Hartz IV = Mangelernährung?

Hartz IV ist Mensch unwürdig und reicht nicht zum Leben, kritisieren die einen. Die anderen rechnen vor, dass es sehr wohl geht. Ich persönlich könnte es nicht genau sagen – denn ich habe noch nie versucht, mit 359 Euro pro Monat auszukommen. Klingt verdammt wenig, aber wer weiß? Vielleicht aus diesem Dilemma heraus haben nun zwei Blogger einen Selbstversuch gestartet. Sie kommen direkt aus einem – nicht übermäßig anspruchsvollen – aber „normal konsumierenden“ Leben und wollen nun mit dem Regelsatz durchhalten.

Ihre Erfahrungen dokumentieren sie in ihrem Blog alles-was-gerecht-ist.de. Wer übrigens bereits weiß, dass Hartz IV hinten und vorne nicht reicht und deshalb für eine Erhöhung (sowie einen Mindestlohn von 10 Euro) eintreten möchte, der kann sich zum Beispiel der Initiative 500-euro-eckregelsatz.de anschließen.

Hartz IV führt zu Mangelernährung

Die haben übrigens anscheinend Untersuchungen angestellt und wollen belegen können, dass Hartz IV zu Mangelernährung führt. Das haben sie auch schon unseren Politikern geschrieben. Die Reaktion: keine. „Konkret setzte sich kein Abgeordneter damit auseinander, dass der Hartz-IV-Eckregelsatz nur täglich 1580 kcal für gesunde Ernährung zulässt, während ein Erwachsener aber 2550 kcal benötigt“, schreibt die Initiative auf elo-forum.net.

Statt dessen: „Die FDP setzt auf Bürgergeld in Höhe des gegenwärtigen Niveaus von Hartz IV und eine massive Förderung von Lohnsenkungen durch staatliche Lohnzuschüsse. Die SPD rechtfertigt in der Manier einer Werbeagentur das gegenwärtige Regelsatzniveau der Hartz-IV-Bezieher. Der Bedarf an gesunder Ernährung sei gedeckt, höhere Forderungen seien unseriös, weil nicht wissenschaftlich belegt.

Kein Mindestlohn

Belege nimmt die SPD jedoch nicht zur Kenntnis. Bündnis-90/Grüne umgehen das Problem, dass auch mit 420 Euro Eckregelsatz Mangelernährung akzeptiert wird. SPD und Grüne lehnen einen gesetzlichen Mindestlohn deutlich oberhalb des Hartz-IV-Niveaus weiterhin ab. Einzig die Linkspartei stimmte unserer Forderung nach 500 Euro Eckregelsatz und 10 Euro Mindestlohn zu. Aber nur wenige ihrer Abgeordneten unterzeichneten bisher unseren Aufruf“, so das ernüchternde Fazit der Intiative. Wer nun was tun will, kann auch hier online unterzeichnen…

ilona

ist freie Jour­na­lis­tin, Publizistin, Projekt­ma­che­rin und Medienaktivistin. Seit über zehn Jahren schreibt sie Bücher, Blogposts, macht Podcasts, gibt Workshops und hält Vorträge. Zudem begleitet und berät sie öko-soziale Organisationen, Gemeinschaften, Künstler:innen, Kreative und Aktivist:innen bei der ganzheitlichen und nachhaltigen Planung und Kommunikation ihrer Projekte und Bücher.

7 Kommentare

  • Ich glaube, besonders zu schaffen macht den Menschen die Teuerung der Produkte die man jeden Tag benötigt, wie Lebensmittel, oder auch Dienstleistungen vor denen man sich nicht drücken kann, wenn mal eine Waschmaschine kaputt geht, Energiekosten usw. Gerade in den letzten Jahres sind die Lebenshaltungskosten explodiert. Ich kenne keinen Menschen mit wenig Einkommen oder staatlicher Zuwendung, der nicht auch sparen und haushalten müsste. Bei manchen sieht es schon sehr schlimm aus. Verglichen mit Armut in anderen Ländern ist das Niveau hier bei uns noch recht hoch, aber das könnte sich bald ändern…

    Gruß, Nibiru

  • Ich habe als Azubi von 608€ +78€ BAB im Monat gelebt und noch. 250€ Miete (warm bezahlt) ich war im Verein (TT), bin mit Mit-Azubis Abends mal wegegangen, bin mal zum Fußballspiel gefahren,… Und sogar für ne ermäßigte BahnCard50 hats gereicht und 4-5 Heimfahrten (Hin- und Rück-)
    Mein Abschlag für Strom liegt selbst jetzt (ausgelernt) bei „nur“ 15€, zugegeben, kein Ökostrom.
    Mit 118€ komme ich sogar mit ca.90% Biolebensmitteln meist hin. Ich habe auch 40€ monantlich für ne Riesterrente zurücklegen können und mir auch mal Klamotten gekauft – die Unterstützung (finanziell‘) durch die Eltern hielt sich in Grenzen…
    Ich habe wirklich keine Probleme gehabt.
    Nur Urlaub könnte ich mir nur Leisten, weil die Firma Urlaubgeld und einen subventionierten Azubi-Urlaub angeboten hat.

