Samstag Abend an der Hamburger Alster: Ein paar Polizisten sichern mit ihren Kanonen hektisch die Gegend. Plötzlich fangen sie an wild um sich zu schießen. Eine junge Frau stürzt tot zu Boden… Nein, ich hab‘ nicht Tatort gesehen. Ich war bei einer Theateraufführung: Szenen einer Stadt ist eine Gruppe unterschiedlichster Leute, die gemeinsam im öffentlichen Raum spielen. Dabei kreuzt sich Straßen- mit Improvisationstheater, Politik mit Selbstfindung, Selbstbestimmung mit Kreativität.

 

Die Geschichte des Straßentheaters ist alt – und politisch. Bereits Ende des 19 Jahrhunderts nutzten vor allem linke Bewegungen die Straßenkunst, um für sich und ihre Überzeugungen zu werben. Seit den 1960ern erhielt das Straßentheater dann zum einen dadaistische Züge – zum Beispiel in Form von Aktionskunst, dem „unsichtbaren Theater“ oder den Sponti-Aktionen. Zum anderen wurden akrobatische Elemente und Clowns immer beliebter.

Später gab es auch medial inszeniertes Straßentheater mit politischem Hintergrund – ein Beispiel wäre das Radio-Ballett vom Hamburger Künstlerkollektiv Ligna: jedermann ist eingeladen gemäß den Anweisungen, die über’s Radio gesendet werden, bestimmte Bewegungen etc. auszuführen. Laut Ligna eine eigene Protestform. Und irgendwie auch ein Vorläufer des Flash-Mobs, der wohl aktuellsten Form des „Straßentheaters“.

 

Die Gruppe „Szenen einer Stadt“ lässt sich allerdings nicht als eine politisch motivierte Gruppe bezeichnen: Menschen unterschiedlichsten Alters und Hintergrunds kommen hier zusammen. Auch wenn die einzelnen Szenen – jeweils an einem anderen Ort, zu dem die Zuschauer zusammen mit den Darstellern wie eine Karawane ziehen – durchaus gesellschaftskritisch zum Nachdenken anregen (sollen). Der Truppe kommt es vor allem auf die Kunst an sich an.

Was mich – die ich ebenfalls bei einer Probe dabei war – besonders fasziniert hat: Eine Hierarchien, eine Aufgabenverteilung oder andere Vorgaben gibt es bei der Gruppe nicht. Jeder übernimmt dabei für eine kurze Zeit die Leitung. Bei der Probe geben sich die Schauspieler diese Rolle wie ein Volleyball leicht und reibungslos weiter.

Die Stücke selbst entstehen ähnlich. Anfang des Jahres treffen sich die Hobby-Schauspieler, erkunden einen neuen Stadtteil und überlassen sich der Muse: in einer gemeinsamen Improvisation erkunden sie, ob und wozu sie ein Ort inspirieren könnte. Das befreie nicht nur, meinen die Darsteller – es verbinde auch. Denn noch Jahre nach den Aufführungen erinnern sie sich, wenn sie durch einen bereits bespielten Stadtteil kommen, an die vergangenen Szenen, wie sie entstanden – und dass es diese versteckten Spielorte überhaupt gibt.

Übrigens: die „Szenen einer Stadt“-Aufführungen sind kostenlos. Ihr könnt sie noch mal am 10., 17. und 20. August 2011 sehen. Treffpunkt ist der U-Bahnhof Lattenkamp. Die Inszenierung beginnt um 19.30 Uhr.