Immobilienkrise. Bankenkrise. Finanzkrise. Eurokrise. Staatsschuldenkrise. Keiner habe es vorhersehen, keiner was geahnt, heißt es in den Nachrichten und aus dem Mund etlicher Experten. Doch das Gegenteil trifft zu. Wir haben es mit dem größten Raubzug der Geschichte zu tun. Wie er funktioniert, beschreiben Matthias Weik und Marc Friedrich in ihrem gleichnamigen Buch.

Kein Tag vergeht, an dem nicht die Weltwirtschaftskrise Schlagzeilen macht, man neue Hiobsbotschaften hört und mit ansehen muss, wie hohe Milliardenbeträge in einem Fass ohne Boden verschwinden zu scheinen. Man mag es zwar nicht gern so nennen, doch wenn man sich die Konjunkturdaten aus allen Ländern mal anschaut stellt man fest, dass der Begriff „Weltwirtschaftskrise“ sogar sehr genau zutrifft. Die Wirtschaftsleistung der Länder geht zurück, sie sind nicht mehr in der Lage ihre Verbindlichkeiten zu begleichen und – was das schlimmste ist – die Menschen geraten immer mehr ins soziale Elend.

„Warum die Fleißigen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden“ lautet dazu passend die Unterzeile eines Buches, dass von der These ausgeht, dass es sich bei den Finanzkrisen der letzten Jahre eben nicht um eine Art Naturereignis handelt, sondern um eine gewollte Strategie. Sie bezeichnen sie als „Raubzug“ und versuchen die Hintergründe so zu beleuchten, dass sie jeder nachvollziehen kann. Politiker und Wirtschaftsexperten behaupten zwar gern, dass der gesamte Sachverhalt viel zu komplex und kompliziert sei, als das man ihn verstehen könnte. Doch dem ist nicht so.

Eine spannende Reise in die Welt des Wahnsinns

Man ahnt schon, dass wir es hier mit einer Branche zu tun haben, die nach ihren eigenen Gesetzen funktioniert – weit abgeben von dem was wir Realwirtschaft nennen. Doch wenn man wirklich begreifen will, was da vor sich geht, sollte man sich erst mal mit den Grundfragen beschäftigen:

– Wie entsteht überhaupt Geld?
– Wie kommen Banken und Staaten eigentlich zu ihrem Geld?
– Warum ist das globale Finanzsystem eigentlich so ungerecht?

Und genau tut das Buch, dass sich so spannend liest wie ein Krimi. Sehr schnell kommt man zu der Erkenntnis, dass wir es hier offensichtlich mit einer Art Selbstbedienungsladen, mit angeschlossenen Kasino zu tun haben. Denn das besagte Geld entsteht geradezu aus dem Nichts. Die Bindung zu den Sachwerten oder gar Rohstoffen wie Gold sind längst aufgehoben und alles das was einige von uns einfach dadurch generieren, dass sie ein paar Klicks mit der Computermaus durchführen, wird mit einer solchen Geschwindigkeit transferiert und der Spekulation preisgegeben, das es sich in Bruchteilen von Sekunden vermehren kann.

Jeder Schuldbetrag der im Umlauf ist, also auch die Schulden die die Privatwirtschaft und Staaten haben, steht ein Schuldner gegenüber, der es irgendwann einfordern wird.

Geld ist keine Leistung

Allein durch die Schaffung von Geld wird keine Leistung geschaffen: „Geld arbeitet – entgegen der Behauptung von Banken – nicht, nur Menschen arbeiten.“ stellen die Autoren fest. Doch um Geld zu machen, braucht es den Menschen immer weniger.

Wenn eine Bank nur einen Bruchteil der von ihr gebuchten Gelder tatsächlich als Eigenkapital besitzen muss (selten mehr als 5 Prozent), hat sie das beste Geldvermehrungskonzept überhaupt: Sie erzeugt das Geld einfach selbst, und benötigt z.B. für einen auszugebenden Kredit von 10 000 Euro (bei 2 Prozent Eigenkapital) lediglich 200 Euro. Und ist das Geld erst mal ausgegeben, kann auf den Betrag ein Zinssatz erhoben werden. Ein Geschäft das sich wahrlich lohnt.

Der größte Raubzug der Geschichte 2

Im eisernen Griff der Troika

Noch schlimmer geht es zu, wenn die Dimensionen und Größenordnungen ganz andere werden… Nachdem die weltweite Bankenkrise die Staaten Milliarden an Rettungsgeldern gekostet hat – Geld, dass sie sich von Banken leihen mussten – stehen sie nun in der Kreide. Ratingagenturen sorgen dafür, dass es so bleibt und schlimmer wird. Denn das geliehene Geld unterliegt einem variablen Zinssatz der steigt, je mehr ein Land ins Trudeln kommt. Das Buch beschreibt akribisch den Weg von der Finanzkrise 1.0 und ihren Folgen, über den „abgewehrten“ Finanz-Kollabs, Rettungsschirme, Schattenbanken, EFSM und ESM, bis zu den Auswirkungen auf die unterschiedlichen Staaten, bis hin zu China.

