»Rettet Hamburgs Grün vor dem Senat« lautete das Motto der Fahrrad-Demo, die gestern in Hamburg stattfand. Der Anlass: Aus vier verschiedenen Ecken kamen Radler:innen sternförmig zum Rathaus gefahren, um dagegen zu protestieren, dass in Hamburg immer mehr schützenswerte Wälder, Moore, Kleingärten und vieles mehr plattgemacht werden. Angeblich, um günstigen Wohnraum zu bauen …

Klimaschutz für Städter:innen

Der Klimawandel kommt. Und zwar schneller und krasser, als uns lieb ist. Städte werden dann zu sogenannten Hitzeinseln. Die vielen Fassaden und Straßen heizen sich nämlich unter der Sonne viel stärker auf als Felder, Gewässer und Wälder. Vor allem große Städte wie Hamburg oder Berlin könnten dadurch zu Hitzefallen für vulnerable Gruppen werden. Sprich: nicht jede und jeder würde es sich noch erlauben können, in der Stadt zu leben.

Um sich darauf vorzubereiten und möglichst viel gegen die Hitzestaus zu unternehmen, brauchen Städte also möglichst viel Grünflächen: Parks, Wälder, Gewässer, Naturschutzgebiete. Doch genau die sollen ausgerechnet unter einem rot-grünen Senat in Hamburg nun plattgemacht, versiegelt und bebaut werden.

Aber wir brauchen doch günstigen Wohnraum …

Angeblich geschieht dies, um darauf den dringend benötigten, kostengünstigen Wohnraum entstehen zu lassen. Zweifel sind allerdings erlaubt. Nicht nur, weil es Alternativen für die Bebauungen gäbe. Auch weil in der Vergangenheit bei solchen Projekten am Ende dann oft doch nur teurer Wohnraum entstanden ist. Das meinen jedenfalls die Gründer:innen der Hamburgweiten Initiative »Rettet Hamburgs Grün«.

Wir sind ebenfalls von Langenhorn (Rettet das Diekmoor, s.u.) aus mitgefahren und haben zwischendrin unter anderem in Barmbek Halt gemacht. Und zwar mitten in einer Neubausiedlung, die zeigt, wie es nach der Bebauung an so einem ehemaligen grünen Stadtnaturort aussehen kann: Riesige Betonklätze, parkende Autos soweit das Auge reicht, kein Baum, kein Strauch kein Grün. Hier befand sich davor eine riesige Kleingartensiedlung …

So sieht es aus, wenn eine ehemalige Schrebergartenkolonie bebaut wurde. Günstiger Wohnraum? Das darf bezweifelt werden. Schön ist er jedenfalls (noch) nicht und eine echte Hitzefalle, wenn der Klimawandel weitergeht.

Volksentscheid gestoppt!

Deshal haben sich vier Einzelinitiativen zusammengeschlossen, um gemeinsam gegen die Versiegelung von Hunderten von Hektar an Grünflächen anzukämpfen. Bislang sind sie im Senat und in den Bezirken auf taube Ohren gestoßen. Eine Volksbegehren wurde gestartet. Schnell kamen im ersten Schritt bereits 14.000 Unterschriften zusammen. Das zeigt: Nicht wenige Menschen in der Bevölkerung sind anscheinend auf der Seite der Initiative.

Daraufhin brachte der Senat das Volksbegehren vor das Bundesverfassungsgericht, um ihn dort prüfen zu lassen. Der Haken daran: Die Initiative muss nun vermutlich rund ein Jahr auf die Entscheidung des Gerichtes warten. Während dessen geht alles weiter seinen Gang. »Dass die Hamburger GRÜNEN mithelfen, eine Klimaschutzinitiative zu behindern, ist fast schon absurd und den Hamburgerinnen und Hamburgern nicht zu erklären«, schreibt die Initiative in ihrer Pressemitteilung.

Rettet Hamburgs Grün: am 10. September fuhren aus 4 Richtungen Fahrrad-Trecks zum Rathaus um gegen die Versiegelung von Grünflächen zu protestieren.
Rettet Hamburgs Grün: am 10. September fuhren aus 4 Richtungen Fahrrad-Trecks zum Rathaus um gegen die Versiegelung von Grünflächen zu protestieren. Ungewohnt: Dank Polizeieskorte mit dem Fahrrad über mehrspurige Autostraßen zu radeln.

Um welche Flächen geht es?

