Man nehme einen wuschig bunten und schnellen Werbeclip, einen jungen Moderator und gaaaaanz viel Mitbestimmung – fertig ist das interaktive Fernsehmagazin. Ja, so geht Web 2.0, wenn das ZDF sich erst mal der Sache annimmt. Damit das Ganze von der TV-entwöhnten Jugend wahrgenommen wird, ist man ordentlich viral, kooperiert mit StudiVZ und postet Videos auf YouTube. Mit dem TV-Format „log in“ soll nicht nur Terrain bei dem ins Netz entfleuchten jungen Publikum zurück erobert werden. Ganz nebenbei möchte man natürlich zu gern die Definitionshoheit über aktuelle Aufregerthemen zurück gewinnen. Denn die Zeiten wo uns große Fernsehanstalten, Tageszeitungen und eine Handvoll Radioprogramme sagten, wie wir die Welt zu sehen hätten sind schon lange vorbei. Und so kommt die Sendung jedenfalls rüber.
Wer heute die Menschen in eine gewisse Richtung schubsen möchte, braucht mehr als einen autoritären Kasernenton, subtil sublime Unterhaltungsakrobatik oder einschmeichelnde Kuschelrhetorik. Was früher selbstverständlich war – das Prinzip des Medien-Lehrers der uns den Weg weist – ruft heute zumindest bei der Jugend nur ein Gähnen hervor. Das kann an einem generellen Autoritätsverlust liegen, denn immerhin hat sich die Generation ihrer Eltern auch lieber selbst verwirklicht, als auf die Erfahrung der Alten zu hören. Das kann aber auch eine gute Entwicklung, hin zur geistigen Unabhängigkeit sein. Denn der Selbstverwirklichungstrip war ja in Wirklichkeit gar keiner, sondern hat lediglich den Anfang der Ego-Gesellschaft eingeleitet. Was es wird, muss man (gut) beobachten.
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Da hat sich ein PR-Stratege ja mal was ganz Tolles ausgedacht
Heute, im Jahr 2011, sind die Medien in der Klemme – und zwar gewaltig. Sie kommen zwar immer noch mit der Attitüde des Informationsmonopols und dem Brustton der Aktualität daher. Aber seien wir mal ehrlich. Das Netz ist ihnen nicht nur immer einen Schritt voraus, sondern obendrein auch noch hundert mal basisdemokratischer. Die klassischen Medien sind bei der jüngsten Generation ganz einfach „out“. Obwohl gerade immer die Jüngsten bisher so prima beeinflussbar waren. Grrr. Man darf ja nicht vergessen, dass das Öffentlich Rechtliche Fernsehen, aber auch die Privaten einen „Bildungsauftrag“ haben die es rüber zu bringen gilt. Deswegen rauchen in vielen Redaktionen die Köpfe, müssen neue Konzepte her, Wege, um irgendwie in die Köpfe der Jugend zurück zu gelangen. Ergebnis sind dann oft solche Formate wie „log in“ im ZDF. Da hat sich ein PR-Stratege was ganz Tolles ausgedacht.
ZDF log in – Kampfeinsatz in Afghanistan
Bei „log in“ geht es um Zuschauerbeteiligung. Der User ist der King. Ganz im Dienste des Web 2.0 kann dieser sich mit seinen Fragen und Beiträgen live einklinken, die Sendungen beinflußen und seine Meinung platzieren – so, wie er es aus dem Internet kennt und gewohnt ist. Doch wenn man sich mal die Augen wischt und kurz darüber nachdenkt, wie die meisten „Informationsformate“ bei den Öffentlich Rechtlichen so gestrickt sind, kommt unter dem Strich recht wenig Web 2.0 dabei heraus. Da hilft auch die Zusammenarbeit mit den VZ-Netzwerken wenig. Da hilft keine verhuschte Handkamera, kein cooler Slang, keine quasi Meinungsfreiheit.
Das Format funktioniert wie ein moderierter Livestream. Anfangs als wildes Neuland mit VIVA-Flair erkennbar, wurde daraus jedoch immer mehr ein Meinungsformat par Excellence.
„Terroralarm in Deutschland: Wie ernst ist die Gefahr wirklich? Alles nur Panikmache und eine gute Gelegenheit, Gesetze zu verschärfen? Lade deine Frage zum Thema bei login.zdf.de hoch!“
Mit der brutaleren Variante hat man im Zusammenhang mit den Massenprotesten um Stuttgart 21 angefangen auch stärkere Duftmarken zu setzen. Man brauchte ja dringend ein Format, mit dem sich Positionen so versenden lassen, dass sie bei einer Vielzahl von jungen Leuten gut ankommen. Und wo erreicht man die Kids besser, als in einem Social-Netzwerk wie StudiVZ? In einer Sendung im letzten Jahr konnten sich die Menschen einklinken und dem Gast im Studio, Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster von der CDU, Fragen stellen… Im Leserartikel-Blog auf ZEIT ONLINE schrieb dazu ein Kommentator: „…Nur, was sind Antworten eines Menschen wert, der während der letzten OB-Wahl seinem grünen Konkurrenten und dessen Wählern – wozu ich nicht gehöre – einen Bürgerentscheid versprochen hat, falls die Mehrkosten des Projektes eine bestimmte Marke überschreiten sollten. Und der dieses Versprechen danach scham- und charakterlos brach?“
Objektiver Journalismus geht anders
Heute (auf ZDFinfokanal im Livestream) – am 26. Januar – geht es um das Thema „Afghanistan“ immerhin wird wohl der Einsatz verlängert und das interessiere halt die Jugend. Oh je. Wie verträgt sich eine solches Format nur mit dem Diebstahl der Feldpostbriefe der gerade ruchbar wurde? Denn immerhin sollen wohl auch Soldaten direkt an der Sendung teilnehmen. Man kann sich richtig vorstellen, wie sich die Presseoffiziere auf den „Einsatz Black out“ vorbereiten.
Die Fragen beantwortet dieses Mal übrigens Philipp Mißfelder, außenpolitische Sprecher der CDU (wieder CDU???), natürlich so was von Live. Bin gespannt, ob hier auch wirklich Kritisches durchdringt, z.B. eine Frage wie: „Ist diese Sendung nicht eine einzige Propaganda-Show, wenn Parteivertreter jungen Menschen den „Fastwiekrieg“ erklären?“ oder „Warum ist der Trailer für die aktuelle Sendung geschnitten wie ein Bundeswehr-Werbespot?“ Immerhin sollten doch alle Meinungen im Studio vertreten sein und man sollte auch visuell eine „Friedensmission“ als das ankündigen was sie ist, ein absolut tödliches Unterfangen. Wo bleibt die Neutralität der Öffentlich Rechtlichen?
Tja, objektiver Journalismus geht anders. Mich hat der Werbetrailer heute morgen sehr beunruhigt, zumal mit StudiVZ ja direkt junge potenzielle Soldaten und Menschen mit einer sich gerade bildenden politischen Meinung angesprochen werden. Ich bin sehr gespannt und werde mir die Sendung aufmerksam ansehen. Immerhin bezahle ich sie ja mit meinen Gebühren anteilig mit, genauso wie ich den Krieg durch meine Steuern unterstützen muss. Da kann ich nicht ruhig sitzen, wenn ein TV-Format Jugendliche und junge Erwachsene geistig schanghaien will.
Sendetermin
Am 26. Januar ab 21.45 Uhr wird sich Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, den Fragen der User stellen. Die Sendung läuft live auf dem ZDFinfokanal und im Livestream auf den Internet-Plattformen von ZDF und StudiVZ
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