Fabian Berger koordiniert die deutschlandweite Plattform für Stadtgrün in Hamburg: Hier können sich Urbane Gärtner, Naturschützer und Guerilla Gärtner miteinander vernetzen, sich austauschen und gemeinsame Projekte verwirklichen. Wir sprachen mit ihm darüber, warum Urban Gardening so toll ist und was mein bei der Planung eines Gemeinschaftsgartens beachten muss.
Fabian arbeitet im Hamburger Stadtteilzentrum Motte. Während seines Studiums des experimentellen Designs an der Hochschule für bildende Künste (HFBK) beschäftigte er sich mit der Komplizenschaft: Wie kommt sie zustande? Wie kann man sie stiften und was ist das für eine Arbeitsform? Darüber landete eher durch Zufall bei den Themen Urban Gardening, Bürgerbeteiligung im Grünen, Stadtnatur und urbane Räume gelandet.
Was ist Grünanteil eigentlich, wie ist es entstanden und was macht ihr?
Fabian Berger: Entstanden ist es im Frühjahr 2011. Damals gab es eine relativ aktive Transition-Town-Bewegung in Hamburg. Diese Leute haben sich mit allen möglichen Themen beschäftigt, unter anderem mit Gärten in der Stadt. Sie hat sich den Namen Grünanteil gegeben. Sie fingen an, Veranstaltungen zu machen, bei denen sich Leute mit Garten und ohne Garten treffen konnten. Der Ansatz war, gemeinsam zu gärtnern und grüne Räume zu teilen und zu tauschen.
Es wurde schnell klar, dass es natürlich die Menschen mit und ohne Garten gibt – aber dass es auch noch die Leute gibt, die sich für den Erhalt von Stadtnatur, mit Lebensmittelsouveränität, mit Gemeinschafts- und Nachbarschaftsbildung auseinandersetzen – und die, die ganz konkret Naturschutz machen wollen. Es gab also ganz viele verschiedene Leute, die miteinander in Verbindung treten und aktiv werden wollten. Doch das ließ sich auf Dauer nicht über Veranstaltungen regeln. Zumindest nicht nur.
So haben wir angefangen, E-Mails aufzuschreiben, wer was kann und hat oder sucht und die Leute zusammen zu bringen. Aber das war recht aufwendig. Und das war der Augenblick, wo ich dann aufgesprungen bin und gesagt hab: Okay, dann guck ich mal, dass ich dafür ein Konzept für eine Plattform entwickele, mit der die Vernetzung möglich ist. Es sollte aber immer mit dem realen Raum in Verbindung stehen und nicht nur ein Abbild im virtuellen Raum sein. Das Ziel ist es, möglichst schnell einen Überblick zu bekommen und dann möglichst schnell in den persönlichen Kontakt zu gehen und aktiv zu werden.
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Aktionen zum Urban Gardening
Hast du Lust selbst aktiv zu werden und etwas für mehr Grün in deiner Umgebung zu bringen? Dann schau doch mal auf unsere neue Aktions-Website jetztrettenwirdiewelt.de und mach eine der Aktionen im Bereich „Grünes“. Zum Beispiel:
[button type=“qd_button btn_middle“ url=“http://jetztrettenwirdiewelt.de/aktionen/guerilla-gaertnern/“ target=“on“ button_color_fon=“#669900″ ]Guerilla Gärtnern[/button] [button type=“qd_button btn_middle“ url=“http://jetztrettenwirdiewelt.de/aktionen/samenbomben/“ target=“on“ button_color_fon=“#99cc00″ ]Samenbombe basteln[/button]
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Wie kann Stadtgärtnern die Welt verbessern?
Fabian Berger: Auf ganz viele verschiedene Weise. Das erste ist, dass es einen ganz niedrigschwelligen Einstieg gibt: Ein Garten möchte erhalten und gepflegt werden. Und da geht es erstmal darum, sich mit dem Anbau und der Pflege von Pflanzen auseinander zu setzen. Welche Verbindung gibt es zu den Jahreszeiten, wie macht man das zusammen und wie kriegt man das hin? Und dann kommen die ganzen anderen Schichten dazu:
Dadurch, dass man das alles in Gemeinschaft macht, ändert sich auch der Blick auf den eigenen Stadtteil. Was kann man hier eigentlich noch alles machen? Und was bedeutet das auf meine Stadt übertragen? Das alles kommt erst später dazu. Und hängt ist es vom Projekt ab, mit welchen Themen sich die Menschen auseinandersetzen. Wer auf einem unsicheren Gelände ist, setzt sich natürlich ganz anders mit Besitzverhältnissen und Nutzungsrechten von öffentlichem Raum auseinander, als Projekte, die eine Pacht von 30 Jahren haben. Oder die Gärten, die näher an einer Unterkunft von Geflüchteten sind, setzen sich auch mit diesem Thema mehr auseinander.
