Man kann noch so schnell laufen wie man will – es bringt nichts, wenn man sich in einem Hamsterrad befindet. So oder so ähnlich könnte man die Stimmung vor dem G20- (18./19.Juni) und Rio+20-Gipfel (20.-22.Juni) bezeichnen.
Nachhaltig hat eben 3 Komponenten: Ökologisch, ökonomisch und sozial. Doch letzterer wird bei allem Aktionismus um Umwelt- und Klimaschutz nur allzu oft vernachlässigt: Solange wir im »reichen« Norden nicht bereit sind uns einzuschränken, damit die Menschen im »armen« Süden die Möglichkeiten haben, sich einen menschenwürdigen Wohlstand zu schaffen – solange können die Wissenschaftler und Think-Tanks noch so schnell in ihren Hamsterrädchen laufen, sie werden nicht vorwärts kommen.
Ohne globale Solidarität gibt es keinen Umweltschutz
»Angesichts der Lage wäre es eigentlich naheliegend, sich Gedanken über die tiefer liegenden Gründe für das Scheitern des Rio-Prozesses zu machen«, steht in einem Paper, das Weed anlässlich der Konferenzen veröffentlicht hat. Doch das wird mit Sicherheit nicht geschehen. Es fehle an einer tatsächlichen handlungs- und entscheidungsfähigen – sprich solidarischen – Gemeinschaft, befinden die Autoren. Globalen Krisen (wie der Finanz- oder Klimakrise) steht keine entsprechende Akteursgemeinschaft gegenüber.
Schon lange ist erwiesen, dass umweltschützendes Verhalten vor allem mit dem verfügbaren Einkommen gekoppelt ist. Mit anderen Worten: Wohlhabende Menschen konsumieren fast zwangsläufig mehr und haben damit – ob umweltbewusst oder nicht – immer einen größeren Fußabdruck, als arme. Dabei zeigt sich laut einer Untersuchung der UN Unversity World Institute for Developement and Economics Research (UNU-WIDER), dass sich Reichtum heute höchst ungleich verteilt: Das reichste 1% der Menschheit besitzt 40% des weltweiten Vermögens – die reichsten 10% sage und schreibe 85%!
Zur Lage der Welt 2012
Zu lesen ist das im Bericht »Zur Lage der Welt 2012«, den das Worldwatch Insitut in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung und Germanwatch (bibliografische Angaben siehe unten) anlässlich der Rio+20 Konferenz heraus gebracht hat: In dem knapp 300 Seiten starken Taschenbuch versammeln sich Experten mit den unterschiedlichsten Perspektiven. Natürlich dreht sich auch hier die Debatte um die Frage: Wird uns das Konzept der »Green Economy« aus der Umwelt- und Klimakrise führen? Ist eine Wachstumsgesellschaft möglich, die im Einklang mit der Umwelt lebt?
Auch die Autoren kommen immer wieder darauf zu sprechen, dass Nachhaltigkeit nicht möglich ist, wenn man nur über den ökonomischen und ökologischen Aspekt nachdenkt – und den sozialen nicht mit einbezieht. Denn dafür haben derzeit auch die Verfechter der »Green Economy« keine wirklichen Lösungen parat.
Mit Green Economy aus der Krise?
Der Autor Michael Renner fordert in dem Kapitel »Green Economy – eine Antwort auf die Krise?« deshalb auch eine neue, weltweite Solidarität. Ohne sie können wir weder unsere Finanzkrise lösen, noch das Artensterben aufhalten – geschweige denn den Klimawandel. Wir Menschen aus den reichen Ländern müssten unseren Konsum in einem für uns heute unvorstellbaren Ausmaß reduzieren, wollten wir nicht nur den Klimawandel und den Ressourcenraubbau auf ein tolerierbares Maß reduzieren – sondern auch noch für soziale Gerechtigkeit in dieser Welt sorgen.
