Dankbarkeit macht froh und glücklich. Und nicht nur uns. Die Kraft der Dankbarkeit kann im wahrsten Sinne des Wortes die Welt verändern. Eine kleine Anleitung für die friedliche Revolution…

Was macht Menschen eigentlich glücklich? Auf diese Frage scheint es auf den ersten Blick eine ganze Reihe von Antworten zu geben. Fest steht, dass jeder nach Glück strebt. Das verbindet uns alle. Doch was uns scheinbar glücklich macht, scheint höchst verschieden zu sein. Das zeigt die Doku „Macht Besitz glücklich? Unterwegs in einem reichen Land“ von János Kereszti: Der eine träumt von einem begehbaren Kleiderschrank voller Designerstücke. Der andere lebt bewusst ohne materiellen Besitz, weil ihn das frei und glücklich macht.

Es gibt jedoch eine Sache, die anscheinend existenzielle Basis für jegliche Art von Glück ist: Und das ist Dankbarkeit. Nun mag man vielleicht zunächst denken, dass der Zusammenhang umgekehrt wäre – wer glücklich ist, ist auch dankbar. Doch bei genauerer Betrachtung scheint es logisch: Es kann jemand in absoluter Fülle leben und dennoch unglücklich sein – eben weil er für die Dinge, die er hat, nicht dankbar ist. Und es kann jemand mit einem Leben voller Schicksalsschlägen dennoch glücklich sein, weil er dankbar ist für das, was das Leben ihm bietet.

„Das heißt nicht, dass wir für alles dankbar sein können – etwa für Krieg, Krankheit oder den Tod Nahestehender“, meint der Benediktinermönch David Steindl-Rast in seinem TED-Talk. Er setzt sich schon seit Jahren für die Praxis der Dankbarkeit ein. Nicht nur als religiöse oder spirituelle Übung. Sondern als ein Weg, ein glückliches und erfülltes Leben zu führen. Er meint, dass wir zwar nicht für schwierige Situationen und Lebensumstände dankbar sein können. Aber für die Gelegenheiten, die diese uns eröffnen.

Was macht uns glücklich? Auf jeden Fall die Freude an der Natur und den Tieren.

Gelegenheit macht Dankbarkeit

Tagtäglich, jeden Augenblick bekommen wir – so Steindl-Rast – vom Leben zahlreiche Gelegenheiten geboten. Wir können sie wahrnehmen und ergreifen oder sie ignorieren und vorbeiziehen lassen. Die Regel ist, dass wir in unserem Alltagsstress an ihnen vorbeihetzen, sie nicht erkennen – und eben auch nicht dankbar dafür sind bzw. sie nutzen.

Schicksalsschläge und Niederlagen jedoch stoßen uns mit solcher Wucht und auch solchem Schmerz darauf, dass wir nicht daran vorbeigehen können: Wir „müssen“ sie ergreifen und dadurch in der Regel über uns hinauswachsen. Wir müssen zum Beispiel aufstehen und unsere Stimme erheben. Oder wir müssen unseren Beruf verlassen und einen neuen Weg gehen – auch wenn dies ein vermeintliches Risiko in sich birgt (wobei das Scheitern nach Steindl-Rast nicht weiter schlimm ist, denn bereits der nächste Augenblick bietet eine neue Gelegenheit).

Dankbarkeit macht gesund und froh

Mittlerweile tritt nicht nur Steindl-Rast für mehr Dankbarkeit im Alltag ein. Es gibt bereits ein weltweites Gratitude-Movement (siehe beispielsweise www.gratefulness.org). Auch das Interesse der Wissenschaft an dem Thema wächst. Und das hat seinen Grund: Die Psychologen, Neurowissenschaftler und Soziologen am (nach eigenen Angaben weder religiöse noch spirituelle) Greater Goods Science Centre in Berkeley erforschen die Auswirkungen von Dankbarkeit und haben festgestellt:

  • Dankbare Menschen haben ein bessere Immunsystem,
  • sie erleben mehr positive Gefühle,
  • sie sind somit fröhlicher, glücklicher und optimistischer,
  • das macht sie großzügiger und einfühlsamer,
  • und so fühlen sie sich schließlich auch weniger einsam und isoliert.

