Kann man so wütend sein, dass man anfängt, massenhaft Anleitungen für Bürgerproteste zu sammeln? Man kann! Und das kommt dann dabei heraus…
Harro Honolka ist Sozialwissenschaftler, Parteimitglied, Aktivist – und also solcher ist er wütend, fühlt sich aber teilweise auch ohnmächtig. Dass man darin nicht stecken bleiben sollte, zeigt er in seinem Buch »Jetzt reicht’s«. Darin gibt er 50 Anleitungen für Bürgerproteste. Dabei will Honolka aber nicht stehenbleiben, sondern das Buch als Online-Projekt weiter führen: Unter www.anleitungen-buergerproteste.de kann jeder seine Ideen, Erfahrungen und Anleitungen einbringen. Wir haben mit Harro Honolka über sein Anstiften zum Protest gesprochen.
Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Mein Anlass, so ein Buch zu schreiben, waren meine politischen Ohnmachtsgefühle. Als Politiker beispielsweise von links bis rechts ankündigten, die Banken endlich an die Leine zu nehmen – dann aber wenig unternahmen. Viele Menschen haben heute das Gefühl, von den wirtschaftlich und politisch Mächtigen belogen, hingehalten, ausgehorcht und über den Tisch gezogen zu werden.
Aber so ohnmächtig sind wir Bürger und Bürgerinnen gar nicht! Wir können eine Menge tun, außer nur zur Wahl zu gehen! Was man alles tun kann wollte ich genau beschreiben, damit viele Nachahmungstäter und -täterinnen animiert werden. Dabei ging es mir vor allem darum, mit sehr leichten Einstiegsaktionen zu beginnen, damit die Schwelle für bisher Protestabstinente niedrig ist.
Deshalb beginnt das Buch mit einfachen Übungen, beispielsweise mit dem Unterschreiben von Online-Protestaufrufen. Der Katalog der beschriebenen Aktionen reicht dann bis zu schwierigen und riskanten Aktionen, die auch Regelverletzungen in Kauf nehmen. Dazu gehören zum Beispiel Whistleblowing, Besetzungen von öffentlichen Einrichtungen, die von der Schließung betroffen sind, oder Adbusting, also das Verfremden von Plakaten.
Link: Ein interessantes Audio-Interview mit Harro Honolka gibt es beim WDR unter
http://www.wdr5.de/sendungen/neugier-genuegt/s/d/15.07.2013-10.05/b/buergerprotest-ja-aber.html
Wie entstehen die einzelnen Anleitungen? Probieren Sie alles selbst aus? Wie recherchieren Sie diese?
Einen großen Teil der 50 Aktionen habe ich selber durchgeführt, zum Teil selber organisiert (beispielweise Sitzblockaden). Andere Aktionen habe ich im Internet recherchiert. Da wird man fündig und ich kann jedem empfehlen, unter den im Buch angegebenen Adressen nachzusehen.
Die einzelnen Gliederungspunkte der Anleitungen, zum Beispiel >>Risiken und Nebenwirkungen<<, entstanden im Laufe der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Thema >>zivilgesellschaftliche Aktionen<<. Meistens sind Aktionen und ihre politischen Wirkungen ja nicht immer so eindeutig, wie sie auf den ersten Blick zu sein scheinen.
Was ist Ihr Hintergrund? Wo und wie haben Sie sich bisher engagiert und was hat sie dazu gebracht, Protestanleitungen zu schreiben?
Ich bin Soziologe und habe an Universitäten zu Themen der Politische Soziologie, der Bildungssoziologie, zu Arbeitsmarkt und der Migration gelehrt und geforscht. Seit über 40 Jahren bin ich in der SPD, seit über zehn Jahren bei Attac München, wo ich in den letzten Jahren bei vielen Protestaktionen mitgemacht habe. Einige Aktionen wie eine Sitzblockade vor der Deutschen Bank und ein >>Kriminal- Banko-Tango<<-Aktion auf Münchner Marienplatz habe ich organisiert.
Wie sehen die ersten Feedbacks aus von Menschen, die Ihre Anleitungen ausprobieren? Welche Erfahrungswerte gibt es?
Die 50 beschriebenen Aktionen verstehen sich als Anstoß, aus ihnen sollen 500 werden! Das Buchprojekt hofft auf viele weitere Aktionsideen von den Lesern. Die ersten Feedbacks kann man bereits auf der Webseite des Projektes (www.anleitungen-buergerproteste.de) nachlesen und diskutieren.
Besonders interessant und politisch wirksam erscheint mir bisher der Vorschlag, Interviewanfragen von Markt- und Meinungsforschungsinstituten nicht abzuwimmeln, sondern deren Fragen zu beantworten – aber falsch. So können wir ein bisschen verhindern, dass wir als Wähler, Konsumenten und so weiter berechenbar und durchschaubar werden.
Weitere Ideen sind willkommen! Und natürlich auch Verbesserungsvorschläge zu den einzelnen Aktionen, von denen ebenfalls schon einige eingegangen sind.
Vielen Dank für das Gespräch und wir wünschen Ihnen viel Erfolg!
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