Himmelhohe Honorare an den SPD-Kanzlerkandidaten werfen ein ganz eigenes Licht auf die politische Moral dieser Tage. Und so manch einer scheint verblendet…

Wenn ich dieser Tage die „Ich habe einen Markt“-Debatte um Peer Steinbrück beobachte, dann fallen mir dazu einige Worte ein. Natürlich schon mal der Doppelspiel-Vorwurf an Kanzlerin Angela Merkel: „Aus einer einseitigen Krisenanalyse folgt eine einseitige Therapie: Sparen, sparen, sparen“ (dradio.de) und seiner Empfehlung, eines echten Wachstums- und Beschäftigungspakts für Europa.

Und dann natürlich die rhetorische Einlagensicherung am Anfang der Finanzkrise. „Wir sagen außerdem, dass diejenigen, die unverantwortliche Geschäfte gemacht haben, zur Verantwortung gezogen werden. Dafür wird die Bundesregierung sorgen. Das sind wir auch den Steuerzahlern in Deutschland schuldig. Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind. Auch dafür steht die Bundesregierung ein.“ So der Original-Wortlaut von Steinbrück und Merkel am 5. Oktober 2008, damals noch in der „großen Koalition“. (Spiegel Online) Mal sehen, ob das Versprechen die nächsten Jahre Bestand hat.

Doch mir kreisen noch ganz andere Gedanken im Kopf herum…

Große Worte, große Gaben

Wir leben in einer rauen Zeit. In einer Zeit, in der die Unsicherheit um sich greift. In der ein großer Teil der Menschen in ganz Europa um ihre Zukunft bangt. In der Verzicht, Entsagung und Bescheidenheit von Politikern eingefordert werden – zumindest von der Gesellschaft als Ganzes. Auch wenn das nicht für jeden gelten muss. Denn einige haben es zurzeit gar nicht schlecht. Im Gegenteil, sie verdienen ganz gut an dem was gemeinhin Krise genannt wird: „Wer hat, dem wird gegeben: Millionäre und Superreiche sind die Gewinner der globalen Finanzkrise. Während die Weltwirtschaft unter einem Schuldenberg ächzt, kann die Krise den Wohlhabenden kaum etwas anhaben.“ (Süddeutsche.de) Und das ist wahrlich noch untertrieben, wenn man mal überlegt, dass es dort wo es große Verluste gibt, immer auch große Gewinner geben muss – diejenigen in deren Schuld die Welt steht…

Es ist also eine Zeit, in der man schon sehr auf das achtet was einer sagt – besonders dann, wenn es so weitreichende Konsequenzen hat. Ob nun ein Kanzlerkandidat, ein politischer Hinterbänkler, ein Wirtschaftsmagnat, ein Spezialistenspezialist oder eben auch jemand, der sein Geld damit verdient, Redner – oh, Verzeihung „Speaker“ – zu vermieten. So geschehen bei der gestrigen Seltsam-TV-Show, „Hart aber fair“, bei der einer der Vermieter zu Wort kam und am Rande einräumte, dass Redner nun mal dann gemietet würden, wenn sie zum Auftraggeber passen. Ist schon klar… 😉

So versteht man das Wort „Rednergabe“ auch gleich viel besser.

Reden ist Gold! Schweigen ist silber? 2

Eins von diesen Dingen ist nicht wie die anderen

Dieses feine Liedchen kennt Ihr vielleicht noch aus der Sesamstraße. Und genauso geht es mir, wenn ich die anachronistische Entwicklung der politischen Debatte vor mir habe. Politiker machen Geschäfte. Sie haben einen „Markt“, so heißt es. Doch gleichzeitig dienen sie sich uns als Vorbilder an, als Menschen zu denen wir aufschauen sollen (was für eine spookige Analogie). Gerade in der Krise wollen sie uns zum Durchhalten ermuntern, zum „Gürtel enger schnallen“, zum Ruhighalten, Maulhalten („Können Sie mal das Maul halten! Einfach mal das Maul halten!“), Klatschen, stumm nicken. Ich frage mich, wie passt das zusammen.

