7 Brandanschläge auf islamische Einrichtungen gab es seit Juni 2010 in Berlin. In der Regel war der Zerstörungsgrad eher gering und man kann sagen, dass es sich hier hauptsächlich um symbolische Attentate handelt. Noch?
Da halten wir also angstvoll Ausschau nach in Afghanistan ausgebildeten Terroristen, vermuten in jedem herum stehenden Koffer (mindestens) ein Atombombe und machen ansonsten auch ziemlich viel Heckmeck um mögliche Terroranschläge mit religiösem Hintergrund, dabei sind es wohl eher Deutschen Staatsbürger, die hier Anschläge verüben. Ist das die berüchtigte Erstschlag-Theorie, nach der man austeilt, noch bevor man einsteckt? Ist es das Ergebnis der wachsenden Fremdenfeindlichkeit die einen solchen Vorgang nur noch als „groben Unfug“ einstuft? So oder so bleibt die Vernunft auf der Strecke.
Irgendwie nervt es schon gewaltig, wenn man vom aktuellen Brandanschlag auf eine Moschee in Berlin erfährt und sich online die unterschiedlichen Artikel dazu anschaut. Denn fast immer gibt es – wenn überhaupt in dieser Sache Kommentare erlaubt sind – einige, die zur Mäßigung aufrufen und dafür von anderen Kommentatoren aggressiv angegangen werden. Es nervt, denn wie soll man denn einen Menschen Ernst nehmen, der sich aggressiv gegen Aggressionen ausspricht? Da scheint einiges auf den Kopf gestellt. In Deutschland gab es seit 2001 noch nicht einen einzigen wirklich ernsten Terrorakt mit islamischen Hintergrund. Gleichzeitig aber gibt es eine geistig tobende Menge, die immer härtere Worte gegen diejenigen findet die doch augenscheinlich gar nichts getan haben. Wer dazu aufruft, doch lieber friedlich miteinander umzugehen, zieht seinerseits den Hass auf sich. Das hat schon einen schwarz-satirischen Charakter, oder?
Wir sind ja nur fröhliche Patrioten…
Die 7 Anschläge in wenigen Monaten tragen ihre ganz eigene Symbolik in sich. Und diese wirkt weit über Deutschland hinaus. Genauso wie die Auslandsdiplomatie, die deutsche Beteiligung an Kriegen, der Waffenhandel und der nicht gerade zögerliche Umgang mit anderen Ländern die die Wirtschaftsmacht Deutschland zu spüren bekommen. Das Image der Deutschen hat sich nach dem Mauerfall erheblich verändert. Wir sind wieder wer, hieß es allerorten und wir haben uns doch tatsächlich etwas darauf eingebildet, wieder ein Großdeutschland zu sein, so als hätten wir vergessen, warum wir überhaupt ein Kleindeutschland wurden. Es hat gereicht der Welt 2006 bei der Fußball WM zu zeigen, was wir doch für fröhliche und ausgelassene Patrioten sind, die zwar gern die Fahnen zum Himmel recken – aber ja eben nur zum Spaß.
Vergessen scheinen da die massiven Ausschreitungen während der Sportspiele und die Texte in den Touristenführern, welche einige Gebiete – speziell in Berlin – als absolute „No-go-Areas“ für ausländische Besucher auswiesen.
Doch diese unselige Das-wird-man-doch-mal-sagen-dürfen-Geschwafel, dass im August 2010 begann und natürlich noch heute in den Köpfen rumort, hat zwei äußerst unglückliche Momente miteinander verbunden: Einerseits gab es eine weltweite wirtschaftliche Zäsur, eine Finanz- und Wirtschaftskrise, die nun noch von einer Euro-Krise abgelöst wurden., welche nun in Form von Sparplänen brutal in den Städten und Gemeinden ankommt. Schon vorher waren die Industrienationen abgebrannt und abgehalftert, waren die Binnen- und Arbeitsmärkte desolat. Die Tatsache, dass sich Deutschland vom Qualitäts- zum Billiglohn-Land entwickelt hat, konnte nur statistisch was verbessern. In der „Lebenswirklichkeit“ der meisten Menschen geht es seither zunehmend brutaler zu. Immer weniger Geld steht zur Verfügung und die Folgen sind katastrophal, insbesondere für den Zusammenhalt in der Gesellschaft.
