Michael Moore, den etwas verzottelten US-Filmemacher, und seine Filme kennt ja (fast) jeder. In Deutschland gab es bisher nichts Vergleichbares – bis heute… Denn mit seinem ersten „Langfilm“ setzt Philipp Eichholtz nicht nur genauso wie Moore auf investigative Recherchen und Interviews mit Verantwortlichen, sondern auf ein gerütteltes Maß an Eigendarstellung.

„Meine Daten und ich“ widmet sich dem Thema Überwachungsstaat und will gleichsam unterhalten. Warum nicht, sagen wir uns – und haben uns gut amüsiert. Denn wer hier etwas Durchhaltevermögen an den Tag legt, wird mit einigen interessanten Erkenntnissen zum Thema belohnt. Nicht alles wirklich neu, aber in der Mischung gut verdaulich und unterhaltend in Szene gesetzt.

Wer einen trockenen und rein ernsthaften Film erwartet, dürfte sich die ersten 20 Minuten auf die Probe gestellt sehen. Denn bevor es so heiß wird und mit dem Thema so richtig los geht, zeigt uns Eichholtz zunächst die Vorgeschichte des Films. Er erzählt die Geschichte des fiktiven Filmemachers Axel Ranisch, dem es ganz ähnlich geht wie den meisten wahrheitsbewegten Aktivisten: Wer die Wahrheit erzählen will braucht Geld. Doch was man mit etwas Fantasie auch ohne großen Etat hin bekommt, das zeigt uns sein Film.

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Wir sehen: Ranisch bei der Recherche

Und so schauen wir Ranisch dabei zu, wie er sich zunächst mit seiner Freundin über das „große Projekt“ auseinander setzt, wie er versucht, alte Mitstreiter (vergeblich) dafür zu gewinnen und seinen Gefühlen dabei freien Lauf lässt. Die Kamera ist immer dabei und verlangt dem Zuschauer nicht nur Wohlwollen, sondern auch Sitzfleisch ab. Ganz so wie Moore inszeniert sich Eichholtz alter Ego breitwandig, lässt uns an seiner Präsenz, seinen Gedanken, Wünschen und Hoffnungen, und vor allem an seiner Vision teilhaben.

Das mag manche langweilen oder in ihrem Verständnis eines ernsthaften Dokumentarfilms nur schwer abholen. Doch auf der anderen Seite hilft es bei der Verbrüderung im Geiste, frei nach dem Motto: „Schaut her. Wenn ich es mit meinen geringen Mitteln schaffe, einen Film über dieses Thema zu machen, dann sollte es Euch so etwas auch gelingen.“ Es bedarf keines Millionenetats, um sich der Wahrheit zu nähern, sondern zunächst mal dauerhaften Stehvermögens. Man muss etwas wollen und wenn alle anderen zu doof, zu desinterssiert oder einfach nur zu faul sind, dann macht man es eben allein… So ganz allein aber auch nicht, denn mit einem Kameramann aus alten Tagen und der Hilfe der Freundin (die beim Bundestag arbeitet…) entsteht hier doch so etwas wie ein Team.

Voller Tatendrang: Filmemacher Axel Ranisch

Nachdem wir Ranisch bei seinen Aufs und Abs eingehend beobachten konnten, und auch als Zuschauer schon fast nicht mehr an den Erfolg des Projektes glaubten, der Film also noch nicht über das „…und ich“ hinaus kam, kommt plötzlich Schwung in die Sache. Die Freundin schafft es tatsächlich, Interviewtermine mit politischen „Größen“ wie Wolfgang Bosbach, Datenschutzexperten Peter Schaar und anderen Experten zu vereinbaren. Und diese zeigen sich dann so, wie es der Dokufreund gewohnt ist – sachlich, fast nüchtern und distanziert. Interviews eben.

