Der Pleitegeier kreist

Alles geht ganz langsam. Fast wie in Zeitlupe fällt das Kartenhaus in sich zusammen: Immer mehr Städte, Gemeinden und Kommunen gehen finanziell in die Knie und reagieren so, wie man es wohl erwarten konnte. Sie kürzen, sparen und knausern genau dort, wo es den Bürger am meisten trifft. Gerade wieder wurde vermeldet, dass Offenbach wirtschaftlich mit dem Rücken an der Wand steht, aber das ist nur die Spitze des Eisberges. Die „Weltwirtschaftskrise“ fordert zunehmend ihren Tribut – und zwar von uns.

Die Krise ist hausgemacht. Da kann man reden wie man will. Doch viel wichtiger als die Feststellung, dass sich hier einige Wenige auf Kosten der anderen die Taschen voll gestopft haben ist die Frage nach dem Ende der daraus resultierenden Kettenreaktion. Und das ist nicht abzusehen. Im Gegenteil. Während die „systemrelevanten“ Banken sprichwörtlich sorgenfrei mit unvorstellbar großen Summen herum zocken konnten – der Staat kam für die (vermeintlichen) Schulden auf – beginnt nun die Lawine der „Umverschuldung“. Man nennt es vornehm „sozialisieren“. Doch in Wirklichkeit wird uns jetzt das letzte Hemd ausgezogen. Denn was der Bund an Neuverschuldung beschlossen hat, müssen nun die Kommunen stemmen. Und das kann nicht gut gehen.

Man schiebt sich zwar gegenseitig den schwarzen Peter zu – gerade im Fall Offenbach geht das ja schon etwas länger so – doch die Auswirkungen fehlgeplanter Haushalte zeigen im Jahr 2010 eine ganz eigene Dynamik. Hier der Fall Offenbach:

Wenn die Kommune pleite ist

2009, so zeigt diese interaktive Karte, ging es den meisten Regionen in Deutschland gar nicht mehr gut, türmten die sog. Kassenkredite eine Pro-Kopf-Verschuldung von bis zu 5.000 Euro auf. Heute dürfte es um die meisten Regionen noch schlechter bestellt sein. Die Gründe liegen auf der Hand. Unternehmen gehen pleite, da sich immer weniger Menschen ihre Produkte leisten können. Entlassungen senken die Nachfrage und lassen die Zahlungen in das Staatssäckle immer weiter versiegen. Städte und Gemeinden reagieren, in dem sie genau da sparen wo es weh tut: im Sozialbereich, in der Kultur und ganz allgemein in der städtischen Versorgung. Gleichzeitig werden die Gebühren angehoben, was wiederum die Kaufkraft – und damit indirekt die Steuereinnahmen – reduziert. Ein Teufelskreis der nicht zuletzt auch mit dem Ende unserer übersättigten Wirtschaftskreisläufe zu tun hat.

Und was tut der Staat? Er subventioniert überholte Industrien, unterstützt mit Steuergeldern Wirtschaftszweige und Produktionen, um z.B. international konkurrenzfähige Preise für den Export zu erzielen. Doch damit wird auch das Elend exportiert, denn auch andere Länder stecken in der Misere. Auch in anderen Regionen der Welt kämpfen Landwirtschaften ums Überleben.

Lachende Dritte

Wer Kapital hat und dieses verleihen kann, wer vielleicht sogar die Lizenz zum Gelddrucken besitzt, freut sich und gehört zu den Krisengewinnern. Denn was geschieht, wenn ein ganzes Land auf diese Weise in die Knie geht – siehe aktuell Griechenland? Dann wird es „eingesackt“, zunächst mit Krediten überhäuft und danach – sollte die Rückzahlung schwer fallen oder gar unmöglich sein – ganz einfach filetiert. Sprich: Alles was der jeweilige Staat an Vermögenswerten hat, Grundbesitz, Immobilien, Patente etc. fallen den Kreditgebern zu; im Falle Griechenlands wohl über den Internationalen Währungsfond (IWF) irgendwelchen Kreditgebern. Ganz gleich also wie schlimm die Krise ist, irgendjemand reibt sich die Hände, vermehrt sein Vermögen und wird so zum lachenden Dritten – neben Staat und inländischem Privatwirtschaft.