Es brauchte nun mal ein neues Feindbild. Und so wurde von den Tätern, den Verursachern der Krisen abgelenkt. Auch wenn man sich darüber einig war, dass diese wohl keine Moslems sind, so spielte es bei der Beurteilung der neuen Feinde keine Rolle. Das Ziel war, den „Strauchelnden“, den „Habenichtsen“ und „Versagern“ eine Gruppe von Menschen zu offerieren, denen sie die Schuld an ihrer Misere geben konnten. Ganz vorne weg die selbst ernannten Konservativen, die es zu jeder Zeit verstanden haben Missgunst, Neid und sogar Jähzorn zu sähen.
Ein Fehler: Man spricht nicht über die Ursachen des Terrorismus
Im Grunde unserer Herzen wissen wir doch alle, dass es rein gar nichts bringt, wenn wir uns gegenseitig verurteilen und für schuldig erklären Und doch haben es jene Menschen die Mäßigung wollen in diesen Tagen schwerer als noch vor einigen Jahren. Dabei wird noch nicht einmal über die Ursachen für Terrorismus gesprochen. Es reicht anscheinend, wenn renommierte Medien vermelden, dass es sich immer um geistig Verwirrte Attentäter handele, die eigentlich gar keinen anderen Grund als ihren Wahnsinn hätten. Dabei wäre es so leicht, zum Beispiel eine öffentliche Diskussion darüber zu führen, und mal Argument neben Argument zu stellen. Doch auch beim Reichstagsbrand 1933 gibt man sich mit einem verwirrten Brandleger zufrieden. Vielleicht steuert man noch dazu, dass es sich um einen Linken handele, dass reicht schon. Dabei spielen Links und Rechst doch überhaupt keine Rolle. Das sind lediglich verordnete Trennlinien.
Und nun liest man in den Kommentaren, dass ja ein Buch wie das von Sarrazin mit Anschlägen dieser Art rein gar nichts zu tun habe, dass auch die ewigen, nervös machenden Terrorwarnungen nichts dazu beitrügen und schon gar nicht die Lage, in die uns Spekulanten, Banker und korrupte Politiker gebracht haben. Man geht also über jede mögliche Erklärung für die wachsende Intoleranz bei den Menschen hinweg und wiederholt dafür ständig den hohlen Spruch: „Man wird ja noch mal..“
Das hier wirkende Prinzip der Propaganda, dass im letzten Jahrhundert bereits zu den Pogromen führte, wird heute noch immer nicht erkannt und sogar von denjenigen verteidigt, die ihm auf den Leim gehen. Doch wie stellen die sich denn eine Welt vor? Möchten sie – wie einst in Jugoslawien – ganze Volksgruppen vertreiben? Möchten sie, dass Ausländer einen weiten Bogen um unser Land machen? Glauben sie, dass die Volkswirtschaft dann funktionieren würde, dass der rein inländische Handel ausreicht? Glauben sie gar, dass wir im Lande selbst ausländerfeindlich sein können, aber gleichzeitig Urlaub im Ausland machen, denen unsere Produkte verkaufen und ihre Mannschaften zum Fußballländerspiel einladen. Irgendwo in den Theorien gibt es erhebliche Logik-Lücken. Naheliegend ist da, dass hier gar nicht wirklich nachgedacht wird.
Ich meine, dass wir den größtmöglichen Zusammenhalt brauchen, wenn wir die tatsächlich großen Probleme der Zukunft lösen möchten. Wer das für sozialromantisch hält und lieber zulässt, dass irgendwann die Straßen brennen, sollte tatsächlich seine Thesen noch mal überdenken – und er sollte auch mit Kritik klar kommen können. Denn immerhin ist das doch auch der Kern seiner Kritik an anderen, wie zum Beispiel den muslimischen Mitbürgern – die Intoleranz.
Wie kann er etwas einfordern, wenn er es selbst zu geben nicht bereit ist?
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