Rund um gentechnisch veränderte Nutzpflanzen und die dazu gehörigen Pestizide gibt es viele – leider allzu viele – offene Fragen. Die amerikanische Journalistin Caitlin Shetterly hat sich daran gemacht, Antworten zu finden.

Sicher, wir alle hören hier und da, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel irgendwie nicht gut sind. Und schon gar nicht, weil sie im Kombipack mit Pestiziden, Neonikotinoiden und Kunstdünger kommen. Doch was weiß „man“ eigentlich darüber?

Eine Krankheit und viele Fragen

Leider viel zu wenig. Das erkennt jeder, der das wirklich spannende Buch von Caitlin Shetterly liest. Die Journalistin und Mutter machte sich auf eine mehrjährige Recherchereise, nachdem sie richtig, richtig krank war und ihr kleiner Sohn auch schon erste, ähnliche Symptome zeigte: Die Diagnose lautete schließlich, dass sie gegen ein Protein allergisch seien, das genmanipulierter Mais erzeuge.

Bis dahin war Shetterly von einem Arzt zum anderen gegangen. Niemand konnte genau sagen, woran sie erkrankt war. Deshalb wollte sie sich und ihre Familie auf eine strenge Genfrei-Diät setzen – doch leichter gesagt als getan. Während sie sich in Etiketten und Hinweiszettel vertieft, merkt Caitlin Shetterly dass auch dort Genmais drin ist, wo man das nun wirklich nicht vermutet hätte. Auch in Bio-Produkten.

Zu guter Letzt gehen ihr Mann und sie dazu über, einen großen Teil ihrer Lebensmittel selbst herzustellen. Obst und Gemüse kaufen sie je nach Saison lokal ein und wecken es in gigantischen Einkoch-Marathons für spätere Zeiten ein. Weil sich ihr Gesundheitszustand sowie der ihres Sohnes rapide bessert, beschließt sie als Journalistin der Sache auf die Spur zu gehen. Sie fragt sich:

Sind genmanipulierte Lebensmittel wirklich gefährlich? Und welche Auswirkungen haben sie genau auf uns und die Umwelt?

Doch schnell merkt sie, dass ihr keiner so leicht und schnell eine Antwort geben kann. Was mir sehr gut an dem Buch gefällt – außer dass es sich wie ein spannender Krimi wegschmökern lässt und Shetterly versucht, selbst komplizierte Dinge einfach zu vermitteln: die Autorin schlägt sich trotz ihrer Krankheit nicht gleich auf die Seite der Gentechnik-Gegner. Sie besucht Vertreter beider Seiten, hört sich geduldig alle möglichen Argumente an und wägt sie gegeneinander ab.

Dabei drängt sie dem Leser oder der Leserin keine Meinung auf – sie lässt uns selbst unsere Schlussfolgerungen ziehen. Ein deutscher Imker kommt dabei mit seinem Kampf gegen Gentechnik im Honig und gegen Glyphosat auch schon mal ein bisschen negativ weg. Ein junger Bauer im „Fly-over-Country“ der USA, der mit Mega-Maschinen seinen Gen-Mais erntet, schildert sie als durchaus sympathisch.

Shetterly macht es sich nicht leicht: Sie lässt sich nicht durch leichte Antworten verführen. Auch wenn oder vielleicht auch gerade, weil das Thema so kontrovers ist, dass es eigentlich kaum jemanden gibt, der sich nicht zur ein oder anderen Seite zählt.

Wir wissen es einfach nicht!

Dazu gehört auch, dass sie mit ihrer Kritik an der industriellen Landwirtschaft, dem massenhaften – oft unreflektierten – Ausbringen von Ackergiften und Kunstdünger oder den Transgenen (wie es richtiger heißen sollte) Pflanzenversuchen nicht zurückhält. Sie schildert, wie sich Transgene Pflanzen – wenn sie einmal auf dem Acker sind – unkontrolliert ausbreiten und alle nicht-transgegen Pflanzensorten kontaminieren können. Meist ohne, dass die Bauern, die keine GVOs (Genetisch veränderte Organismen) anbauen möchten, etwas dagegen tun können.