Was macht uns glücklich? Auf jeden Fall der Respekt und die Dankbarkeit anderen Menschen gegenüber.

Dankbarkeit üben

Okay, dankbar zu sein bringt also viele Vorteile mit sich – für uns und für andere (ganz zu schweigen von der Welt insgesamt, siehe unten). Aber wie können wir uns die Dankbarkeit nun antrainieren? Steindl-Rast meint, das sei eigentlich ganz einfach… eigentlich: „Es ist genauso, wie wir das Kindern beibringen, wenn sie eine Straße überqueren: Stoppen, schauen und dann erst los laufen“. Doch genau mit diesem „stoppen und schauen“ haben wir in unserem hektischen Alltag eben so unsere liebe Not.

Steindl-Rast hat für sich – neben seinen buddhistischen Übungen – eine recht pragmatische Lösung gefunden: Er hat kleine Zettel zum Beispiel an die Lichtschalter oder den Wasserhahn geklebt, um sich bei jedem Anschalten oder Aufdrehen daran zu erinnern, dass dieser Luxus keine Selbstverständlichkeit ist – und er dafür dankbar sein sollte.

6 Tipps für die Dankbarkeit

Wem diese Stoppschilder zu banal sind, der kann sich an die Tipps von Jeremy Adam Smith vom Greater Goods Science Center halten. Hier sind sie:

1. Visualisiere Deinen eigenen Tod: Forscher des Greater Goods Science Center haben heraus gefunden, dass die Dankbarkeit / das Glück von Menschen merklich steigt, wenn sie ab und an an ihren eigenen Tod denken. Das klingt vielleicht zunächst etwas makaber, aber eigentlich ist es logisch: Das (gesunde) Leben erscheint einem dann auf einmal doch viel mehr wie ein Geschenk. Man macht sich bewusst, dass es endlich ist, und dass wir nicht wissen, wann es zu Ende geht. Eine Übung, die ich neulich in einem anderen Buch gelesen habe: Nimm Dir eine halbe Stunde Zeit, setz Dich hin und versuch Dir Deine eigene Beerdigung vorzustellen. Wer ist anwesend? Und was würden die Anwesenden über Dich denken und in ihrer Trauerrede sagen? Was möchtest Du, was sie denken und sagen? Dann lebe danach!

2. Koste sinnliche Erlebnisse bewusst aus: Wer bewusst den Duft einer Blume oder den einer Tasse Kaffee, die spektakulären Farben eines Sonnenuntergangs oder das schöne Wolkenspiel am Himmel wahrnimmt, der bemerkt die Schönheit um sich und kann auch im alltäglichen Einerlei mehr Dankbarkeit empfinden. Weitere 10 Tipps hierzu gibt auch von Fred Bryant von der Loyola University. Um sich im Alltag daran zu erinnern, kann man übrigens einen kleinen Trick anwenden: Man kann sich eine bestimmte Anzahl von Bohnen in die eine Jacken- oder Hosentasche stecken. Immer, wenn man etwas Schönes sieht oder erlebt, für das man dankbar ist, steckt man eine Bohne in die andere Tasche. Abends kann man die Bohnen herausholen und sich noch einmal vergegenwärtigen, was man alles erlebt hat (ein Dankbarkeitstagebuch ist dabei übrigens auch eine Option – es gibt sogar eine Dankbarkeits-iPhone/iPad-App für solche Gelegenheiten…).

Was macht uns glücklich? Auf jeden Fall der Blick für’s Detail!

3. Gib Deine Ansprüche auf: Das Gegenteil von Dankbarkeit ist Anspruchsdenken, meint Jeremy Adam Smith. Wer annimmt, dass alles Gute im Leben sein gutes Recht sei, der wird niemals so viele Dinge aufzählen können, für die er oder sie in seinem oder ihrem Leben dankbar ist – wie diejenigen, für die er nicht dankbar ist (etwa bereits erwähnte Krankheiten etc.). Unser meist unbegründetes und unbewusstes Anspruchsdenken hindert uns also daran, den Reichtum um uns wahrzunehmen, der uns einfach so geschenkt wurde: Das Leben, die Nahrung, das Licht, sauberes Wasser, Gesundheit, ein Lächeln, eine hilfsbereite Geste…

