zu kritisieren – ganz angesehen von den Streitereien, wer nun „mitmachen“ darf und wer nicht… Wer echt „Occupy“ ist und wer nicht… Was ich ja von unserer Deutschland-Tour mit genommen habe – und zwar von allen Gruppen, egal ob sie sich eher Occupy oder eher der spanischen Demokratie-Bewegung verbunden fühlen – ist der innere Wandel des Einzelnen. Die Erkenntnis, dass man in der Gemeinschaft etwas entwickeln, erreichen, bewegen kann. Dass man mit seinen Sehnsüchten etc. nicht alleine ist. Meines Erachtens sind solche Gemeinschaftserfahrungen sehr wichtig. Denn aus meiner Sicht fehlt vielen Menschen in Deutschland genau diese Überzeugung und Gewissheit, dass man sein Leben selbst gestalten kann – und dass die Grenzen nicht so eng gesteckt sind, wie viele meinen. Sondern dass man sie sich aufgrund seiner Sozialisierung etc. oftmals selbst so erstickend eng steckt. Diese Grenzen zu überschreiten und zu merken, dass sie gar nicht da waren, ist – wie ich finde – schon mal ein ganz wichtiger Schritt (hier haben die Ossis, die die Wende mit erlebt haben, übrigens einen Vorsprung gegenüber uns Wessis). Der nächste wichtige Schritt ist aus meiner Sicht zu erkennen, dass der Wandel nur bei jedem selbst anfangen kann – und dass man schon „verloren“ hat, wenn man nicht absolut hundertprozentig gewaltfrei und friedlich protestiert (siehe auch Gene Sharp >>> falls man nicht schon aus ethischen Gründen von der Gewaltfreiheit überzeugt ist, dann sollten es ganz praktische Erwägungen sein…).