Demokratie wollten die Amerikaner nach Afganistan bringen. Dazu gehören natürlich nicht nur freie und geheime Wahlen, sondern beispielsweise auch die Pressefreiheit. Doch wie sich die ganze Sache entwickelt, muss man wohl immer mehr anzweifeln, dass ein Ziel – auch nur in dieser Richtung – bislang verfehlt wurde. Denn: „Verbrechen von Warlords dürfen in Afghanistan nicht anprangert werden“, berichtet die Menschenrechtsorganisation „gesellschaft für bedrohte völker“ (gfbv).
Das habe auch der jetzt 24jährige Journalistikstudent Sayed Parvez Kaambakhsh am eigenen Leib erfahren müssen. Der Geheimdienst hat ihn nämlich nach Informationen von gfbv am 27.Oktober 2007 fest genommen, weil dessen Bruder – der Journalist Sayed Yaqub Ibrahimi – kritisch über den Machtmissbrauch von Kriegsfürsten und deren Verstrickungen in Vergewaltigungen und Morde an Minderjährigen berichtete. Bis heute prangere Yaqub die Verbrechen der Warlords an. So habe beispielsweise der Polizeichef der Provinz Sar-e Pol zurücktreten müssen, nachdem Yaqub ihm nachgewiesen habe, die Vergewaltigung einer 12-Jährigen durch eine Warlord-Miliz gedeckt zu haben.
Als es ihnen nicht gelang, ihn zum Schweigen zu bringen, hätten sie nun seinen Bruder Parvez verhaften lassen, um den Journalisten einzuschüchtern, berichtet gfbv. Die Anklage: Parvez soll einen Text des islamfeindlichen Exiliraners Arash Bikhoda über Mohammeds Haltung gegenüber Frauen aus dem Internet geladen und mit eigenen Anmerkungen versehen an der Balkh-Universität verteilt haben. Das Gerichtsverfahren: anscheinend nicht gerade fair…
Von einem Kriegsfürsten wird berichtet
Von einem „den Kriegsfürsten hörigen Gericht der Provinz Balkh“ spricht gfbv in seiner Meldung. Und von einem Hauptbelastungszeuge der Anklage, dem Mitstudent Hamid, der nach Angaben der Menschenrechtsorganisation am 21. Oktober 2008 vor Gericht seine Aussage widerrufen hat, er habe das belastende Dokument von Parvez persönlich ausgehändigt bekommen. „Ich wurde gezwungen. […] Ich schrieb, was sie mir sagten. Ich war vollkommen verängstigt. Sie bedrohten meine Eltern“, schreibt gfbv. Hamid und seine Familie seien vom afghanischen Geheindienst eingeschüchtert worden. Inzwischen sei Hamid zudem auch bereit zu bezeugen, dass Parvez in der Haft gefoltert wurde, was er anscheinend bei Besuchen im Gefängnis gesehen haben soll.
Das vorläufige Ergebnis: Das Sicherheitsgericht von Mazar–e-Sharif sei dem Votum des Rates islamischer Gelehrter gefolgt und habe Parvez am 23. Januar 2008 zum Tode verurteilt. Das Berufungsgericht habe diese Strafe am 21. Oktober 2008 in eine 20jährige Haftstrafe umgewandelt – und nun habe der Oberste Gerichtshof in Kabul das Urteil bestätigt, ohne die eklatanten Fehler der Prozeßführung und begründeten Zweifel an Parvez‘ Schuld zu berücksichtigen. „Mit Gerechtigkeit hat diese Prozessführung nichts zu tun“, bemerkt gfbv. Im Gegenteil: Das Verfahren verstosse sowohl gegen geltendes afghanisches Recht, als auch gegen islamisches Recht und gegen grundlegende internationale Rechtsvorschriften.
Wie erfolgreich der Krieg in Afghanistan bislang war…
Ein Einzelschicksal sicherlich. Aber dennoch exemplarisch dafür, wie „erfolgreich“ der Krieg in Afghanistan bislang war. Wer das nicht einfach hinnehmen will, kann sich übrigens an einer Online-Aktion von gfbv beteiligen und an den afghanischen Präsidenten Hamid Karzai appellieren sowie eine deutsche Version des Briefes an den afghanischen Außenminister Rangin Dadfar Spanta und an die afghanische Botschafterin Prof. Dr. Maliha Zulfacar schicken.
Weitere Infos: www.gfbv.de
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