Es ist gerade mal ein paar Tage her, dass die EU ihre Mitgliedsstaaten ermahnte und unter Druck setzte, endlich mal das Problem der Endlagerung des hochradioaktiven Mülls in den Griff zu bekommen. Damit gab sie eine argumentative Steilvorlage hinein in die aktuelle Auseinandersetzung um die Castor-Transporte ins Wendland. Heute ist es soweit und während Betreiber und Politiker keinerlei Lösung für das Müllproblem haben, versuchen sie dennoch Fakten zu schaffen. Doch der Widerstand ist groß und wächst ständig weiter.

Rund 40.000 Gegner stehen heute einer kleinen Armee von 17.000 Polizisten (!) gegenüber. 11 Castor-Behälter und jeder angefüllt mit so viel radioaktivem Dreck, wie bei der Tschernobyl-Katastrophe freigesetzt wurde. Man denkt unweigerlich an das Asse II-Desaster, bei dem sich zum Schluss beschädigte Fässer hoch giftigen Inhalts übereinander stapelten, gegenseitig quetschten und zu einem tödlichen Mikado werden ließ.

Gerade weil das Thema heute eher unter den Teppich gekehrt wurde, wissen die Bewohner von Gorleben und Umgebung genau, dass am Ende niemand dafür haften wollen wird, wenn sich ihr „Testlager“ als unbrauchbar, unsicher und damit hoch gefährlich darstellt. Denn das es sich bei dieser Deponie um einen sicheren Ort handelt, dass mag keiner der Verantwortlichen unterschreiben.

Wir kennen doch die Gefahr…

Atomkraft ist weder sicher noch günstig. Die ganze Welt hat bei den Störfällen gezittert, wir kennen Fotos, Filme und Schilderungen der grausamen Schäden, welche radioaktives Material auf jedweden menschlichen und tierischen Organismus hat. Noch heute müssen die ehemaligen Bewohner der Gegend um Tschernobyl mit Missbildungen, einer kranken und unbewohnbaren Natur leben – einem Mahnmal das uns eigentlich sagen sollte: „Lasst die Finger davon!“.

Die Gefahr dauert ja nun nicht ein paar Tage und Wochen an, sondern wird die nächsten Generationen beschäftigen und gefährden. Und trotzdem stehen rund 17.000 Polizisten bereit, um die Behälter aus dem französischen La Hague zu schützen – notfalls mit Gewalt. Man fragt sich, wie sie sich dabei fühlen. Ob sie selbst Kinder haben, ob ihnen die Zukunft der unsicheren Fracht keine Angst macht.

Die Polizei, deren Freund und Helfer?

Im Zweifelsfall werden die Polizisten „ihre Arbeit machen“ und den Demonstranten mit Gewalt begegnen. In ihren Köpfen wird gewiss der Gedanke daran, dass das Recht auf ihrer Seite ist, ihre möglichen Ängste beiseite wischen. Doch glauben sie wirklich, dass die Verantwortlichen auch im Falle eines Unglücks sich weiterhin so tolldreist zeigen würden?

Was, wenn die von Ihnen geschützte Fracht tatsächlich die Gesundheit von Menschen gefährdet und sie diejenigen waren, die lediglich die wirtschaftlichen Interessen doch verhältnismäßig kleiner Cliquen schützten? Was, wenn sie in einem solchen Fall erkennen müssten, dass sie zu Mittätern wurden, anstatt sich für den Schutz der Menschen einzusetzen? Klar: Natürlich heißt es heute, dass der Einsatz des Großaufgebotes lediglich zum Schutz der sensiblen Fracht sei, doch ist das nicht Augenwischerei.

Wir haben vor kurzem erlebt, wie die Einwohner von Stuttgart sich gegen das Bauvorhaben der Deutschen Bahn solidarisierte. Sie wurden dafür verprügelt, denn hier galt es die Geschäfte im Hintergrund zu schützen. Es war und ist viel Geld im Spiel. Auch die Atomwirtschaft ist ein Milliardengeschäft. Deshalb werden sich auch heute die Betreiber nicht die Wurst vom Brot nehmen lassen. Doch wie auch schon in Stuttgart war die Politik in Vetternverbund mit der Wirtschaft lediglich am Eigeninteresse orientiert.

Durchsetzen – gegen den Willen der meisten

Die Durchsetzung gegen den Willen eines großen Teils der Bevölkerung hat jedoch der Politik an sich geschadet – und genauso ist es im Fall der Castor-Transporte. Egal wie die Demonstration selbst ausgeht, die Politiker verspielen den Restsatz ihres Ansehens und scheinen sich über die Konsequenzen nicht so Recht im Klaren zu sein. Der fokussierte Blick gilt lediglich dem eigenen Interesse und das ist nun mal nicht deckungsgleich mit dem was die Menschen wollen. Da kann man die Polizei aufmarschieren lassen, doch aus einer solchen Auseinandersetzung geht man nur als Verlierer hervor.

Heute heißt es „Atommüll, nein danke!“. Doch wieder und im hohen Maße geht es auch um das Ansehen der politischen Kaste, die einerseits kein Blatt mehr vor den Mund geht, wenn es um die Durchsetzung egoistischer Interessen geht, andererseits aber von der Bevölkerung erwartet, dass sie alles mitmacht und am Ende die Zeche zahlt. Die Unzufriedenheitsschraube wird heute noch mal ein gutes Stück angezogen und das Image der Politik geht noch weiter in den Keller. Ob sie das will, ob der Preis den sie erhält wirklich um so viel attraktiver ist, als das Gefühl dem Auftrag der Wähler gerecht zu werden zu werden und damit auch der eigenen Verantwortung.

Politische Dummheit überdenken

Nach Stuttgart 21 erleben wir nun das nächste Symbol politischen Versagens und so wie es aussieht, dürfte es nicht das letzte sein, denn als Nächstes wird der Kahlschlag in den Kommunen durch die Sparmaßnahmen drastisch weiter betrieben.

Ein Kahlschlag, den nicht die Bürger zu verantworten haben, sondern gleichermaßen Politik und Wirtschaft in ihrer unheiligen Allianz. Politische Strategen sollten darüber nachdenken, ob sie sich mit der Durchsetzung unpopulärer, unsinniger und sogar gefährlicher Entscheidungen nicht die schlechteste mögliche Ausgangsbasis für die Proteste die nun ins Haus stehen geschaffen haben.

Bildquelle: Pixelio.de, Bernd Boscolo