Notfallplan der EU – Abwehr von Staatspleiten 2009

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Wenn man bedenkt, dass Geld nichts weiter ist als bedrucktes Papier, doch dafür Millionen Menschen weltweit ganz reale Werte, das Dach über dem Kopf oder auch überlebenswichtige Ressourcen verlieren,offenbart sich das Diabolische im System. Ein System dass trotz der jüngst zu machenden Erfahrungen weiter aufrecht erhalten werden soll. Die Folge wird jedoch sein, dass diejenigen die das (aus dem Nichts geschöpfte) Geld verleihen am Ende alles in ihren Händen halten: Staat, Privatwirtschaft und natürlich die Menschen. Ein Wunder dass hiergegen niemand aufbegehrt und das perfide Spiel bis an die äußerste Spitze weiter getrieben werden kann. Denn hier werden ganze Staaten geschluckt und – nach Manier regionaler Privatisierungsmodelle – am Ende wieder ausgespien.

Währungsreform

Klar ist, dass die wir die Schulden am Ende nicht mehr tilgen können. Schon deshalb nicht, weil in den letzten Jahren und Jahrzehnten die Binnenwirtschaft ruiniert wurde, keine Arbeitsmarktpolitik stattfand und das stetig wachsende Heer der Arbeitslosen, der Verlierer des Systems, nicht mehr finanziert werden kann. Das uns durch die Aufrechterhaltung des alten Systems einerseits die Illusion verkauft wird, dass es doch noch irgendwie besser werden könnte, andererseits der soziale Friede erhalten werden soll, zeigt die Dimension des Dilemmas.

Die Weltwirtschaftskrise

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Die Vergangenheit hat gezeigt, wie auf Krisen dieser Art regiert wird: Entweder durch eine erneute Währungsreform oder, in letzter Konsequenz, durch die Zerstörung des Bestehenden, durch Kriege. Nehmen wir die erste „Lösung“, so besteht durchaus eine Aussicht, dass wir mit einer einschneidenden Zäsur der Währungspolitik rechnen dürfen. Eine Währungsreform würde dem staatlichen Schuldendienst milde angedeihen lassen, jedoch zu Lasten der Menschen gehen. Diese könnten sich hierbei von ihren Privatreserven, von ihren Sparguthaben wohl weitgehend verabschieden. Denn kommt erst einmal der Euro 2.0 oder eine Neubelebung regionaler Währungen wie der alten DM, so zerstäubt – je nach Umrechnungskurs – auch die Kaufkraft. Müßig zu glauben, dass der panische Ankauf von Goldreserven hier noch etwas bewirken könnte. Denn was zählt ist der funktionierende Geldkreislauf, ist die reale Wirtschaft. Dieser käme jedoch zum Erliegen, da die großen Probleme damit nicht gelöst würden.

Der zweite Fall wäre somit durchaus nicht unrealistisch. So würde wahrscheinlich schon ein geringfügiger politischer Zwischenfall ausreichen, um die Kettenreaktion in Gang zu setzen. Die Bevölkerung würde den Zweifel in die eigene Staatsführung gegen den Hass einem anderen Staat gegenüber eintauschen. Und wie die Geschichte zeigt, ist es gar nicht schwierig, ein Volk aufzuwiegeln. Zu diesem Zeitpunkt würde wohl niemand mehr fragen, ob die Gründe nicht ganz woanders zu suchen wären. Wir können nur hoffen, dass uns diese Situation erspart bleibt.

Doch zunächst einmal muss die Pleite ruchbar werden, muss das Ende der Fahnenstange erreicht werden. Bedauerlicherweise kann man beobachten, dass die politisch Verantwortlichen, nicht nur bei uns, nicht umdenken, nicht zweifeln und schon gar nicht auf die Warnungen hören die weltweit lauter werden.

Können Staaten pleite gehen?

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Während der Staat die Möglichkeit hat, ständig neues Geld zu leihen, sich zu verschulden und somit (theoretisch) nicht pleite zu gehen, trifft diese Gefahr für Kommunen, Privatwirtschaft und Menschen durchaus zu.

Wo ist der Ausweg?

