Carlo Ratti forscht als Architekt und Ingenieur am Senseable City Lab des MIT (Massachusests Institute of Technology) wie unsere Städte eigentlich aussehen, wenn sie interaktiv werden – und davon ist auszugehen, wenn wir erstmal alle – mit smarten Phones, Cars und Bikes ausgestattet – auf interaktive Hausfassaden und -systeme treffen. Wir trafen ihn in Hamburg und wollten wissen, warum derlei Interaktion unsere Welt eigentlich besser macht.
Starke Projekte
Carlo Ratti hat schon mehrere aufmerksamkeitsstarke Projekte am MIT ins Leben gerufen. Zum Beispiel die zu Nachverfolgung unseres Mülls: »Wir wissen zwar fast alles über die Herstellungskette unserer Produkte – aber sehr wenig über den Weg, den unser Müll nimmt«, meint er. Also statteten er und sein Team bei »Trash Track« den Müll mehrere Probanden mit RFID-Chips ausgestattet und deren Weg nachverfolgt – oft über Hunderte von Kilometern, monatelang.
Oder er baute Computer und Handies in seinem Projekt »Backtalk« so um, dass sie Aufnahmen und GPS-Botschaften »nach Hause« sandten. Dabei untersuchte Ratti auch, inwieweit elektronischer Müll illegale Entsorgung in Entwicklungsländern findet.
Was passiert mit unserem Müll? Diese Frage beantwortet Ratti in mehreren Projekten, zum Beispiel Trash Track oder Backtalk
»Wir können heute mit Hilfe solcher Daten Dinge sichtbar machen, die wir bislang nie zeigen konnten«, meint Ratti zur Bedeutung seiner Projekte. Doch dabei dürfe man nicht stehen bleiben. Wichtig sei es, aus solchen Visualisierungen eben auch die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Bei seinen Müll-Projekten sieht er ganz klar eine Verhaltensänderung seiner Probanten – allein zu sehen, wie lange zum Beispiel eine Plastikflasche noch in der Welt ist und damit Probleme verursacht, führt seiner Ansicht nach zum Umdenken.
Welche Handy-Communities gibt es in den Connected States of America – und was bedeutet das für Architekten, fragt sich Carlo Ratti
Verbesserungen bewegen
Wichtig ist jedoch nicht nur, auf aktuelle Probleme und verbesserungswürdige Prozesse aufmerksam zu machen – sondern auch in die Zukunft zu denken. Und dies könne künftig immer weniger ohne die Menschen geschehen, ist sich Ratti sicher. Das zeigt sich allein an den verhärteten Fronten, die man hier in Hamburg antrifft und die auch an dem Diskussionsabend von »Checkdisout« im Kunstverein an der Frage aufbrachen »Wem gehört die Stadt?«.
Weder Stadtplaner noch Architekten (genauso wenig wie künftig auch Politiker möchte ich hier anmerken) können heutzutage an den Menschen vorbei planen – wollen sie nicht im Nachgang erheblichen Ärger haben, siehe Stuttgart 21. Der soziale Aspekt wird auch aus Sicht Rattis für Stadtplaner und Architekten zu einem immer wesentlicheren Faktor. Und zwar nicht nur, weil die Menschen dies aufgrund ihrer Erfahrungen im sozialen Web einforderten, sondern auch weil interaktive Häuser und Alltagsgegenstände die Frage erzwingen: wie verwenden Menschen überhaupt Wände, Plätze, Fuß- und Straßenböden, Parkbänke, Fahrstühle oder öffentliche Aufenthaltsräume?
Wie sieht das Leben in Singapur aus? Für eine Ausstellung im Singapore Art Museum (SAM) erstellte Ratti unterschiedliche Antworten auf die Frage mittels verschiedener Datenvisualisierungen.
Ratti ist optimistisch, dass Designer, Architekten – kurz Kreative – diese Möglichkeiten mit Freude und zum Wohle aller nutzen wollen werden. Er schlägt sogar so etwas wie »OpenSource Architektur« vor (siehe auch Wikipedia). Solange also der Strom nicht ausfällt (bzw. wir ja eigentlich Strom sparen wollten), kann man sich nach Rattis Ansicht also auf eine demokratischere, sozialere und aufgeklärtere Zukunft in smart Cities freuen.
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