Wie viele Jahre haben wir schon für Klimaschutz, Gerechtigkeit, Demokratie und alles mögliche gekämpft – und nun? Nun scheint es nicht nur nicht besser zu werden. Nein, es wird alles immer schlimmer und schlimmer. Die Demokratie ist in Gefahr. Am 1,5-Grad-Ziel sind wir vorbei. Die Schere zwischen Arm und Reich nimmt unaufhaltsam zu – mit den bekannten schrecklichen Folgen für Demokratie, Gerechtigkeit und Klimaschutz. Was also führt wirklich zur Veränderung?
Fragst du dich auch in den letzten Monaten und Jahren mehr und mehr: Was bringt Engagement eigentlich? Was kann ich schon tun? Oder besser gesagt: Welche Art von Engagement bringt überhaupt noch was? Mich umtreibt diese Frage. Macht mich ganz unruhig. Und ich habe mir für das 2025 und 2026 deshalb vorgenommen, mich ihr tiefer und tiefer zu widmen:
Welches Engagement für eine bessere Welt bringt wirklich eine echte Veränderung?
In letzter Zeit fühle ich mich zunehmend erschöpft. Seit 2007 sind Marek und ich dabei, uns für eine bessere Welt zu engagieren. Hier über diese Plattform, über unsere Bücher, Workshops, Konferenzen und vieles mehr. Doch mittlerweile zweifle ich mehr und mehr daran, ob unser Einsatz tatsächlich Wirkung zeigt. Mache ich das alles am Ende bloß, um mich besser zu fühlen? Damit ich das Gefühl habe, ich hätte was getan – auch wenn es nicht wirklich was ändert?
Und so frage ich mich mit mehr und mehr Vehemenz und immer und immer wieder: Was kann ich schon tun? Gibt es Wege, wie wir unser Engagement gezielt gestalten können? Was können wir tun, um nicht nur unsere Hoffnung und unseren Optimismus zu bewahren, sondern auch w-i-r-k-l-i-c-h etwas zu bewegen? In diesem Artikel schaue ich anhand von drei Fragen darauf, wie wir als Rebellinnen oder Rebellen etwas für eine bessere Welt bewirken können.
Welche Bedeutung hat zivilgesellschaftliches Engagement?
Zum Glück gibt es andere Menschen. Sie haben andere Sichtweisen, denken andere Gedanken und kommen zu anderen Schlussfolgerungen. So ein Mensch ist Rebecca Solnit. Ich bewundere sie, denn ich finde, sie hat besonders inspirierende und ungewöhnliche Gedanken. Neulich habe ich ihr neuestes Buch „Umwege. Essays für schwieriges Terrain“ gelesen. Darin gibt es ein Kapitel, indem sie beschreibt, dass sie sich wie eine Schildkröte auf einer Party von Eintagsfliegen vorkommt. Denn alle um sie herum scheinen sich partout nicht an die Vergangenheit zu erinnern. Allen scheinen die größeren Zusammenhänge zu entgehen. Nur ihr nicht.
Was hat das mit dem Sinn und Zweck von zivilgesellschaftlichem Engagement zu tun, und der Frage: Was kann ich schon tun? Hier kommt ein Beispiel aus ihrem Essay: Das Debt Collective – also übersetzt das „Schulden Kollektiv“. Es ist aus der Occupy Wallstreet Bewegung entstanden, die – könnte man sagen – ziemlich erfolglos war. Wenn man sich „nur“ den kleinen Zeitausschnitt ansieht, während dem sie den Zuccotti Park in Manhattan besetzt haben. Doch das Debt Collective blieb hartnäckig.
Im Spätsommer 2022 kündigte die US-Regierung einen weitgehenden Schuldenerlass für Studienkredite an. „Wer die Geschichte nicht verfolgt hatte, [konnte] an ein Geschenk von oben glauben“, schreibt sie. Doch in Wahrheit war es die hartnäckige und ausdauernde Arbeit des Debt Collective und anderer Initiativen, die das dafür notwendige gesellschaftliche Klima geschaffen hatten. Und bevor du nun denkst „das ist doch ein Tropfen auf den heißen Stein!“ – ja, das Debt Collective geht nicht davon aus, dass ihre Arbeit mit diesem Erlass beendet wäre. Im Gegenteil.
Die Schildkröte auf der Party der Eintagsfliegen …
Solnit gibt noch etliche weitere, inspirierende und motivierende Beispiel, die zeigen, dass zivilgesellschaftliches Engagement ein wichtiger Motor für die Weiterentwicklung von Gesellschaften sind. Mir wurde an dieser Stelle klar, wie wichtig es ist, sich das immer wieder bewusst zu machen, um nicht zu verzweifeln, weil alles so langsam geht. Auch Bewegungsforscher*innen betonen, dass gesellschaftlicher Wandel selten von heute auf morgen geschieht – vielmehr sind es die vielen kleinen, oft unscheinbaren Schritte, die über die Zeit hinweg große Veränderungen bewirken.