Anstatt also Unterschriften zu sammeln, rief die Initiative am 10. September 2022 eben zur besagten Fahrrad-Demo auf. Ausgehend von vier verschiedenen Grünflächen, um die es – neben kleineren Grünflächen, Hecken und Straßenbäume, etwa in der Max-Brauer-Allee, deren Bäume für den überdimensionierten Neubau der Sternbrücke abgeholzt werden sollen – geht, radelten vier Demo-Trecks los:

  • Wilder Wald Wilhelmsburg: Im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg gibt es einen natürlich aufgewachsenen Wald. Im Gegensatz zu Parkanlagen oder Straßenbegrünungen ist er nicht nur ein Lebensraum für viele Pflanzen und Tiere – sondern auch ein wichtiger Lernort für Kinder, wie der Naturschutzbund (NABU) findet. In dem »stark überformten und verdichteten Stadtteil« gäbe es sonst kaum Möglichkeiten, mit Natur in Berührung zu kommen. Der Wald soll nun abgeholzt werden, damit dort das IBA Wohnungsbauprojektes »Spreehafenviertel« entstehen kann.
  • Nein zu Oberbillwerder: In diesem Stadtteil gibt es eine Kulturlandschaft, die vor allem durch Landwirtschaft und Gartenbau geprägt ist. Und auch wenn man sich hier mehr bio-dynamische Landwirtschaft wünschen könnte, so liefert dieser Ort doch viel Lebensraum für alle möglichen Tier- und Pflanzenarten. Deshalb kämpfen die Oberbillwerder:innen nun auch vehement gegen die Entwässerung, Versiegelung, Vernichtung von Existenzgrundlagen der Bauern und Bäuerinnen sowie die Bebauung und – damit einhergehend – den zunehmenden Verkehr. Weitere Infos unter https://nein-zu-oberbillwerder.jimdofree.com
  • Vollhöfner Wald: Nur ein paar Kilometer südlich der Hamburger Innenstadt liegt der Vollhöfner Wald. In knapp 60 Jahren ist hier – ganz ohne den Eingriff des Menschen – auf rund 45 Hektar als Pionierwald mit vielen Tier- und Pflanzenarten entstanden. Das Gelände gehört jedoch zum Hafenerweiterungsgebiet und wird nach dem Hafenentwicklungsplan von 2012 für Logistikhallen vorgehalten. Zwar einigten sich SPD und Grüne im Koalitionsvertrag im Juni 2020 darauf, dass der Vollhöfner Wald nicht mehr für die Hafennutzung in Anspruch genommen werden soll (was aber auch nicht mehr ganz sicher zu sein scheint), dafür aber andere, bislang unberührte Naturflächen. Und das, wo wir wissen, dass der Verkehr von Containerschiffen zugunsten des Klimaschutzes deutlich abnehmen muss! Weitere Infos: www.vollhoefnerwald.de.
  • Rettet das Diekmoor: In diesem Landschaftsschutzgebiet in Langenhorn sollen rund 700 Wohnungen entstehen. Das pikante daran: Im Sommer 2020 hatte das Bezirksamt Hamburg-Nord (zuständig die Partei DIE GRÜNEN) – also die zuständige Behörde – den Senat um die Weisung für einen Bebauungsplan gebeten. Dadurch nahm es den Bürgerinnen und Bürgern von vorneherein die Möglichkeiten eines Bürgerbegehrens, einer echten Mitgestaltung und die Chance auf einen Dialog. Weitere Infos: https://rettet-das-diekmoor.de
Rettet Hamburgs Grün – Alle Rad-Demonstrantinnen und Demonstranten sind gut vor dem Rathaus angekommen.
Rettet Hamburgs Grün – vor dem Senat: Alle Rad-Demonstrantinnen und Demonstranten sind gut vor dem Rathaus angekommen.

Wie geht es weiter?

Die Aktiven der Initiative »Rettet Hamburgs Grün« kämpfen weiter. Derzeit wollen sie in Sachen Volksbegehren auf alles vorbereitet sein. Wenn sich das Bundesverfassungsgericht zu ihren Gunsten entscheidet, muss es schnell gehen. Ihr Ziel: Sie suchen bis dahin nach 1.000 Menschen, die sich verbindlich dazu bereit erklären Unterschriften zu sammeln. Gäbe es so viele Sammler und Sammlerinnen, müsste jede Person nämlich nur 80 Unterschriften bekommen, um das nötige Quorum von 80.000 Stimmen zu erreichen.

Wenn du dich also für Hamburgs Grün engagieren möchtest, dann melde dich doch bei der Initiative als Unterschriftensammler:in an! Hier geht das: https://rettet-hamburgs-gruen.de