    Inzwischen hat selbstverständlich die Infaltion den Wert des Geldes schon wieder verringert, aber vor 4 Jahren ging es.
    (Ein Arbeitsloser braucht auch kein Auto, aber aus Bequemlichkeit oder Gewohnheit wird das schon (oder eher „noch“) als Normalität angesehen

  • Keine Frage: Es ist zwar möglich, sich irgendwie von diesem Hartz-IV-satz zu ernähren. Gute, was heißt ausgewogene und qualitativ hochwertige Ernährung ist so jedoch dafür nicht zu haben. Gerade für Kinder im Wachstum oder ältere Menschen nicht hinnehmbar und wieder ein Beispiel dafür, in welchem Ungleichgewicht Überfluß und Mangel heute nebeneinander existieren… Nachdem man Milliarden locker macht, um damit Banken und teils prähistorische Industrien zu erhalten, bleibt natürlich für die im wahrsten Sinne des Wortes armen Schlucker nichts mehr übrig.

    Und da fällt mir auch gleich wieder die Geburtstagsfeier vom Deutsche Bank Chef Ackermann ein, die wir Steuerzahler finanziert haben und die sicherlich nur feinste Speisen und Getränke beinhaltete. Es hat sich eben seit Jahrtausenden nichts geändert. Brocken für die Reichen, Brösel für die Mittelschicht und wenn es hoch kommt ein paar Krumen für den Rest.

    Nibiru

  • Also ich weiß nicht wie es jemand schafft mit 118 Euro für Essen und Trinken im Monat auszukommen! Das würde heißen ich gehe zur Tafel und hole mir was umsonst. Oder ich esse hauptsächlich Brot und Nudeln. Wenn ich jedoch gutes Obst und Gemüse essen will, Käse und Fleisch, dann brauche ich gut das dreifache!

  • Hallo Nethippi, vielen Dank für Deinen erläuternden Kommentar! Das klingt sehr glaubwürdig und ich hoffe, dass sich durch derlei Berichte und Einblicke immer mehr Menschen davon überzeugen lassen, dass für Hartz IV Empfänger mehr soziale Gerechtigkeit her muss – auch wenn sie vielleicht glauben, dass sie niemals in diese Situation geraten könnten…

  • Der Selbstversuch der 2 Blogger ist lobenswert aber nicht zielführend. Eine gewisse Zeit lässt sich nämlich von dem Geld leben. in Problem ist, im Regelsatz sind viele Beträge enthalten, die man im Moment gar nicht braucht. Geld für einen neuen Kühlschrank, für Möbel, für Kleidung etc. Beziehe ich also nur vorübergehend Hartz IV werde ich die 359.- Euro eben für Essen und Trinken, für Busfahrten oder ähnliches ausgeben.
    Probleme entstehen bei nicht alltäglichen Bedarfen, z.B. der Kühlschrank geht kaputt, mein letztes Paar Schuhe hat den Geist aufgegeben, der Elektroherd versagt usw. Dann hilft ein zinsloses Darlehen bei unabweisbarem Bedarf, dies wird einem dann aber vom Regelsatz abgezogen. Brillenträger sollten aufpassen, geht sie kaputt, hilft wieder nur ein Darlehen. So geht das immer weiter. Auf Dauer verarmt man zusehends.
    Im Regelsatz sind z.B. ca. 17.- Euro für Strom enthalten. Nach meinen Recherchen reicht das aber kaum für den Kühlschrank und die Beleuchtung aus. Sicher, ein Hartz IV-Empfänger hat das Recht auf einen Fernsehgerät, aber Strom sollte dies besser nicht verbrauchen. So verhält es sich mit allen Posten im Regelsatz, sie reichen vorne und hinten nicht. Essen und Nichtalkoholische Getränke schlagen mit gut 118.- Euro im Monat zu Buche, dass reicht wirklich nicht, für eine gesunde Ernährung.
    Die Erhöhung der Regelsätze sind an die Rente gekoppelt, nicht an die Teuerung, so müsste der egelsatz schon heute etwa 435.- Euro betragen, damit sich der Hartz IV-Empfänger heute noch das selbe leisten kann wie 2005.
    Hartz IV ist Armut per Gesetz.

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