„Wer erfolgreich ist, der soll auch mehr verdienen!“, hieß es noch vor einiger Weile. Doch während man sich damals fragte, wie erfolgreich man eigentlich sein muss, um einige Millionen an Gehältern und Boni-Zahlungen jährlich mit nach Hause zu nehmen – und woran das gemessen werden soll – erscheint heute klar, dass dieser „Erfolg“ in der Regel zu Lasten der Arbeitnehmer ging. Wer sein Unternehmen schlank machte – und das hieß auch: Gehälter einzusparen – galt als guter Manager.

Heute ist dagegen alles anders, denn heute wissen wir nicht nur, dass die Zahlungen von denen wir hier sprechen, teils gigantische Höhen erreicht(e), sondern auch, dass die Manager dieses Geld selbst dann einsacken, wenn das Unternehmen für das sie tätig sind, lediglich noch durch staatliche Milliarden-Zuwendungen zur Zahlung fähig ist. Diese Verträge seien sich im Nachhinein nicht mehr anfechten, geschweige denn auflösen, heißt es immer. Man könne nur tatenlos zuschauen und leise mit den Zähnen knirschen, aber ändern – unmöglich… Falsch gedacht! Denn im Bürgerlichen Gesetzbuch ist, im zweiten Buch über das Recht der Schuldverhältnisse in einem Paragrafen von „Treu und Glauben im Wirtschaftswesen“ sehr wohl geregelt, wie Verträgen die unter diesen Gesichtspunkten nicht gerechtfertigt sind, beizukommen wäre!

Manchmal bedarf es nur eines kleinen Artikels der die Gedanken in Worte fasst, die man schon immer hatte. So ging es mir über Ostern, als ich in die Berliner Zeitung schaute und dort den Gastkommentar von Wolfgang Bittner, „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ las. Hier ging es um genau diese Frage, die bei mir schon vorher Unverständnis hervor rief. Denn es kann doch nicht sein, dass der Gesetzgeber – der ansonsten jedes Detail unseres Lebens regelt – genau in dieser Frage kein juristisches Werkzeug bereit hält. Wie kann es sein, dass man Verträge die nicht nur moralisch, sondern auch juristisch bedenklich erscheinen, nicht einfach für ungültig erklären kann? Nehmen wir an, in einem solchen Vertrag wären Vereinbarungen enthalten, die in der juristischen Terminologie gegen Sitte und Anstand, oder aber eben Treu und Glaube, verstoßen. Dann kann es doch nicht angehen, dass man gar keine Handhabe hat.

Wenn sich die Umstände ändern

Der Autor des besagten Beitrages führt zunächst das moralische Argument ins Feld, nach dem gefordert wird, auf exorbitante Bonuszahlungen zu verzichten. Doch gleich darauf weist er auf die sogenannten „Fachleute“ hin, die die (juristische) Meinung vertreten, dass sich vertragliche Vereinbarungen über derartige Zahlungen nicht anfechten lassen. Sprich, Boni seien auch in der Krise zu zahlen – weil es ja nun mal so geregelt worden sei und wir in Deutschland Vertragsfreiheit haben. Dazu treten dann noch einige Manager vor die Kamera, die gänzlich unbeeindruckt von der allgemeinen Stimmung auf ihren Salär pochen, ganz gleich, ob ihr Unternehmen bereits auf allen Vieren kriecht. In den USA stieß insbesondere der Fall des Versicherungskonzerns AIG, bei dem 165 Millionen Dollar ausgezahlt wurden, auf große Empörung. Doch auch hier bei uns mehren sich Fälle dieser Art.

Doch nun kommt die entscheidende Frage: Verstößt der ehemals ausgehandelte Vertrag nicht gegen bestehendes Recht, wenn er eine Zahlung auch dann möglich macht, wenn das Unternehmen ohne Staatshilfe längst pleite wäre? Was ist, wenn sich die Umstände geändert haben? Für den „Normalbürger“ ist eigentlich klar: Wer vorher sagte, dass gute Manager nun mal mehr verdienen sollten, der müsste doch eigentlich jetzt auch mit geringeren Zahlungen und gänzlichen Streichungen einverstanden sein, wenn der Manager augenscheinlich nicht erfolgreich war… Aber Pustekuchen – hier wird genauso verlangt, zugegriffen und sogar vor Gericht geklagt, sollten die Zahlung gefährdet sein. Argumentativ unglaubwürdig, moralisch unterirdisch, aber auch juristisch gar nicht so wasserdicht, wie von den Experten beschrieben.

Pacta sunt servanda

„Verträge sind einzuhalten“ heißt es also auf der einen Seite, die den Rechtsanspruch über jedes moralische Gegenargument zu stellt. Doch auf der anderen Seite regelt das oben bereits erwähnte BGB eben jenen „Treu und Glauben“ (§ 242 BGB). Und dort heißt es: „Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern“. Dies bedeute, so Wolfgang Bittner, dass den Verträgen – auch ohne ausdrücklichen Hinweis – eine „Clausula rebus sic stantibus“ (unter gleich bleibenden Umständen) innewohne. Das jedoch bedeutet im Umkehrschluss, dass im Falle einer Änderung der Bedingungen der Vertrag anfechtbar wird. So zumindest verstehe ich es so. Und bei einem Pleite-Unternehmen, dass sich am Tropf des Volksvermögens befindet, kann man doch wohl getrost von geänderten Bedingungen sprechen, oder? Denn ohne dieses Geld wäre ja gar nichts da, was man dem Manager hinterher werfen könnte… Es gäbe dafür einfach keine Geschäftsgrundlage mehr. Ganz einfach.

Warum aber, wissen das die selbsternannten Experten nicht – und warum werden die Medien nicht müde, uns hier nur die eine Seite der Medaille zu zeigen?

Was kommt also unter dem Strich heraus? Ganz sicher die Verpflichtung, diesen Punkt noch einmal genauer zu beleuchten und die Experten mit dem BGB-Passus zu konfrontieren. Es kann doch nicht angehen, dass wir tatenlos zuschauen, wenn sich Menschen auch in der größten Krise noch eifrig bedienen, und das nicht am Betriebs- sondern an unserem Volksvermögen.

Über die Stellungnahme eines Juristen würde ich mich sehr freuen. Auf jeden Fall aber bin ich der Berliner Zeitung und dem Autoren dankbar, denn es dauerte lange, bis man einen solchen Gedankengang in den Zeitungen finden konnte. Klar ist, dass wir etwas hellhöriger werden müssen, wenn irgendein „Experte“ uns mal wieder die Welt erklärt.

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