Das Schöne ist, dass die Menschen, die anfangen in der Gemeinschaft zu gärtnern oder sich auf öffentlichem Grün zu engagieren, nach und nach verstehen, dass sie politisch handeln – auch wenn sie nicht explizit politisch agieren oder das für sich und andere nicht so kommunizieren. Es ist eine tolle Erkenntnis für viele zu verstehen: Aha, politisch handeln ist teilweise gar nicht dramatisch oder aufmüpferisch oder wie auch immer. Sondern man ist eben einfach politisch, einfach nur indem man anfängt gemeinsam zu handeln. Das finde ich, ist ein super Anknüpfungspunkt für viele Menschen in der Stadt.
Welche Möglichkeiten über das gärtnern hinaus gibt es in der Stadt für Grünes stark zu machen?
Fabian Berger: Da gibt es relativ viele Themen. Jeder Naturschutzverband bietet dazu auch Regionalgruppen an. Die eine Gruppe setzt sich für den Schutz von Fledermäusen ein, die andere von Insekten oder bestimmten Vögeln und so weiter. Da kann man sich anschließen und mitmachen. Die haben auch immer wieder Aktionstage. Dann gibt es Bürgerinitiativen, die etwas erhalten wollen. Es gibt hier in Hamburg zum Beispiel eine Initiative, die dafür sorgen will, dass der Uferrandstreifen am Isebekkanal zum Naturschutzgebiet erklärt wird und auch so wahrgenommen wird. Sie machen ganz viel Info-Arbeit.
Dann gibt es Leute, die Grünpatenschaften für kleinere Flächen – etwa für Baumscheiben – übernehmen und diese pflegen. Das gibt es von 2 bis 15 oder 30 Quadratmeter. Mal ist es ein Haus oder es sind nur zwei Parteien aus einem Mehrfamilienhaus oder es ist vielleicht auch wirklich nur eine Person, die die Fläche betreut.
Dann gibt es von Stiftungen oder Stadtteilkulturzentren oft auch offene Stadtgärten, wo man sich auch engagieren kann. Und es gibt auch zum Beispiel beim Bürgertreff Altona Nord Grünpatenschaften für Grünflächen, weil die es nicht schaffen, die selbst zu pflegen. Weiteres suchen wir noch und sind gespannt, was es da so alles gibt.
Wie finde ich am besten heraus, was zu mir passt?
Fabian Berger: Am besten ist, man guckt erst mal, was schon da ist. Im Moment sind auf Grünanteil ja vor allem die urbanen Gärten vertreten und ein paar Grünpatenschaften. Ansonsten kann man natürlich einfach mal schauen, was bei einem in der Nähe so zu sehen ist. Denn es sollte kompatibel zum eigenen Alltag sein. Selbst wenn es nur einen Tag oder nur eine Stunde in der Woche ist, ist es sinnvoll, dass man nicht erst mehrere Stunden durch die Stadt fahren muss.
Und wenn man etwas entdeckt hat, wo es was zu geben scheint, dann kann man einfach eine Karte mit einem Gruß und einer Telefonnummer hinterlassen und nachfragen, ob man mitmachen kann. Denn selten trifft man natürlich die Leute vor Ort. Oder: Jeder kann auf Grünanteil auch einfach eine Idee eintragen. Wenn man zum Beispiel den Wunsch hat, einen Gemeinschaftsgarten zu gründen, kann man hierüber nach Mitstreitern suchen. Oft gibt es schon drei oder vier Menschen in einem Stadtteil, die etwas ähnliches machen wollen und vielleicht auch schon eine Fläche im Blick haben – und je früher man davon Wind bekommt, desto einfacher ist es natürlich, da dann noch mit einzusteigen.
Woran muss man da denken, wenn man einen Stadtgarten gründen will?
Fabian Berger: Es macht immer total Sinn, sich erstmal zu überlegen, was genau man eigentlich will: Will man Gemüse anbauen oder eine Wildblumenwiese? Möchte man einfach einen grünen Ort haben, wo man sich ausruhen kann – oder will man wirklich was produzieren? Das sind natürlich unterschiedliche Anforderungen und das bedarf auch einer anderen Pflege. Dann sollte man vergleichbare Projekte suchen und mit denen einfach mal reden. Das ist immer das Beste.
