Ein Attentat auf die Demokratin Gabrielle Giffords in den USA – nachdem eine Republikanerin „durchladen“ rief und die Demokraten meinte… Brandanschläge auf Moscheen in Berlin… Eine Lehrerin für Ethik (!) die in Niedersachsen ihre eigenen Schüler denunziert… Eine Christlich (!!) Soziale Union die mit einem Hetz-Video gegen Grüne stänkert… Was haben all diese Fälle gemeinsam? Richtig! Sie lassen einen Stil in der Politik, aber auch in der Gesellschaft, aufleben, den man sich schon längst beerdigt wünschte: Das Denunziantentum. Kennt man doch irgendwie aus der Geschichte. Verheißt nix Gutes und macht am Ende nur Ärger, aber gewaltig.

Wenn man sich das Video der CSU anschaut, bleibt einem fast die Spucke weg. Nun gut, ein harter Tonfall in der politischen Auseinandersetzung ist ja wünschenswert, doch dies hier stinkt kilometerweit zum  Himmel:

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=DufkWJzrFtM&feature=player_embedded[/youtube]

Niveau ist was anderes. Das Konzept der Negativwerbung hat die CSU nicht erfunden. Stimmt. Und die Grünen sind auch nicht zimperlich. Auch richtig. Aber war da nicht mal irgendwann ein christlicher Anspruch bei den Christlich Sozialen? Wo ist der denn geblieben? Oder macht man das Ganze heutzutage nur deshalb, weil es andere ja auch so machen? Wie wäre es mal mit dem ganz altmodischen Konzept: Mit guten Beispiel voran gehen. Ist nicht.  Muss nicht. Darf nicht?

Na, irgendwie haben alle schon mal Gift gespuckt. Ist auch nichts Neues.

Apropos Niveau (das zieht sich durch das gesamte Parteienspektrum)…

SPD 1957 Wahlkampfvideo:
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=ZAWxHnS2ZCw&feature=related[/youtube]

DVU-Werbespot:
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=e5so72JN0DE[/youtube]

Wahlwerbespot PSD 1994:
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=hdyXwI6cFYA&feature=related[/youtube]

Wahlspot CSU: Bundestagswahl 1976:
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=13vWe9o2oTA[/youtube]

FDP-Wahlspot 2009: Deutschland kann es besser:
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=EDQbsSdg4E0[/youtube]

SPD-Wahlwerbespot 2005:
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=9132vYx26OA[/youtube]

Wir sind die Roten – PDS-Wahlwerbung:
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=6Xd9SEczkFI[/youtube]

Parteien zur Europawahl 2009: Bündnis 90/ Die Grünen:
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=TgbhheNpRZ8[/youtube]

Parteien und Europawahl 2009: die REP
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=SrUvACHqlWE&feature=related[/youtube]

So kann man endlos weiter machen. Es soll sich hier also keine Partei und kein Anhänger beschweren. Denn keiner ist, was die Propaganda betrifft, hier besser oder schlechter. Und nur selten hat das ganze Stil. Der einzige der das Recht hätte sich zu empören, das ist der Wähler – denn am Ende bleibt es eben doch Propaganda; werden die Versprechen die man gegeben hat nicht eingelöst. Ob man nun auf andere schimpft oder sich selbst lobt…

Hatten wir doch alles schon mal

In den USA haben wir gesehen, wohin eine harte politische Rhetorik führen kann. Und auch in den Jahren davor haben sich US-Politiker („Achse des Bösen“) nicht gerade mit Ruhm bekleckert, wenn es um Fairness ging. Bemerkt eigentlich jemand, dass im Zusammenhang mit dem Attentat auf Gabrielle Giffords medial immer wieder mit der Phrase „Mekka des Hasses“ gearbeitet wird? Nicht nur in den USA, auch bei uns. Obwohl es hier keinesfalls um einen Mordversuch mit religiösem Hintergrund ging. Ein Schelm der Böses dabei denkt. Von Wikileaks und den Vergewaltigungsvorwürfen gegen Julian Assange will man ja gar nicht erst anfangen…

Auch in Russland kann man das Spielchen um die (harmlos gesagt) üble Nachrede beobachten. Oder wie soll man das nennen, was mit Michail Chodorkowskij gerade veranstaltet wurde? Im Grunde sind sich Amerika und Russland auch hier sehr ähnlich. Machtkämpfe, Intrigen und die sich immer weiter verschärfende Propaganda gehören irgendwie zusammen.