4. Sei Menschen dankbar: Klar kann man für eine schöne Tasse Kaffee dankbar sein, für ein neues Kleid oder einen tollen Sommertag. Doch all diese Dinge reflektieren unsere Dankbarkeit nicht. Sie wissen nichts davon – ja, sie ahnen noch nicht einmal etwas von unserer Existenz (soweit wir das wissen). Wenn wir unsere Dankbarkeit jedoch (auch und gerade) auf Menschen richten, hat sie besonders große Auswirkungen. Denn wenn wir unsere Dankbarkeit nicht nur empfinden, sondern auch gegenüber diesen Menschen zum Ausdruck bringen, können wir damit Glück und Freude verbreiten – und wiederum selbst fröhlicher und glücklicher leben.

5. Sei spezifisch dankbar: Anderen Menschen dankbar sein und dies auch zum Ausdruck bringen, ist laut Smith quasi die Stufe eins für Dankbarkeitsschüler. Stufe 2 ist, in seinen Dankbarkeitsbekundungen so spezifisch wie möglich zu sein. Also nicht einfach nur zu sagen: „Ich bin Dir so dankbar, dass Du so bist wie Du bist!“. Sondern genau hinschauen und ehrliche, echte Dankbarkeit wiedergeben, etwa: „Ich bin Dir dankbar, dass Du mir morgens immer so liebevoll ein Frühstück machst mit einem Frühstücksei, das genau richtig weich ist“ (nur als ein blödes Beispiel). Diese Dankbarkeit wird als viel authentischer und wichtiger wahrgenommen und hat damit auch einen entsprechend positiveren Effekt für alle.

 6. Wachse über Dich hinaus: Die dritte – und wahrscheinlich schwierigste Stufe, quasi die Dankbarkeitsmeisterschaft – ist es, in Situationen Dankbarkeit zu entwickeln, in denen man eigentlich gar nicht dankbar sein zu können meint. Oder auch Menschen gegenüber, denen man eigentlich gar nicht dankbar sein zu „müssen“ glaubt: Der Kollege, der einen immer wieder nervt (und damit unser Lehrer in Geduld ist), ein Obdachloser (der uns daran erinnert, wie komfortabel unser Leben ist), die Krankheit (die uns dazu bringt, uns auf das Wesentliche in unserem Leben zu konzentrieren). Hier schließt sich der Kreis wieder zu Steindl-Rast und der Dankbarkeit für Gelegenheiten, auf die uns schwierige Situationen und Ereignisse stoßen.

Was macht uns glücklich? Auf jeden Fall die Wertschätzung des vermeintlich Alltäglichen.

Dankbarkeit, die friedliche Revolution

Mehr Dankbarkeit hat dabei keineswegs nur eine Auswirkung auf unser persönliches (privates) Lebensglück. Der Benediktinermönch Steindl-Rast meint, dass Dankbarkeit sogar das Tor zu einer friedlichen Revolution sein könnte. Der Grund: Wer dankbar ist, lebt in einer gefühlten Fülle. Somit ist jemand, der dankbar ist, nicht ängstlich. Und wer nicht ängstlich ist, ist nicht gewalttätig. Er ist im Gegenteil großzügig (denn er hat ja genug) und voller Respekt den Dingen (Umweltschutz!) und den anderen Menschen gegenüber. Er schätzt die Unterschiedlichkeit, anstatt sie zu fürchten und zu bekämpfen.

Auf diese Weise führt „radikale“ Dankbarkeit laut Steindl-Rast zu einer neuen Art der Revolution. Und  zwar zu keiner, die die bisherige Hierarchie einfach nur ausgetauscht gegen eine neue Hierarchie (bei der diejenigen, die nun „oben“ sitzen diejenigen sind, die vorher „unten“ saßen). Statt dessen führe Dankbarkeit zu einer neuen Form des Miteinanders, die vielmehr einem Netzwerk ähnele und in der jeder Mensch auf der gleichen Augenhöhe stehe. Bis es soweit ist, wird sicher noch einige Zeit vergehen. Doch nach so viel guten Gründen für die Dankbarkeit steht zumindest mein guter Vorsatz für das neue Jahr fest: Ich will aufmerksamer nach den Gelegenheiten, Dingen und Menschen Ausschau halten, für die ich dankbar bin!