Unsere liebe Deutsche Bahn – Anlass für jede Menge Unmut wegen Verspätungen, arrogantem Gehaben und Daten-Affairen. Nun kommt anscheinend ein weiterer Schmutzfleck dazu: „Uns ist es gelungen, einen großen Skandal bei der Deutschen Bahn AG aufzudecken“, meldet die Organisation LobbyControl gestern.
Während der Auseinandersetzung um die Privatisierung habe die Bahn von einer Agentur verdeckte Pro-Privatisierungs-Propaganda durchführen lassen, gibt LobbyControl bekannt. In einer Antwort auf Recherchen von LobbyControl bestätigte die Bahn heute schriftlich, dass so genannte „no badge“-Aktivitäten stattgefunden hätten. No badge-Aktivitäten bezeichnen Öffentlichkeitsmaßnahmen wie Meinungsumfragen, Leserbriefe, Beiträge in Online-Foren, vorproduzierte Medienbeiträge und Blog-Beiträge, bei denen Urheber oder Auftraggeber nicht erkennbar sind, erläutert die LobbyControl.
European Public Advisers GmbH
Beauftragt sei demnach die Lobby-Agentur „European Public Policy Advisers GmbH“ (EPPA) worden, das Auftragsvolumen soll sich auf 1,3 Mio. Euro belaufen. Innerhalb dieses Auftrags soll EPPA nach schriftlicher Auskunft der Deutschen Bahn wiederum die Denkfabrik berlinpolis e.V. mit PR-Maßnahmen beauftragt haben. In der Vergangenheit hatte Berlinpolis immer Beziehungen zur Deutschen Bahn AG bestritten.
Zum weiteren Hintergrund von Berlinpolis schreibt LobbyControl: „Berlinpolis griff 2007 massiv in die Debatte um die Bahnprivatisierung ein – ebenso in den Tarifkonflikt zwischen der Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Insbesondere publizierte die Denkfabrik mehrere Meinungsumfragen zur Bahnprivatisierung und zum GDL-Streik, die zu bahnfreundlichen Ergebnissen führten und so in den Medien aufgegriffen wurden. So wurde offensichtlich versucht, die Öffentlichkeit und die politische Debatte dadurch zu beeinflussen, dass vermeintlich unabhängige Dritte im Sinne der Bahn in die öffentliche Debatte eingriffen“.
Bahn will umgehend Konsequenzen ziehen
Die Bahn hat nun anscheinend schon reagiert und – so LobbyControl – in den vergangenen Tagen eine Prüfung durch die externe Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG durchführen lassen. Das Ergebnis liegt nun zwar anscheinend der Bahn vor, nicht aber LobbyControl. Der Vorstandsvorsitzende der Bahn Rüdiger Grube soll jedoch erklärt haben, „umgehend im Unternehmen die notwendigen Konsequenzen daraus ziehen“.
LobbyControl fordert nun von der Bahn, dass sie die Öffentlichkeit umfassend darüber informiert, wer in ihrem Auftrag welche Lobbyarbeit betreibt. „Auch die Politik ist gefordert: sie muss umgehend eine Untersuchung dieser verdeckten PR-Methoden der Deutschen Bahn AG einleiten“, schreibt LobbyControl. Und natürlich bräuchten wir dringend mehr Transparenz über die Arbeit von Denkfabriken und Lobbyagenturen in Deutschland. „Wir fordern die Bundesregierung und den Bundestag auf, umgehend eine Initiative für ein verpflichtendes Lobbyistenregister zu starten, in dem alle Lobbyistinnen und Lobbyisten ihre Kunden und Finanzierung offen legen müssen“, so LobbyControl.
Manipulation muss strafrechtlich geahndet werden
Auch der Deutsche Journalisten Verband ist schon auf dem Plan: „Die bekannt gewordenen Aktivitäten der Deutschen Bahn AG aus dem Jahr 2007 zur Manipulation der Öffentlichkeit müssen strafrechtlich geahndet werden“, forderte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken. Die Bahn AG hatte zuvor eingeräumt, dass vor zwei Jahren für so genannte no badge-Aktivitäten 1,3 Millionen Euro ausgegeben worden seien.
Darunter seien vorproduzierte Medienbeiträge, Leserbriefe, Einträge in Internet-Foren und Blogs ohne oder mit falscher Urhebernennung zu verstehen. „Wenn die Bahn mit Hilfe gefälschter Text-, Hörfunk- oder Fernsehbeiträge versucht hat, die öffentliche Meinung in ihrem Sinne zu beeinflussen, müssen sich die Gerichte damit befassen“, sagte Konken. „Das ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein handfester Skandal.“
Weitere Infos: www.lobbycontrol.de
Bildquelle: www.pixelio.de
Lieber Tobias, ja in der Tat – ich bin auch sehr enttäuscht, dass die Deutsche Presse anscheinend so wenig selbstregulierend wirkt… Allerdings hängt auch hier eines mit dem anderen zusammen: Nachdem Investoren Verlage als Rendite-Objekt entdeckt haben, geht es auch hier immer mehr um Gewinne, Gewinne und noch mal Gewinne. Und das heißt logischerweise auch Stellenabbau. Und man bekommt ja in der Tat – dank der unendlichen Flut an Pressemitteilungen – die Medien auch locker voll. Eine gründliche Recherche etc. bleibt da oft auf der Strecke. Journalisten, die derzeit massenweise auf der Strasse landen, kann man wohl nicht allein die Schuld geben, wenn sie selbst unter widrigen Bedingungen versuchen, ihren Arbeitsplatz zu behalten. Ein Teufelskreis…
Hallo Tobias,
ein Glück, dass es Organisationen gibt, die diesen Fällen nachgehen. Diese mehr zu unterstützen und ihre „Ermittlungsergebnisse“ zu publizieren, kommt allen zugute. Je schlimmer die Zustände werden, desto mehr entlarven sich aber auch die Populärmedien, die sich ihre Aufgabe – den Mächtigen auf die Finger zu schauen – schlichtweg vergessen haben.
Viele Grüße,
Marek
Sehr geehrte Redaktionäre,
Super-Information. Vielen Dank!
Schade Deutschland, schade Demokratie, schade Freiheit, daß dies der Presssse bisher keine Nachricht wert war.
Das hätte manchem aus der Masse vielleicht und endlich mal die Augen geöffnet, daß nämlich viele Nachrichten mittels Selektion und Evolution gefiltert, „verbessert“ werden und somit Gehirnwaschgänge in Deutschland täglich und üblich sind!
Liebe Grüße
T