Wenn man sich anschaut, was daraus werden kann, dann muss man nur in den privaten, in den gesellschaftlichen Bereich schauen. Was mit fast harmlosen Nachbarschaftsstreitigkeiten – meist um Lappalien – beginnt, wuchert in der Gesellschaft weiter und gebärt immer neue Steigerungsformen. Am Ende fühlt man sich sogar moralisch im Recht, wenn man den Nachbar anschwärzt, ihn ausliefert oder einer vermeintlichen Tat bezichtigt. Jede Diktatur lebt von den heimlichen und verdeckten Fingerzeigen, von Verrat, Verunglimpfung und gegenseitigem Misstrauen. Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist das jedoch tödlich.

Mit Internet und Web 2.0 bekommt das Denunzieren eine neue Qualität

Bereits 2008 haben wir von einem britischen Web-Projekt berichtet, dass aus friedlichen Nachbarn kleine Blockwarte machen wollte. Der Text ist heute wenigstens genauso aktuell:
„Es gibt übrigens – dank Web 2.0 und moderner Überwachungstechnik – mehrere Beispiele für das “Blockwart-System”: So können in London “besorgte Nachbarn” auf einem eigens eingerichteten Kanal die Bilder von Überwachungskameras beobachten und “auffällige Verhaltensweisen” an die Obrigkeit melden. Selbst das bei uns vor einiger Zeit aufkommende Konzept des “Leser-Reporters” schlägt in diese Kerbe, denn es macht den Normalbürger zum mit Kamera bewaffneten Sheriff, der seine Mitmenschen fototechnisch an den Pranger stellt.

Das Konzept des “rotten NEIGHBORS” erinnert stark an die Geschichte von dem Mann, der sich bei seinem Nachbarn einen Hammer leihen möchte und auf dem Weg zu dessen Haus mehrere Szenarien gedanklich durchspielt, in denen der Nachbar diese Bitte schroff zurück weist. An der Tür angekommen ist er bereits so ärgerlich, dass er den verdutzten böse anblafft und beschimpft: “Ich will Ihren dummen Hammer gar nicht haben!“

In der heutigen Zeit treffen zwei Phänomene aufeinander; bilden immer häufiger eine explosive Mischung:
1) Die Geschwindigkeit von Informationen und die Interaktivität die daraus entsteht.
2) Die Angst vor Gefahren und Entbehrung (Terror, Arbeitslosigkeit, Armut…)

Im Ergebnis erzeugt das eine sich selbst beschleunigende Hysterie mit wachsenden, schizoiden Tendenzen. Kommen dann noch real existierende Schicksalsschläge hinzu, kann schnell mal jemanden die Birne durchbrennen. Das geht im Fall der durchgeknallten Einzeltäter, aber genauso gut auch im Rahmen einer saftigen Massenpsychose.

Genau das was unsere Zeit nicht braucht!!!

Die Lösung ist auch hier, wie in allen anderen der genannten Fälle eine Mäßigung. Und gewiss die Besinnung bei einem selbst auf genau die menschlichen Verhaltensweisen die man auch von anderen entgegengebracht bekommen möchte. Der Auftrag wäre also überall dort zu schlichten, wo andere gerade durchknallen, überall dort weich zu sein, wo andere verhärten und überall dort Nachsicht zu üben, wo der Nächste zum Teppichbeißer mutiert.

In jedem Fall sollten wir es nicht zulassen, dass uns politische Taktiker anstecken mit ihrer „Saat des Hasses“. Im Fall des CSU-Spots ist das Ganze ja noch harmlos, da es niveaulos und damit lächerlich ist. Doch auch der Wolf kommt, wenn er gar nicht anders weiter weiß, gern im Schafpelz daher.

Mich zumindest stört diese Art politischer Rhetorik sehr, denn es fällt schwer die Grenzen zu ziehen und zu sagen: „Bis hierhin und nicht weiter“. In den USA mussten die Maßlosigkeit des Wahns wieder Unschuldige mit dem Leben bezahlen.