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Interviewpartner: Wolfgang Bosbach

Man erfährt etwas über Datenschutz, die Überwachungs- und Antiterrorgesetze, über Online-Durchsuchungen, den Missbrauch unserer Daten und sogar über das nebulöse Scoring-System der Banken bei ihren Kreditvergaben. Filmemacher Axel Ranisch nimmt sich nun etwas zurück, sorgt aber mit kleinen Kommentaren und Anekdoten am Rande weiterhin für das beim Publikum gewohnte Moore-Feeling und den roten Faden. Wir zumindest waren ihm deshalb nicht böse – im Gegenteil.

Und ein weiterer zum Thema Scoring-Punkte

„Meine Daten und ich“ ist sehenswert. Sicher nicht für jeden und ganz bestimmt nicht für a) Liebhaber ernsthafter und nüchterner Dokumentationen oder b) Menschen die das Konzept von Michael Moore nicht mögen. In der letzten Zeit musste dieser sich nämlich mit der zunehmenden Kritik auseinandersetzen, er sei nicht nur weit über ein erträgliches Maß hinaus selbstverliebt, sondern fasse überdies nie die wirklich heißen Eisen richtig an.

Die ersten Stimmen sehen in ihm sogar einen „Gekauften“, der im Auftrag des Establishments lediglich harmlose Scheinkritik betreibe – und sich damit eine goldene Nase verdiene. Wie auch immer. Meiner Meinung nach braucht es mehr Menschen wie Moore oder auch Eichholtz, denn auch wenn sie es wohl nie schaffen werden, bis in die eigentlichen Zentralen dunkler Machenschaften zu gelangen, so zeigen sie doch einem durch Mainstream verwöhnten Publikum, dass man durchaus den Finger in die Wunde halten kann und sollte. Klar, bei Moore dürfte der Etat schon weit über die milden Spenden aus der Familienkasse hinaus gehen. Aber darauf kommt es doch eigentlich nicht an, oder?

Fazit: Meine Daten und ich

„Meine Daten und ich“ ist sehenswert. Besonders in Zeiten allgemeiner Ohnmacht und Verunsicherung. Man würde zu weit gehen, dem Film pulitzerverdächtige Enthüllungen abzuverlangen. Doch gerade neben den manchmal stocksteifen Diskussionen um das Thema Überwachungsstaat und den rein belehrenden „Aufklärungsfilmen“ die es sonst so gibt, nimmt er sich genau den Grad an Chaos und Konfusion heraus, aus dem aus der Nähe betrachtet leidenschaftliche Diskussionen und etwas Neues erwachsen könnten.

Nicht weil er mehr zeigt als andere Filme dieser Art oder professioneller wäre als sie. Es ist eben genau die moorsche Leichtigkeit und Selbstironie die helfen könnte, auch im Eigenverständnis der Verantwortung die wir doch eigentlich alle in uns tragen, uns um unser Land, unsere Gesellschaft und unsere Freiheit zu kümmern. Gerade die Freiheit ist nämlich keinesfalls selbstverständlich, sondern muss von jeder Generation stets neu erkämpft werden. Und dazu braucht es auch Filme wie diese. Noch ein paar Zeilen aus dem Pressetext:

Aktuelle Gesetzesänderungen, die die Persönlichkeitsrechte der deutschen Bürger unter dem Schlagwort „Terrorbekämpfung“ beschneiden führen zu der Frage: Wie weit darf oder muss staatlicher Schutz gehen und wo beginnt der Überwachungsstaat? Filmemacher Axel Ranisch sucht nach Antworten bei unterschiedlichen Politikern und Gruppierungen und erklärt auf humoristische Weise, welche Gefahren uns durch unsere Daten bereits jetzt drohen.

Interviewpartner sind unter anderem Wolfgang Bosbach MdB, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion; Peter Schaar, Bundesbeauftragter für den Datenschutz; Dipl. – Inf. Constanze Kurz, Chaos Computer Club; Clemens Binninger MdB, Terrorexperte der CDU / CSU; Prof. Dr. rer. Nat. Andreas Pfitzmann, Technische Uni Dresden. Dokumentarischer Spielfilm, Deutschland 2008. 79 Minuten, Format DVCPro HD 16:9 Anamorph

Die Website zum Film.

Und wer will, kann ihn gleich hier für 9,95 Euro bestellen.

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