Wir kaufen schon lange nicht mehr, weil wir etwas brauchen – sondern weil wir müssen. Mit dieser nur etwas provokanten These könnte man das Buch >>Kaufen für die Müllhalde<< zum gleichnamigen Dokumentarfilm umschreiben. Doch es kommt noch dicker.
Wachstum ist erste Bürgerpflicht
Wie man das Wirtschaftswachstum dauerhaft erzwingen kann, darüber haben sich bereits Anfang des letzten Jahrhunderts Unternehmer und Wirtschaftsexperten ausgiebig Gedanken gemacht: Die Weltwirtschaftskrise der 1920er Jahre warf die Frage auf, wie den Konsum steigern könne, wenn die Menschen schon alles haben, was sie brauchen (denn darauf führten damals einige Wirtschaftswissenschaftler die Krise u.a. zurück).
Damals entstand die Idee der sogenannten geplanten Obsoleszenz: Produkte sollten nicht mehr so langlebig wie möglich hergestellt werden – sie sollten vielmehr so konstruiert und produziert sein, dass sie so bald wie möglich überholt, veraltet oder gar kaputt waren. >>So bald wie möglich<< bedeutet dabei einfach: Innerhalb eines solchen Zeitraums, den der Kunde gerade noch akzeptiert, ohne sich bei einem Neukauf enttäuscht einer anderen Marke zu zuwenden.
Die Variationen geplanter Obsoleszenz
Zur offiziellen Gesetzgebung haben es die >>Vordenker<< der damaligen Zeit zwar nicht gebracht (sie wollten die Menschen tatsächlich gesetzlich verpflichten, nach einer bestimmten Zeit neue Produkte kaufen zu müssen). Doch die Realisierung der geplanten Obsoleszenz kann man heute leicht überall beobachten: Smartphones sind so gebaut, dass sich ihr Akku nicht einfach austauschen lässt. Computer sind so konstruiert, dass sie sich kaum reparieren und überhaupt nicht modernisieren lassen.
Kleider-, Auto- und sonstige Moden sorgen dafür, dass wir >>nur<< das Gefühl haben, veraltete Klamotten zu besitzen. Und wenn das alles schon nichts hilft, dann baut man an der ein oder anderen Stelle eben eine Sollbruchstelle ein – berühmt geworden ist das Beispiel aus dem Buch bzw. Film eines Desktop-Druckers, der einen Chip enthält, der nach so-und-so-viel Ausdrucken die Funktionsfähigkeit des Gerätes schlicht außer Kraft setzt. Oder die geplante Obsoleszenz wird dann eben doch staatlich verordnet, wie wir das beispielsweise bei der Abwrackprämie erlebt haben.
Müllberge und Wachstumskollaps
Doch was Anfang des letzten Jahrhunderts möglicherweise noch als gute Idee durchgehen konnte, lässt sich heute rational eigentlich nicht mehr vertreten: Wachsende Müllberge auf der einen und schwindende Ressourcen auf der anderen Seite zeigen klar den Irrsinn dieses Prinzips. Und so widmen die beiden Autoren Cosima Dannoritzer und Jürgen Reuß des o.g. Buchs auch einen nicht unerheblichen Teil des Titels der Frage: Welche Alternativen haben wir?
>>Das Gleiche in Grün<< – also eine wachstums-basierte Wirtschaft nur mit >>grünen<< Produkten (eine so genannte Green Economy) verwerfen die beiden schnell. Selbst Konzepte wie der Design- und Produktionsansatz >>Cradle to Cradle<< scheinen den beiden Autoren wenig überzeugend: Hierbei versucht man Produkte so zu gestalten und zu produzieren, dass einfach kein Müll mehr entsteht, sondern nur noch Materialien, die der Natur gut tun – Eisverpackungen, die schmelzen und dabei zu Dünger werden; Sitzbezüge, die sich kompostieren lassen.
Der Haken ist nur: Noch lassen sich solche Produkte nicht übergreifend gestalten und der Energieverbrauch für deren Produktion und Transport ist nach wie vor notwendig – und steigt mit dem Wachstum.
Die Alternativen: Share-Economy & Post-Wachstumsökonomie
Eine echte Alternative sehen Dannoritzer und Reuß (wenig überraschend) nur im Umdenken: Ein Weiter-so sei nicht möglich. Wir müssten uns darauf einstellen, dass wir uns künftig kein Wirtschaftswachstum mehr leisten können. Doch wie sieht unsere Welt dann aus? Müssen wir verzichten, in eine vor-industrielle Steinzeit zurück, darben und jung sterben?
Nicht ganz. Sicher werden wir den jetzigen Konsumrausch so nicht weiter betreiben können (wobei allerdings auch gar nicht fest steht, dass uns der irgendwie glücklicher macht – eher im Gegenteil). Neue Nutzungskonzepte könnten uns aber dennoch eine Lebensqualität sichern.
Denn wenn wir anfangen Dinge zu teilen, statt sie zu besitzen (das Prinzip der Share-Economy), wenn wir anfangen in Beziehungen zu investieren, anstatt in Statussymbole, und wenn wir uns darauf einlassen, Dinge wieder gemeinsam selbst zu tun, anstatt uns einen Dienstleister dafür zu suchen – dann könnte uns eine Post-Wachstumsgesellschaft sogar großen Spaß sowie mehr Zufriedenheit und Glück bescheren (vorausgesetzt wir sorgen für mehr soziale Gerechtigkeit).
Unser Fazit zum Buch
Menschen, die sich bereits etwas intensiver mit den Themen >>Postwachstumsökonomie<< und >>Green Economy<< auseinander gesetzt haben, werden in diesem Buch interessante und zum Teil auch überraschende Detail-Informationen finden. Menschen, die sich ganz neu mit dem Thema >>Konsumverzicht<<, >>Umweltschutz<< und >>Share-Economy<< beschäftigen möchten, finden mit dem Titel einen wahrlich umfassenden Einstieg in das Thema.
Auch wenn die beiden Autoren also zu einem recht vorhersehbaren Ergebnis ihrer Überlegungen kommen (was ja nicht schlimm ist, aber zeigt, dass sie in durchaus gängigen Mustern denken), so liefert das Buch wertvolle Informationen und ist leicht und unterhaltsam zu lesen. Der Ausklang mit seinen zukunftsweisenden Alternativen entlässt den Leser – nach dem doch etwas deprimierenden Einstieg ins Reich der geplanten Obsoleszenz – durchaus in optimistischer, tatkräftiger Stimmung. Unsere Empfehlung daher: Lesen!
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Kaufen für die Müllhalde
Das Prinzip der Geplanten Obsoleszenz
von Jürgen Reuß und Cosima Dannoritzer
15 x 20 cm | 224 Seiten | Fadenheftung, broschiert
€ 20,- (D) | € 20,60 (A) | SFr 27,50 (CH)
ISBN 978-3-936086-66-9
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Foto-Credit: Danke an Hartmut910 für das Bild oben vom Wohlstandsmüll (via pixelio).
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