Ben Paul ist ein »Education Hacker« – also frei lernender Student. Außerdem ist er Blogger sowie freiberuflicher Trainer und Coach in Berlin. Ben hat das Projekt ANTI-UNI ins Leben gerufen, für junge Menschen, die autodidaktisch lernen, die Unternehmen gründen und Projekte starten wollen.

 

Wer bist Du und was machst Du?

Ich bin Ben, 23 Jahre alt und helfe jungen Menschen herauszufinden, was sie machen möchten – und zwar losgelöst von den Erwartungen ihrer Eltern oder der Gesellschaft.

Wieso kannst Du das anderen beibringen?

Ich kann das niemandem beibringen. Aber ich kann andere zum Nachdenken anregen. Ich finde es wichtig, sich grundlegende Fragen zu stellen und seine eigenen Antworten darauf zu finden – also keine Antworten, die vielleicht deine Eltern oder Lehrer geben würden.

Du hast eine Anti-Uni ins Leben gerufen. Was ist das und was machst Du da?

Das ist bisher vor allem ein Blog. Hier schreibe ich über eigene Erfahrungen und lasse andere, junge Menschen zu Wort kommen, die ihren eigenen Weg gehen und so mutig sind, ihre eigenen Grundwerte zu leben.

Doch die Anti-Uni wächst. Ich möchte aus ihr eine Art Online-Community, auf der es Videos geben mit inspirierenden Persönlichkeiten gibt, die über ihren Weg und ihre Erfahrungen berichten. Außerdem soll es Methoden geben etwa zu der Frage: Wie kann ich herausfinden, was mich wirklich begeistert?

Oder Übungen zum Thema „Grundwerte“. Alle sollen auf solches Wissen zugreifen und auch Kontakt zu den entsprechenden Leuten aufnehmen können. Menschen sollen über die Plattform lokal Treffen organisieren, diskutieren und sich austauschen können. Die Anti-Uni soll eine Community werden, in der sich die Menschen gegenseitig dabei unterstützt, ihren eigenen Weg zu gehen.

Was empfiehlst Du: Karriere oder raus aus dem Hamsterrad?

Ich gebe keine Ratschläge, weil ich nicht viel davon halte. Denn was für mich funktioniert, funktioniert nicht notwendigerweise auch für Dich. Ich kann nur von meiner Erfahrung sprechen. Das kann man natürlich als Inspiration nehmen, um selbst über seine Sichtweise auf die Dinge nachzudenken oder Neues auszuprobieren.
Mir hat geholfen, dass ich einfach mal rausgegangen bin in die Welt und Dinge ausprobiert habe. Ich bin beispielsweise losgezogen und habe Praktika gemacht. Ich habe Menschen gefunden, die mich inspirieren und von ihnen gelernt. Das ist für mich eine coole Art zu lernen.

Und wer inspiriert Dich im Moment gerade?

Ein paar meiner Vorbilder sind zum Beispiel der amerikanische Blogger Chris Guillebeau, meine ersten Mentoren Basti, Kalle, Thomas und Katja beim IdeaCamp. Darüber hinaus sind das Persönlichkeiten wie Patrick D. Cowden, der das Buch „Neustart – das Ende der Wirtschaft wie wir sie kennen“ geschrieben hat oder Brenè Brown, die in „Daring greatly“ vor allem über Verwundbarkeit schreibt.

Darüber hinaus würde ich auch Charlie Hoehn und meine Kumpels Georg Tarne von Soulbottles sowie Till Groß und auch Jakob Schweighofer zu meinen Inspirationsquellen zählen. Prinzipiell kann also für mich jeder eine Quelle von Inspiration oder ein Vorbild sein.

Welche Rolle spielt für Dich Geld und Ansehen?

Damit setze ich mich gerade sehr auseinander. Mit 19 Jahren fing ich an Jura an einer Elite-Uni zu studieren. Mein Ziel war es, viel Geld zu verdienen und reich zu werden. Aber dann habe ich gemerkt, dass es für mich einfach doch nicht genug Motivation war, um das Studium durchzuziehen.

Ich habe dann ein freiwilliges Jahr in Nicaragua gemacht, das zweitärmste Land von ganz Lateinamerika. Und dort hat sich mein Wertesystem komplett verschoben. In den letzten Monaten habe viel mit herumexperimentiert – zum Teil zum Beispiel von weniger als 500 Euro im Monat gelebt. Es ist gut zu wissen, dass das geht. Gleichzeitig weiß ich nun, dass ich das Bedürfnis nach einer gewissen finanziellen Grundsicherheit habe.

Doch durch das Experiment habe ich gelernt, mir weniger Gedanken darum zu machen und mir dadurch mehr Freiraum verschafft, um mich den Dingen zu widmen, auf die ich wirklich Bock habe. Geld ist nie meine Hauptmotivation.

Das klingt nach jemandem, der die Extreme ausprobiert und sich nicht scheut, Experimente mit seinem Leben zu machen. Und ein Experiment ist per Definition ja etwas, was schiefgehen kann und darf – und es ist etwas, was zeitlich begrenzt ist. Es ist also nichts, was einen zu einem Dauerzustand verpflichtet. Welche Bedeutung spielt das Experiment in Deinem Leben?

Jetzt wo Du es sagst, fällt mir auf, dass das stimmt: Ich experimentiere total gerne. Durch die Erfahrung bildet sich meiner Meinung nach am ehesten Wissen. Das heißt, wenn mir jemand sagt, was ich tun soll, um etwas bestimmte zu erreichen – dann nehme ich das nicht mehr als gegeben hin. Ich sage mir: Ich weiß nicht genau, was passiert, solange ich es nicht ausprobiert habe.

Also wenn ich wissen will, wie wichtig finanzielle Sicherheit tatsächlich ist, dann probiere ich das eben mal aus. Es kann mir niemand abnehmen, diese Erfahrung zu machen, denn ich erlebe eine Situation vielleicht ja auch komplett anders, als jemand anderes. Und dazu kommt, was Du sagst: Ein Experiment ist ja kein Dauerzustand. Ich kann mich wieder in neue Situationen bringen.

Wie sieht für Dich eine bessere Welt aus?

In einer besseren Welt könnten die Menschen ihre Potentiale besser identifizieren und leben. In dieser Welt gäbe es mehr Gemeinschaftsbewusstsein. Eine Welt, die nicht von Egoismus getrieben ist, sondern von dem Bewusstsein, dass meine Handlungen Auswirkungen auf alle haben. Und es wäre eine Welt, die dadurch aufblüht, dass ich mich als Mensch so geben kann, wie ich bin – in der Kooperation und Großzügigkeit anerkannt und Normalität sind.