Die derzeit akute Frage um Pro und Contra des Euros gehört ebenso dazu, wie die eigentliche, sich dahinter befindende, den beschriebenen Raubzug. Denn der fand gleich mehrfach und in mehreren Schüben statt. Einerseits in den von Bank hervorgerufenen Krisen und ihren „Mitnahmeeffekten“, wie den weltweiten Bankenrettungsprogrammen. Andererseits beim Ausverkauf der Staatswerte, der nun folgt. Nach und nach geraten die Länder in den eisernen Griff ihrer Gläubiger und der sog. Troika aus Europäischer Zentralbank (EZB), Europäischer Kommission (EU-Kommission) und Internationalem Währungsfonds (IWF).

Weniger ist weniger – und nicht mehr

Die sich heraus ergebenden Sparauflagen sind weitreichend und schließen, neben massiven Kürzungen in Sozialhaushalt und Gesundheitswesen, auch den Ausverkauf der Staatsbesitztümer (Öffentliche Einrichtungen, Staatsbetriebe, Patente, Rohstoffe etc.) mit ein. Auffällig ist, dass durch ebendiese Maßnahmen sich die Lage der Länder verschlimmert und die Volkswirtschaften weitgehend zum Erliegen kommen. Ein Teufelskreislauf der jedoch als Weg aus der Krise offeriert wird.

Die Menschen verlieren ihre Arbeit und wenn sie noch welche haben, wird ihnen ihr Einkommen gekürzt. Sie bekommen eine schlechtere Krankenversorgung, können immer weniger für ihre Kinder versorgen, deren Zukunft ohnehin ungewiss ist, da die Jobs und Ausbildungsplätze weg brechen. Armut greift um sich. Die einzigen die in dem ganzen Dilemma reicher werden sind diejenigen die Gelder verliehen haben. Denn hinter den meisten Bankhäusern stehen private Aktionäre, die meisten Investmentfonds sind privat getrieben. Hier wird viel verdient – sehr viel sogar. Der Rest hat immer weniger.

Das Geld wird systematisch entzogen – fließt von unten nach oben
„Vorteile ziehen aus unserem Finanzsystem nur diejenigen, deren Zinseinnahmen die Zinszahlungen übertreffen. Je mehr das Vermögen bei den Profiteuren des Systems wächst, desto größer werden logischerweise bei der Verlierermehrheit die Zinslasten.“ konstatieren Weik und Friedrich. Denn der kontinuierliche Vermögenszuwachs bei den wenigen Reichen und Superreichen sei ausschließlich möglich dadurch, das laufend den unteren und mittleren Schichten direkt oder indirekt Vermögen entzogen würde.

Der Fehler liegt im System

Das folgern die Autoren und beschreiben auf über 340 Seiten nicht nur, welche Akteure hiervon profitieren, sondern auch, welche Wege überhaupt noch offen bleiben. Was können wir tun? Wie können wir dafür sorgen, dass uns Besitz und Geld nicht gänzlich durch die Finger rinnen?

Das Buch ist auch für Nichtexperten gut verständlich geschrieben. Es lässt einen schon einige Mal schlucken, wenn man liest, wie das Geschäftskonzept „Krise“ funktioniert. Und es macht natürlich auch wütend auf Akteure, Drahtzieher, all die Lügen und Betrügereien. Doch sehr schnell gesellt sich die Erkenntnis dazu, dass die Schuld nicht bei einer kleinen Gruppe allein liegt, sondern bei allen die mitgemacht haben. Auch denen, die nicht zu den Big Playern gehören. Wir alle haben es einreißen lassen und in den letzten Jahrzehnten eine Welt geschaffen, die in erbarmungsloser Konsequenz eben diesen Raubzug erst ermöglicht hat. Wir alle haben das System gestützt und die meisten haben davon profitiert, vermeintlich und auf den ersten Blick.

Mit dem ESM haben wir nun einen Zustand betoniert, der das System der Abhängigkeit von Staaten zur Gewohnheitssache werden lässt. Die Nutznießer können quasi frei schalten und walten. Die Folgen der „Staatshilfen“ zeichnen sich bereits ab und es wird langsam deutlich, dass sich hinter dem „Point of no Return“ noch ein weiterer Punkt befindet, der „Point of Arrival“, also jenem Punkt, wo den Menschen klar wird, dass ein vollkommen neues System auf sie wartet. Und das es an ihnen liegt, wie menschlich, gerecht und nachhaltig es hier zugehen wird.

Unser Buchtipp für die dunkle Jahreszeit.

Der größte Raubzug der Geschichte 3

Bibliografische Angaben zum Buch
Der größte Raubzug der Geschichte
Matthias Welk & Marc Friedrich
Verlag: Tectum-Verlag
382 Seiten, Paperback
ISBN 978-3-8288-2949-7
Preis 19,90

Bildquelle: Gerd Altmann / Pixelio.de