Es ist knall orange und richtig gut: Andreas Graf von Bernstorff, seines Zeichens schon viele Jahre als Campaigner für Greenpeace tätig, hat ein schmales Taschenbüchlein im Carl-Auer Verlag heraus gebracht. Ein Büchlein, das ich jedem ans Herz legen möchte, der sich in einer NGO oder Initiative für politische Veränderungen einsetzt.
Von Kapagnendesign bis hin zur Nutzung medialer Begriffe
Denn das Buch bietet nicht nur praktische Tipps – etwa zum Kampagnendesign. Der Autor beschäftigt sich auch mit wichtigen Hintergrundüberlegungen. Zum Beispiel hat er ein ganzes Kapitel geschrieben, in dem es um die Bedeutung von Begriffen geht. Schafft man es, den (noch legalen) Export von Giftmüll als »Giftmüllschieberei« in die Medien zu bringen, hat man die öffentliche Meinung fast schon hinter sich.
Er beschreibt auch die Bedeutung von B-Plänen. Also der Tatsache, dass man als guter Campaigner eigentlich niemals, niemals, niemals eine Kampagne scheitern lassen darf. Nicht, dass sie nicht tatsächlich gescheitert wäre, weil man die Ziele, die man sich (intern) gesteckt hat, nicht erreicht. Aber in der Öffentlichkeit, so von Bernstorff, muss man die »Interpretationshoheit« über den Ausgang der Sache behalten. Mit anderen Worten: Es muss von außen gesehen immer so erscheinen, als sei man ans Ziel gelangt.
Taktik – so viel wird durch das kleine Büchlein klar – ist die wichtigste Tugend eines guten Campaigners. Er muss »Gegner« konstruieren, um die politischen Entscheidungen herbei zu führen, um die es ihm eigentlich geht. Da muss dann auch schon mal ein Unternehmen für herhalten, das eigentlich gar nicht zu den »Schlimmen« gehört. Das sich aber unter Druck setzten lässt (etwa, weil es im Vergleich zu den wirklich »Schlimmen« auf seinen guten Ruf bedacht ist).
Dabei kann auch schon mal ein Politiker ins Kreuzfeuer geraten, der eigentlich gar nicht für den Gesetzeszustand verantwortlich ist – aber so auf die Zustimmung der öffentlichen Meinung angewiesen ist, dass er schon für das entsprechende »Strippen ziehen« im Hintergrund sorgen wird.
Mit Tricks und Tipps zum „Guten“
Und so macht das kleine Büchlein auch eines klar: Wer sich für das »Gute« einsetzen will, »muss« auch Tricks und Schlichen anwenden – zumindest nach der Lesart von Bernstorffs. Er stützt sich dabei gerne auf die taktischen Prinzipien der Chinesen (einer davon lautet zum Beispiel, dass man die Truppen des Gegners immer intakt halten soll, damit man sich nach gewonnener Schlacht übernehmen kann).
Das wird manchem »verträumten Idealisten« nicht gefallen. Und auch ich musste mich beim Lesen hin und wieder fragen, ob denn wirklich der Zweck dieses oder jenes Mittel heiligt bzw. ob man nicht zu sehr »wie die da« wird, wenn man sich zu sehr auf die Taktiererei einlässt. Doch selbst wenn man die ein oder andere Strategie und Überlegung für sich selbst nicht anwenden möchte, profitiert man von der Lektüre.
Ja, ich wage zu behaupten: selbst wenn man nie als Campaigner arbeiten will, profitiert man von der Lektüre. Denn das Buch zeigt auch, wie Medien(macht) funktioniert. Und wie leicht wir alle uns – als kleiner Teil von dem, was wir »die öffentliche Meinung« nennen – manipulieren lassen. Und so wäre mein einzig negativer »Kritikpunkt« eigentlich nur der, dass das Buch definitiv zu schmal ist. Ich hätte gerne mehr von Herrn von Bernstorff erfahren ;-).
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Bibliografische Angaben:
Andreas Graf von Bernstorff
»Einführung in das Campaigning«
Carl-Auer Verlag, Buchreihe Compact
ISBN 978-3-89670-831-1
13,95 Euro
www.carl-auer.de
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Ein interessante Anwendung der Prinzipien Sun Tzus durch Bernstorff. Ich kann ihr jedoch nicht zustimmen. Ausführlicher dazu auf meinem Blog:
http://genughaben.de/blog/2012/05/07/kampagnen-und-konflikte/.
Ich bin gespannt, was ihr dazu meint.
Beste Grüße
Frank
Hallo Frank, danke für den Kommentar – und vor allem auch den langen Blogpost. Freut mich, dass ich dazu inspiriert habe 😉 Ich bin vollkommen Deiner Meinung (vielleicht kam das nicht genug zum Ausdruck). Ich finde es aber auch okay, wenn manche Menschen so taktisch vorgehen, um politisch etwas zu bewegen (immer unter der Voraussetzung, dass niemand persönlich angegriffen wird!). Das wäre auch nicht mein Ding und grundsätzlich finde ich auch, dass man immer ehrlich und authentisch etc. sein sollte – selbst wenn das taktische „Nachteile“ mit sich bringt. Aber ich glaube, dass diese Menschen etwas Positives bewirken können. Schließlich und endlich finde ich die Lektüre insofern „hilfreich“, dass sie bewusst macht, wie leicht wir uns manipulieren lassen. Bspw.: Ist Apple wirklich so viel schlimmer als andere Elektronikhersteller? Ist die Deutsche Bank die einzige Bank, die mit Lebensmitteln spekuliert? Ist Christian Wulff im Vergleich zu anderen Politikern – ja sogar Menschen – so viel „schlimmer“? Wir alle neigen dazu, uns viel zu schnell eine Meinung zu bilden – und nicht selten ist sie ein Vorurteil. Campaigner nutzen das mit den gleichen oder zumindest ähnlichen Methoden wie PR- und Werbe-Fachleute. Ist das schlimm? Ich weiß es nicht. Sicher, es ist nicht hundertprozentig authentisch. Aber wenn Menschen meinen, dass das der Kompromiss ist, um etwas zu bewegen, werde ich sie nicht verurteilen.