Sich berichtet auch, wie die großen Konzerne, die mit der Kombination aus GVO, Pestiziden und Dünger satte Gewinne machen, ihre Lobby-Macht ausspielen, um Konrollen jeglicher Art zu verhindern – und die Verbraucher*innen möglichst im Dunkeln tappen zu lassen:

Oder wusstest du, dass wir hier in Europa ebenfalls massenhaft transgene Stoffe zu uns nehmen – ohne dass wir das prüfen können, denn die Lebensmittelhersteller von beispielsweise Fleisch oder Honig sind nicht dazu verpflichtet. Sie müssen nicht angeben, ob das Tierfutter Gen-Soja oder Gen-Mais war oder ob die Bienen nahe einem Feld mit transgenen Blüten ihre Pollen gesammelt haben…

Wir brauchen unabhängige Forschung

Dennoch stellt sie sich nicht mit Bausch und Bogen auf die Seite der Gen-Gegner. Vielleicht aus Vorsicht (es gibt mehrere Kapitel, in denen sie berichtet, warum sie während ihrer Recherchen Angst hatte und warum Gen-Gegner das häufiger haben). Vielleicht aber auch, weil sie durch ihre Recherchen eigentlich immer wieder das Eine herausfindet:

Wir wissen einfach nicht, welche Wirkung transgene Lebensmittel auf unseren Körper und/oder die Umwelt haben, weil es keine unabhängigen Forschungen dazu gibt (etwa die Frage, ob die Pestizide, gegen die die Genpflanzen resistent sind, die aber natürlich in die Pflanze eindringen, nicht für uns bei dauerhaften Verzehr ungesund sein könnten?). Die wenigen Studien, die nicht von den Gen-Konzernen bezahlt wurden und kritische Ergebnisse zutage brachten, wurden schnell diskreditiert – und die Wissenschaftler fanden sich im Karriereabseits wieder.

Die Regierungen – sowohl die der USA, als auch die Europas – kümmern sich laut Shetterly nicht ausreichend darum: Sie vertrauten auf die Ergebnisse der Studien, die die Konzerne ihnen vorlegen, schreibt sie – und zwar ohne überhaupt diese überhaupt tiefergehend auf ihre Plausbilität zu prüfen. Wissenschaftler finden kaum Möglichkeiten der Finanzierung – es sei denn eben durch die Gen-Konzerne …

Spannend wie ein Krimi und auch noch aufrüttelnd

Damit macht sich während der Lektüre dieses Buches schon ein flaues Gefühl im Magen breit: Bei so viel Unwissen ist es schon erstaunlich, dass sich transgene Nutzpflanzen inklusive der Begleitgifte bereits so weit ausbreiten konnten. Und das auch noch so unbemerkt… So wie es scheint, meint Shetterly, haben die Gen-Konzerne wohl von den „Fehlern“ der Tabakindustrie gelernt und versuchen unliebsame Fragen nach der Gesundheit gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Die Politik spielt – wie es scheint – wohl mehr oder weniger mit. Deshalb sind wir Verbraucher*innen anscheinend gefragt, uns stärker für das Thema zu interessieren und kritischer nachzuhaken bzw. bewusst Alternativen zu suchen. Denn haben sich die transgenen Lebensmittel erst einmal flächendeckend ausgebreitet, ist es kaum noch möglich, diese von den nicht-transgegen zu trennen: Wind und Insekten tragen die Pollen eben hierhin und dorthin.

Ein guter Einstieg in die Thematik ist dieses Buch auf jeden Fall. Und wer sich schon etwas intensiver mit dem Thema beschäftigt hat, findet darin eine unterhaltsame Lektüre, die vor allem durch die Bandbreite besticht – Shetterly verknüpft gekonnt wissenschaftliche Erklärungen mit ihrer persönlichen Leidensgeschichte, den Schilderungen ihrer Recherchereisen bis hin zur Politik der EU. Mein unbedingte Empfehlung hat das Buch damit!

Viel Spaß beim Lesen!

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Die Genbombe: Wie sich genmanipulierte Lebensmittel in unser Essen schleichen

Genbombe

Wie sich genmanipulierte Lebensmittel unbemerkt in unser Essen schleichen

ISBN 978-3-453-60428-5
Heine Verlag
14,99 Euro

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