Wenn du dich also mit den Menschen in deiner Nachbarschaft, an deinem Arbeitsplatz, in deiner Schule oder in deinem Verein zusammentust, um dich für Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit oder Demokratie einzusetzen, dann lässt du ein Netzwerk aus Menschen entstehen, das neue Ideen, Werte und Handlungsmöglichkeiten in die Gesellschaft trägt. Mit diesem Impulse schaffst du einen Raum für Diskussion, Innovation, Widerstand gegen Missstände und Empowerment! Und das sind wichtige Ausgangspunkte für die wirklich großen Veränderungen, die – wie Solnit schreibt – eben nur aus zeitlich größerer Distanz sichtbar werden.
Auch wenn sich die Herausforderungen manchmal überwältigend anfühlen und die eigenen Beiträge winzig erscheinen, zeigen viele historische Beispiele, dass zivilgesellschaftliches Engagement entscheidend ist: die Bürgerrechtsbewegung in den USA, die Anti-Apartheid-Bewegung in Südafrika oder die Umweltbewegung in Europa. In all diesen Fällen waren es zunächst kleine Gruppen engagierter Menschen, die mit ihren Aktionen – Demonstrationen, Petitionen, Bildungsarbeit – gesellschaftliche Debatten angestoßen und langfristig politische Veränderungen erwirkt haben.
Selbst scheinbar unbedeutende Initiativen können dabei eine Kettenreaktion auslösen: Denk mal an Greta Thunberg, die sich einfach in Stockholm an einem Freitag Vormittag mit einem Pappschild vor das Rathaus gesetzt hat. Wer hätte damals gedacht, dass sie in der Lage wäre, damit eine weltweite Bewegung in Gang zu setzen, der Millionen von Menschen folgen?
Welche Form des Engagements bringt es?
Die Formen von zivilgesellschaftlichem Engagements sind so unüberschaubar vielfältig wie die Herausforderungen, vor denen wir stehen. Ob das, was du tust (oder tun willst) wirklich etwas bringt, lässt sich im Vorfeld superschlecht sagen. Denk an das Debt Collective. Wenn sie erst angefangen hätten, wenn sie sicher gewesen wären, dass sie nicht scheitern können … Nun, du kannst es dir denken. Es hätte vermutlich keinen Schuldenerlass für Studienkredite gegeben.
Viel wichtiger ist es aus meiner Sicht, dass du für dich herausfindest, welche Art von Engagement dir liegt. Die Frage ist nicht „was kann ich schon tun?“, sondern „was will ich tun?“. Denn natürlich fragt sich schon, wie und womit du möglichst viele Menschen erreichst und für deine Anliegen gewinnst. Aber eins ist klar: du wirst nur dann motivierend, überzeugend und voll Power sein, wenn dir die Sache selbst auch Spaß bringt und liegt. Ich habe mich hier mal in einer ganz knappen Zusammenfassung versucht, was es so alles gibt – vielleicht findest du dich bei dem ein oder anderen Punkt ja schon wieder:
- Politisches Engagement auf kommunaler, regionaler und überregionaler Ebene: Du kannst unsere Gesellschaft aktiv mitgestalten, indem du dich in politische Prozesse einbringst. Zum Beispiel, indem du an Bürger:innenversammlungen teilnimmst, Petitionen einreichst oder aktiv in Parteien und Initiativen mitarbeitest. Gerade hier kannst du beeinflussen, wie Umwelt- und Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und Demokratie vor Ort konkret umgesetzt werden.
- Aktivismus durch öffentliche Aktionen und Kampagnen: Über Demonstrationen, Mahnwachen oder andere kreative Protestformen kannst du die Aufmerksamkeit in der Gesellschaft auf dringliche Themen lenken, die die Menschen nicht wahrnehmen oder verdrängen. Dabei geht es gar nicht mal immer nur um die große Masse. Auch mit weniger Menschen kannst du sichtbar Haltung beziehen und andere zum Nachdenken anregen.
- Bildungsarbeit und Aufklärung: Wissen zu teilen ist total wichtig, um etwas in unserer Welt zu verändern! Ob du das in Workshops, Vorträgen oder durch Artikel, Blogposts oder Bücher tust – du trägst damit dazu bei, dass mehr Menschen über die Themen informiert sind, die dir am Herzen liegen. Wenn du gut bist, dann zeige ihnen immer auch gleich, wie sie selbst aktiv werden können. Das ist zumindest einer unserer Hauptanliegen hier bei “Für eine bessere Welt”: Wir wollen zeigen, was Menschen konkret für eine bessere Welt tun können.