Denn ebenso wie bei dem Sesamstraßen-Lied bekommt man doch irgendwann das Gefühl: „Hier passt was nicht zusammen“ Denn in Zeiten wie diesen braucht es eben entsprechende Politiker. Es bräuchte, wenn man ehrlich ist, noch nicht einmal den Typus Politiker, denn der impliziert, in seinem Parteienwettstreit genau die Verhaltensweisen, die der Gesellschaft Schaden zufügen:

1. KONKURRENZKAMPF: Das sich durchsetzen, nicht nur gegen äußere Kräfte, sondern gleichfalls der Kampf in den eigenen Reihen. Und wofür? Um eine prima Position in der Gesellschaft und auch in der eigenen politischen Organisation einzunehmen?

2. HIERARCHIEDENKEN: Das Streben danach, andere hinter (bzw. unter) sich zu lassen, sie zu überholen. Vielleicht dabei sogar unfaire Mittel dafür einzusetzen.

3. GIER NACH IMMER MEHR: Der Erwerb von Macht und Möglichkeiten, aber auch Geld und Besitz ist dem Menschen eigen – solange seine Anerkennung und Sicherheit von diesen Faktoren abhängt. Doch was rechtfertigt es, hier keine Grenzen einzuziehen – zumindest dann und dort, wo der größte Teil der Gesellschaft abgehängt wird?

4. WILLFÄHRIGKEIT: Wessen Brot ich ess, dess Lied ich singe. Wie kann jemand sich gedanklich frei und unabhängig für alle einsetzen, wenn er sich wenigen verpflichtet? Freiheit im Geiste ist nur möglich, wenn wir den Blick nicht vom Gemeinwohl abwenden. Oder ist es genau umgekehrt?

5. DÜNKEL: Der Wunsch mit seinem Handeln unter der Radarlinie der Öffentlichkeit zu bleiben, zieht stets den Unbill eben dieser nach sich. Umso mehr, wenn man sich nur einer kleinen Interessengruppe verpflichtet fühlt und dies für sich behalten will.

Diese fünf Eigenschaften scheinen bei allen (!) Parteien eine Rolle zu spielen. Wenngleich in unterschiedlicher Intensität. Wenn man sich allerdings anschaut, wer in der politischen Szene nach oben gespült wird, fragt man sich, wie er/sie es geschafft hat, ohne sich als Konkurrent durchzusetzen, in der Hierarchie nach oben zu arbeiten, den Willen nach Mehr sein Handeln bestimmen zu lassen, gewissen Kreisen willfährig zu sein und dies im Schatten des Dünkels zu belassen. Hier wäre ich für einen Fingerzeig dankbar.

Reden ist Gold?

Wir haben nun drei Jahrzehnte hinter uns, in der die Devise war: „Du musst Dich verkaufen!“. Erst jetzt lernen wir nach und nach eine neue Herangehensweise: „Du kannst kooperieren!“ Bis sich diese gesellschaftlich durchsetzt, wird leider wohl jedoch noch eine ganze Weile vergehen, so scheint es. Wie auch, wenn unser gesamtes Leben nach der alten Maxime konstruiert ist; dass das „System“ nur noch eine Lebensart zu belohnen scheint?

Dieser Clip bringt es vielleicht auf den Punkt:

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=SAUi3Nqevag[/youtube]

Doch jetzt ist Sand ins Getriebe geraten. Die Maschine läuft nicht mehr rund. Manche Zahnräder der Maschine Weltwirtschaft drehen sich noch etwas schneller, aber letztlich sind sie auch nur Bestandteil eben dieser großen Maschine, bei der alles zusammengehört – und man eben doch kein Zahnrad betrachten kann, ohne den Blick auf das Ganze zu lenken.

Reden ist Gold! Schweigen ist silber? 3

Und so scheint die aktuelle Diskussion um Referentenhonorare geradezu grotesk. Denn was nützt es der Gesellschaft, wenn manche durch das was sie sagen Millionen zusammentragen? Was nützt es, das Reden zu Gold wird? Was nützt es, wenn wir uns gesellschaftlich über die größten Probleme ausschweigen, damit manche von uns den Raum und das Wort übernehmen? Ist es nicht längst Zeit für die richtigen Worte? Ich bin mir sicher, dass diese ganz umsonst zu haben sind. Nur ganz wenige sprechen sie aus. Doch ihnen wird man am Ende zuhören!

Bildquellen:
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