Ja, Google hat endlich – nachdem Google Wave wohl dann doch nicht die so gehypte Email-Social-Network-Revolution war – wieder mal einen Coup gelandet. Das heißt vielleicht. Denn die Aussagen stammen natürlich vor allem von Google selbst: Google+ ist ein Renner. Rein kommt in den Facebook-Konkurrenten nur, wer eingeladen wurde. Das klingt ganz schön exklusiv – und entsprechend rasant sollen auch die Beitrittszahlen steigen. Sagt Google, wer sonst. Wer fragt da schon nach Datenschutz.

Okay, ich gestehe, dass ich auch drin bin. Seit dem werde ich von alten Bekannten ge-added (also in so süße Kreise eingeordnet, die mich so wunderbar an meine Kindergartenzeit erinnern. Als alles noch in Ordnung war und die Welt sicher und einfach schien. Die grüne Gruppe, das war meine!). Genauso oft werde ich von Menschen ge-added, von denen ich noch nie in meinem Leben etwas gehört habe. Und habe ich Lust, mich mit denen zu beschäftigen? Habe ich Lust, noch einem weiteren Netzwerk meine kostbare Lebenszeit investieren zu müssen, weil wer-weiß-wer das von mir erwartet? Habe ich tatsächlich Lust, auch hier meinen Status alle Nas‘ lang zum Besten zu geben?

Eigentlich nicht. Doch die PR-Maschinerie von Google sagt mir schon: Ich muss! Denn wer nicht hoffnungslos untergehen will (vor allem als Freelancer!) in unserer social-mediarisierten Welt, der muss… Und so habe ich mich zumindest mal angemeldet, um zu schauen, wie schlimm es werden könnte mit dem Zeitaufwand, den ich nun auch noch in dieses Netzwerk investieren muss – und zwar nur, weil mal wieder eines von diesen Unternehmensgiganten den Hals nicht voll genug kriegen kann und natürlich versuchen muss, seinem Konkurrenten Facebook das Wasser abzugraben.

Wäre doch auch zu schön, wenn Google neben seinen diversen anderen Online-Diensten auch noch diese soziale Plattform anbieten würde. Da würde man als User echt Zeit sparen: einmal anmelden und ALLES erledigen! Zu dumm nur, dass damit auch die ganze Daten-Observiererei bei einem Unternehmen gelandet ist, dass – so könnte man zumindest aus der Vergangenheit schließen – in Sachen Datenschutz auch nicht unbedingt besser als Facebook ist… Nur eben mächtiger…

Was soll’s, dass der Rest der Wirtschaft da schon fleißig den Kampf gegen mögliche Anonymisierungsdienste aufgenommen hat, wie telepolis berichtet: Präzise Internetnutzerprofile sind das nächste… nein, das aktuelle große Ding: Je genauer die Zielperson einer Werbekampagne beschrieben werden kann, desto mehr kann der Anbieter der Werbeplattform für das Platzieren der Anzeige verlangen. Aber was, wenn der Surfer Identifikationsmittel wie Cookies oder sogar Flash-Cookies abschaltet, oder Anonymisierungstools wie etwa Firefox-Plugins benutzt? Dann dreht sich die digitale Rüstungsspirale immer schneller, und produziert Überwachungssysteme, von welchen die Diktatoren unseres Planeten nur träumen können, mit einer Überwachungseffizienz weit jenseits von Google Analytics.

Aber es gibt zum Glück auch schon die ganz standfesten Google+-Verweigerer: Der Suma-Blogger beispielsweise hat ein (okay, nicht unbedingt hübsches) Icon entwickelt, mit dem sich Gleichgesinnte outen können. Wäre es legitim solch einen Button auf der Website zu führen und dennoch angemeldet zu sein, frage ich mich? Wäre es denkbar, dass sich all die gestressten Freelancer zusammen tun und eine Gegen-PR-Kampagne fahren, träume ich weiter? Zum Beispiel, um die Nachricht zu verbreiten: Facebook und Google+ sind für die Akquise vollkommen nutzlos… Wäre es möglich, gemeinsam einen Kampagnen-Feldzug datenschutz-unbedenkliche Open-Source-Alternativen wie JoinDiaspora zu gestalten? Ach, ich träume… und vergesse dabei fast meine obligatorischen Social-Media-Zeiten für diesen Tag…

P.S. Eines sollte uns noch zu denken geben: Eine Meldung von Lobby Control, die besagt, dass Google den Betrag für Lobby-Arbeit in Washington im
Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt hat. „Von April bis Juni 2011 investierte Google 2,1 Millionen Dollar in politische Einflussnahme. Damit überholte Google erstmals auch den Rivalen Microsoft auf dem Parkett der Washingtoner Lobbyisten“, schreibt Lobby Control. Für Deutschland fehlten solche Daten, weil es hierzulande kein Register für Lobbyisten gibt. „Aber auch hier wird Google aktiver und sponsert Think Tanks und wissenschaftliche Institute“, meint die Anti-Lobby-Organisation (http://bit.ly/q4yYs4).

 

Für die Nutzung des Bildes: vielen Dank an Karl Heinz Laub, pixelio.de