»Auf einem Planeten mit einer Bevölkerung von sieben Milliarden beträgt ein ökologisch nachhaltiges Jahreseinkommen ungefähr 5.000 US-Dollar pro Person«, schreibt Erik Assadourian im Kapitel »Wachstum im Überfluss«. Das liegt weit, weit unter dem, was wir heute als annehmbar akzeptieren würden.
Sechs Punkte für eine ökologisch-gerechte Welt
Michael Renner schlägt in dem bereits genannten Buch einige Maßnahmen vor, die nach und nach zu einer gerechten und umweltfreundlichen Weltgemeinschaft führen könnten:
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1// Ein Netzwerk an kooperativen und grünen Innovationszentren, die überall in der Welt lokal angepasste Lösungen entwickeln, aber auch die Erkenntnisse austauschen, die woanders nützlich sind.
2// Ein Programm für »Global Top Runner«, das die Unternehmen erheblich begünstigt, die neue Standards im Umweltschutz und Sozialem setzen – und diese Errungenschaften dann zur Norm erhebt.
3// Grüne Finanzierung, damit es günstiger ist, umweltfreundliche Produkte zu kaufen (Autos, Kühlschränke etc.) und nicht – wie heute – die billig produzierten, kurzlebigen und umweltunfreundlichen. Das gilt auch für
4// Haltbarkeit, Reparaturfähigkeit und Ausbaufähigkeit von Produkten sollen steuerlich und durch entsprechende Subventionspolitik gefördert werden. Energie- und Rohstoffeffizienz ebenfalls.
5// Reduzierte Arbeitszeiten sind schon lange eine Forderung, um die Arbeit, die es gibt, gerecht zu verteilen. Auch in einer »grünen« Gesellschaft müsste sie eine Rolle spielen. Dann wäre auch mehr Zeit für gemeinnützige Projekte da.
6// Wirtschaftsdemokratie würde laut Autor ein aktuelles Manko unserer Demokratie beheben. Gemeint sind damit Unternehmen, bei denen die Angestellten und Mitarbeiter mit entscheiden können. Als Beispiel nennt er den selbstverwalteten Betrieb Mondragón Corporación Cooperativa (MCC) im Baskenland, der heute schon funktioniert.
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Wer soll das alles bezahlen – Finanzierungsmöglichkeiten
Die Frage nach dem Geld steht in unserer krisengeschüttelten Zeit immer zuerst im Raum. Die aktuelle Doktrin verlangt Sparmaßnahmen, mit denen die Staaten ihr angebliches Defizit abbauen sollen. Betrachtet man sich die Verteilung von Reichtum in dieser Welt (siehe oben), kann man sich nicht vorstellen, dass die derzeitige Krise tatsächlich ihre Ursache in einem Staatsdefizit haben sollte. Nein, eine Umverteilung ist höchst notwendig. Es ist genug für alle da – nur nicht für die Gier einiger weniger…
Und so schlägt Erik Assadourian eine Reihe von Steuern vor, die genau für diesen Umverteilungsprozess sorgen sollen: Eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, eine Finanztransaktionssteuer, eine Umweltsteuer und – was mir am besten gefällt – eine Werbesteuer (um Werbung abzubauen und somit auch überflüssigen Konsum).
Unser Fazit
Das Buch liefert noch eine ganze Reihe interessanter Thesen und konkreter (realistischer) Handlungsoptionen. Dabei gefällt mir, dass durchaus auch Menschen mit unterschiedliche Blickwinkeln zu Wort kommen (also nicht nur die Verfechter der Postwachstumsphilosophie, sondern auch die der Green Economy). Wer sich ein bisschen mit dem Gipfel in Rio beschäftigt und sich auch ansonsten einfach mal auf den aktuellen Stand der Diskussion bringen möchte, dem sei das Buch empfohlen.
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Bibliografische Angaben
Zur Lage der Welt 2012
Nachhaltig zu einem Wohlstand für alle. Rio 2012 und die Architektur einer weltweiten grünen Politik
Hrsg.: World Watch Institute, Heinrich-Böll-Stiftung, Germanwatch
Oekom Verlag. ISBN 3-86581-290-2
19,95 Euro
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Danke an Andreas Dengs für das Bild (via Pixelio).
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