Wenn man schon einen bestimmten Ort hat, dann geht es darum herauszufinden, ob ein Gemeinschaftsgarten dort überhaupt möglich ist. Man kann zum Beispiel immer erst mal in dem jeweiligen Bezirk nachfragen: Ist das eine öffentliche Fläche, die in ihren Zuständigkeitsbereich fällt? Ist das eine Fläche, die nicht anders genutzt werden kann? Wenn sie zum Beispiel ein Gartendenkmal ist, dann darf da nichts anderes gemacht werden. Wenn das einfach nur eine Park- oder Erholungsfläche ist, dann ist da eher was machbar.
Und man sollte sich fragen, ob man den Ort tatsächlich kennt. Oft lohnt es sich, den Ort noch ein bisschen zu beobachten und zu gucken, wer sich dort sonst noch so aufhält und was die da machen. Nicht dass man sich diesen Ort schnappt und dann stellt sich hinterher heraus, dass das aber eigentlich der Ort ist, wo sich immer eine bestimmte Gruppe trifft und nun ein Problem damit hat, dass da jetzt ein Garten entstehen soll. Also es ist sehr sinnvoll, auch das Umfeld gut zu kennen, wie die Situation und die Stimmung ist.
Deswegen ist es immer gut, erstmal ein Grillen oder eine andere Feier an dem Ort zu machen und die Nachbarschaft einzuladen und zu sagen: Hey, wir haben hier eine Idee, was haltet ihr davon und wer hat Lust mitzumachen?
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Bis spätestens Ende Mai 2016 (so lange der Vorrat reicht) verschicken Grünanteil.net übrigens je ein Päckchen mit Blütensamen und eine Anleitung zu Aussähen.
Wenn du interessiert bist, dann kann’s losgehen (hier die Teilnahmebedingungen):
- Such dir eine Fläche von rund 5 qm.
- Trage sie auf der Plattform Grünanteil ein.
- Poste den Link zu deinem Eintrag bei Facebook.
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Außerdem sollte sich jeder genau fragen, welche romantischen Vorstellungen man hat und was das in der Praxis genau bedeutet. Welche Ressourcen braucht man dafür? Wie viel Kraft braucht es, das zu erhalten und zu pflegen? Denn in der Regel kann man relativ unkompliziert in der ersten Euphorie etwas hinstellen: Hochbeete bauen, Erde ranschaffen und etwas einpflanzen. Aber auf lange Sicht ist es halt interessant: Was geschieht zum Beispiel in den Sommerferien? Wer erntet, was hier wächst und wer verarbeitet das? Das sind die spannenden Fragen bei so einem Projekt. Da spielt auch eine Rolle, welche Perspektiven die Gruppe hat. Ist das eine Gruppe, die nur in diesem Sommer dort vor Ort ist oder länger dort lebt? Solche Dinge sollte man im Vorfeld klären, um Frust zu vermeiden.
Oft hilft es einem Projekt auch, wenn man Partner mit ins Boot holt. Es ist immer gut, wenn man sagen kann, dass man als Gruppe das Projekt in Kooperation mit einem Stadtteilzentrum oder in Zusammenarbeit mit einem Naturschutzverband macht. So eine Anbindung macht auch auf die Verwaltungsbehörde den Eindruck, dass das Projekt mehr Substanz hat und dass sie vor allem einen festen Ansprechpartner haben. Dadurch entsteht mehr Vertrauen.
Warum lohnt es sich, sich für das Grüne in der Stadt einzusetzen?
Fabian Berger: Es lohnt sich, mit der Natur in der Stadt auseinanderzusetzen. Zum einen, weil es wirklich eine erstaunliche Vielfalt gibt, die vielen gar nicht so bewusst ist. Wir Menschen müssen oft überhaupt erst mal wahrnehmen und erkennen, was da ist. Man muss nicht immer rausfahren, um besondere Natur zu sehen. Da geht es für mich nicht um Urlaub, sondern darum, eine andere Wahrnehmung von Stadt zu bekommen: Was ist der natürlich Wert von Stadt und wie gehen wir damit um?
Und dann hat es für mich den wahnsinnigen Wert von: Es ist ein Ort, wo sich alle Gruppen und Millieus einfach mal treffen können, ohne dass es mit Status aufgeladen ist. Das ist etwas besonderes, weil sich Menschen dort auf direkte und unkomplizierte Art kennenlernen können. Ja, und das rate ich allen Menschen, das einfach mal auszuprobieren.
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