Es scheint, als würde eine Welle von Krisen heute auf uns zurollen, und so frage ich mich: Gab es schon früher einen regen Austausch über alternative Lebenswege wie heute? Und was ist aus diesen Theorien geworden? Bei meiner Recherche stieß ich auf Rudolf Steiner und sein Konzept einer ganzheitlichen Landwirtschaft.

Mitte des 19ten Jahrhunderts geboren, ist der Goetheforscher, Naturwissenschaftler und Freiheitsphilosoph Rudolf Steiner, uns heute vor allem wegen seiner Anthroposophischen Theorie bekannt. Diese Theorie betrachtet den Menschen und seine Beziehungen zum Übersinnlichen.

Kaum einer bringt das Konzept der biologisch-dynamischen Landwirtschaft mit dem Erfinder der Waldorfpädagogik in Verbindung. Und doch: Rudolf Steiner, der Reformpädagoge, begründete im Winter 1924/1925 in seinem »Landwirtschaftlichen Kurs« die biologisch-dynamische Landwirtschaft, die uns heute als Demeter Landwirtschaft geläufig ist.

Wie kam es zum biologisch-dynamischen Landbau?

Ab dem 19ten Jahrhundert orientierte sich die allgemeine Landwirtschaft an den neuen Erkenntnissen der Naturwissenschaften, wodurch es zunehmend zum Einsatz von Stickstoffdünger kam. Ziel war es die Landwirtschaft effektiver zu machen. In den 1920gern beobachteten Landwirte und Gutsbesitzer allerdings, dass sich die Qualität der Ernte minderte. Zum Beispiel waren die Böden weniger ertragreich.

So suchten LandwirteAlternativen zur allgemein verwendeten Stickstoffdüngung. Einige, der Anthroposophischen Theorie anhängenden, Landwirte suchten bei Rudolf Steiner um Rat. Sie erhofften sich durch ihn alternative Wege der Landwirtschaft entwickelnzu können. Nach Bitten der Landwirte hielt Rudolf Steiner acht Vorträge über die biologisch-dynamische Landwirtschaft. Zu den Themen zählten praktische Konzepte über den Landbau, die Viehzucht und die Saatproduktion. Zudem verfolgte Steiner das Ziel, eine geisteswissenschaftliche Grundlage zum Gedeihen der Landwirtschaft, zu liefern,  die das Zusammenlebens von Erde und Kosmos berücksichtigt.

Ein lebendiger Boden…

Die biologisch-dynamische Landwirtschaft sieht den Betrieb als gesamten Organismus. Ein zentrales Ziel ist es, den Boden zu beleben und die Fruchtbarkeit dauerhaft zu fördern. Zusätzlich beschäftigt sich Steiners Konzept auch mit der menschlichen Ernährung, mit artgerechter Fütterung von Tieren, sowie mit biologisch-dynamischen Obstbau und einer ausgeglichene Landwirtschaft. So stellt auch die Forstwirtschaft und die Bildung von Biotopen ein zentrales Thema dar. Die Richtlinien der biologisch-dynamischen Landwirtschaft folgen außerdem spirituellen und homöopathieähnlichen Produktionsmethoden.

Homöopathie für Pflanzen und Tiere…

Beim biologisch-dynamischen Anbau  spielen zum Beispiel, neben den normalen Pflanz-und Saatzeiten auch kosmische Kräfte eine zentrale Rolle. Ein gesundes Zusammenspiel von Mensch, Tier, Pflanzen, Erde und Kosmos ist ebenfalls wichtig.

Nach Steiners Vorträgen über die biologisch-dynamische Landwirtschaft gründete sich der »Versuchsring anthroposophischer Landwirte« und entwickelte konkrete Methoden, um Steiners Anregungen in die Tat umzusetzen. So werden für den Ackerbau heute zum Beispiel spezielle Spritz-und Kompostpräparate verwendet, die den Humuswert im Boden erhöhen.

Die Spritzpräparate »Hornmist« und »Hornkiesel« werden zum Teil von den Landwirten selbst hergestellt, um so genanntes »dynamisches Wasser« an zumischen. Die Präparate können mit homöopathischen Mitteln für den Boden verglichen werden. Das Pulver wird eine Stunden in Wasser eingerührt und dann vom Bauern auf das Feld ausgebracht. So wirkt das Mittel wie homöopathische Kügelchen.

Da biologisch-dynamische Betriebe nach der kompletten Umstellung nur hofeigenes Futter verwenden dürfen, werden diese Präparate aus Heilkräutern von den Tieren und Menschen wieder aufgenommen. Der Antibiotika-Effekt mal anders und positiv,könnte man sagen.

Sind das nicht die mit dem Mond?

In der biologisch dynamischen Landwirtschaft kommt es auch zum Einsatz planetarischer Berechnungen bei der Aussaat und Düngung. Denn das Leben auf unserer Erde wird von der Sonne, dem Mond und planetarischen Konstellationen beeinflusst. So beachten die Landwirte neben dem Rhythmus der Jahreszeiten und der Gestaltung der Fruchtfolgen außerdem mondbedingte Reaktionszeiten bei Pflanzen.

Zum Beispiel haben, laut dem Institut für biologisch-dynamische Forschung, Möhren einen maximalen Ertrag bei der Aussaat vor Vollmond. Studien bestätigen eine harmonisierende Wirkung der Präparate auf den Pflanzenwuchs und einen höheren Humusgehalt im Boden. Zudem beteuerten Tester einen ausgewogeneren  Geschmack der Lebensmittel.

Rudolf Steiner entwickelte also ein Konzept für eine ganzheitliche Landwirtschaft, die noch heute auf ca. 66.000 ha Land betrieben wird.

Das Besondere? Die Landwirte legen den Fokus auf die Einheit von Mensch und Natur und produzieren zu 100% Bio und ganzheitlich. Zusätzlich betreiben viele biologisch-dynamische Betriebe soziale Projekte und sehen sich in einer ganzheitliche Verantwortung für Erde und Kosmos. Ein gutes Konzept für eine bessere Welt – finden wir.

P.S.:

Vielen Dank an Stefano Lubiana Wines für das Foto auf flickr.com und ebenfalls ein Dankeschön an Dieter Schulz für das Foto auf pixelio.de