Wie bringt man nun den gordischen Knoten zum Platzen? Ohne eine radikale Neuorientierung, gerade im Wirtschaftsbereich, scheint dies unmöglich. Doch wo man auch hinschaut, die politisch Verantwortlichen – zumindest diejenigen die am Ruder sind – tun alles andere als innehalten. Sie blasen in dieselben Posaunen in die sie schon vor der Krise geblasen haben. Sie haben sich nicht geändert. Gleichzeitig läuft der Verführungsapparat aus Werbung und Zwängen weiter… So lange, bis wir „Halt!“ rufen. Richtig: Ohne unser Dazutun wird sich nichts ändern, eher im Gegenteil. Eine Debatte über Sinn und Unsinn unseres Wirtschaftssystems ist längst überfällig. Wir haben gesehen, dass der Kapitalismus genauso wenig taugt wie die Planwirtschaft. Grund genug über neue Wege nachzudenken und diese auch zu gehen!
Warum lassen wir uns weiter vor den Karren spannen? Denn ohne uns läuft die große Maschinerie nicht weiter. Nur wenn wir uns einreden lassen, dass wir kaufen müssen um glücklich zu sein, dass wir alle Konkurrenten sind und an uns selbst denken müssen, dass wir so weitermachen müssen, läuft sie wie geschmiert. Doch wir sollten endlich erkennen, was wir uns, unseren Kindern, unseren Enkeln und Urenkeln damit antun. Der einzige Weg ist die Notbremse. Auch wenn es hart werden sollte. Auch wenn wir das Leid hierdurch kurzfristig auf die Spitze treiben. Doch gerade der schleichende Prozess, das Abwarten, das Ducken und letzte Vorteile nutzen wollen, verschlimmert alles – auf unabsehbare Zeit. Nur wenn wir die Maschine stoppen und uns gleichzeitig ihrer Opfer annehmen, wenn wir uns gegenseitig stärken und damit auch wieder zu einer starken Gesellschaft werden, haben wir eine Chance. Zyniker werden sagen, dass sei utopisch. Doch die Utopie des goldenen Kalbes hat uns doch genau da hingeführt, wo wir heute sind…

Fragt man einen Menschen was ihn wirklich glücklich macht, so wird er – auch wenn er vielleicht etwas überlegen muss – irgendwann antworten, dass dies ausschließlich Dinge sind die man für Geld nicht kaufen kann. Genau diese Dinge haben wir auf dem Weg verloren. Das Ergebnis ist eine gehetzte und unglückliche Gesellschaft. Eine Gesellschaft die ihren Zusammenhalt verliert, da sie die Mechanismen der Konkurrenz und der Leistung höher stellt als die Mitmenschlichkeit. Hierüber nachzudenken würde sich lohnen. Der Ausweg ist kein monetärer, kein mit Geld käuflicher. Er liegt bereits vor uns, wenn wir uns trauen. Zwar werden die Nutznießer des gerade zerfallenden Systems aufschreien und alles tun, um die große Maschine in Gang zu halten. Doch von ihnen können wir ohnehin keine Lösung für alle erwarten. Denn diese liegt nun mal nicht im Haben, sondern im Sein – nicht im Besitz, sondern in der Menschlichkeit begründet. Solange davon noch etwas in uns vorhanden ist, besteht noch eine Chance.

Das ureigenste Prinzip des Überlebens ist die Kooperation – soviel sollten wir doch tief in uns noch wissen. Kooperation ist zugleich auch der stärkste Hebel der uns Menschen zur Verfügung steht. Und dieser Hebel wartet darauf, dass wir ihn ergreifen.

Bildquelle:
Rainer Sturm, Pixelio.de

Marek

Schon als kleiner Junge lief ich mit dem Bleistift herum und fragte die Menschen Löcher in den Bauch. Genauso stelle ich mir noch heute einen Reporter vor – wie einen Detektiv mit Schreibblock … Doch die Welt hat sich sehr verändert. Mehr denn je brauchen wir neue Erzählungen, neuen Mut, Gemeinschaften und Vorbilder. Als Medien- und Projektmacher, Journalist und Publizist berichte ich seit 30 Jahren über Themen, die mich bewegen: Demokratie, Technologie, Wirtschaft, Medien, Umwelt- und Tierschutz – motiviert vom Wunsch nach einer besseren Welt für alle.

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