- Digitale Vernetzung und solidarische Gemeinschaften: Social Media und die großen, digitalen Monopol-Plattformen sind ein riesiges Problem unserer Zeit. Sie manipulieren in großem Stil, haben eine gewaltige, unsichtbare Macht und sind so eine echte Gefahr für unsere Demokratie und das Allgemeinwohl. Gleichzeitig ermöglichen sie es Menschen, sich weltweit zu verbinden, Informationen auszutauschen und gemeinsame Projekte voranzubringen. Digitale Räume können ein Kraftfeld für solidarisches Handeln sein, wenn wir sie bewusst nutzen und kritisch hinterfragen. Gute Beispiele sind dafür die Fridays For Future, die #metoo-Bewegung oder auch Black Lives Matter, die ohne die Sozialen Medien nicht diese globale Dynamik entfaltet hätten. Aber auch lokale und regionale Gemeinschaften rund um ein Thema sind eine super Sache, um sich für eine bessere Welt zu engagieren. Tolle Beispiele dafür sind Gemeinschaftsgärten oder auch die Solidarische Landwirtschaft.
Sicherlich gibt es noch weitere Formen des Engagements. Wenn du hier etwas wichtiges vermisst, dann freue ich mich riesig, wenn du unten einen Kommentar dazu hinterlässt. Außerdem sind diese Formen des Engagement natürlich auch miteinander verknüpft, ergänzen sich und gehen ineinander über.
Was sind deine Kriterien für wirksames Engagement?
Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich habe lange nicht so ganz den Sinn konkreter Ziele verstanden. Das lag auch daran, dass mir die innere Klarheit darüber fehlte, was genau ich mit meinem Engagement für eine bessere Welt eigentlich erreichen will. Es gibt ja so viel, was man dringend ändern oder verbessern sollte (finde ich). Ich konnte mich einfach nicht entscheiden. Und so blieb ich vage. Der Vorteil dieser Verhaltensweise: du musst dich nicht entscheiden. Der Nachteil: Du weißt aber auch nie genau, ob dein Engagement nun eigentlich was bringt oder nicht. Und das kann mit der Zeit eben zu dem oben beschriebenen Zustand der Demotivation, des Zweifels, im schlimmsten Fall sogar der Resignation führen. Mir ging es jedenfalls so.
Anders ist das, wenn dir klar ist, wann du mit deinen Aktivismus und deinem Engagement für eine bessere Welt in deinen eigenen Augen überhaupt erfolgreich bist! Und woran misst du das? Du ahnst es schon: an deinen Zielen und deinen Vorstellungen von Erfolg. Es ist daher wichtig, dass du dir im Vorfeld überhaupt erst einmal überlegst, was du erreichen willst – und was für dich ein Erfolg wäre. Sei dabei wagemutig. Stecke dir also schon Ziele, die nicht total banal und leicht zu erreichen sind (das ist nicht sonderlich motivierend). Aber sei auch realistisch und such dir etwas aus, was du wirklich erreichen kannst (unrealistisch hohe Ziele sind ebenfalls nicht sonderlich motivierend, im Gegenteil).
Erfolgskriterien für dein Engagement für eine bessere Welt
Zur Inspiration habe ich mir mal die folgenden fünf Punkte überlegt, die zeigen, worauf es ankommt, wenn du als engagierte Bürger:in, Aktivist:in oder als Rebell:in für eine bessere Welt eine echte Wirkung entfalten willst. Vielleicht taugen diese Kriterien ja auch für dich als Kompass für Empowerment und Motivation, um weiterzumachen:
- Nachhaltigkeit der Veränderungen: Führt dein Engagement zu langfristigen, strukturellen Verbesserungen im Bereich Umweltschutz, sozialer Gerechtigkeit oder Demokratie? Welche konkreten Veränderungen konntest du durch dein Engagement bisher anstoßen oder erreichen? Sind sie messbar? Werden bestehende Strukturen und Machtverhältnisse durch dein Engagement hinterfragt und verändert, oder bleibt es bei symbolischen Aktionen? Wie stellst du sicher, dass erreichte Verbesserungen dauerhaft bestehen bleiben?
- Reichweite und Beteiligung: Wie viele Menschen hast du über welche Kanäle erreicht? Wie viele beteiligen sich aktiv an deiner Idee oder Initiative? Hast du verschiedene gesellschaftliche Gruppen einbezogen? Inwiefern trägt dein Engagement dazu bei, das Bewusstsein, die Kompetenzen und die Handlungsspielräume bei möglichst vielen Menschen zu verändern und zu stärken?
- Sichtbare Ergebnisse und konkrete Erfolge: Gibt es messbare Fortschritte, wie zum Beispiel neue Verhaltensweisen, verbesserte Lebensbedingungen oder sogar neue Entscheidungen der machthabenden Personen? Welche Indikatoren gibt es, die dir Auskunft darüber geben könnten? Woran könntest du also konkrete Erfolge messen? Was tust du, um deine Erfolge sichtbar zu machen – zum Beispiel Umfragen, Feedbackbögen oder Zählungen auswerten?
- Empowerment, Partizipation, Inklusion und Motivation: Hast du Engagierte und Betroffene ermutigt, ihre Stimme zu erheben, Verantwortung zu übernehmen und selbst aktiv zu werden? Hast du Betroffene, lokale Gemeinschaften und unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen in die Entscheidungsprozesse und die Umsetzung eingebunden? Wie sorgst du dafür, dass du möglichst viele Perspektiven der Gesellschaft einbindest (Alter, Berufe, soziale Stellung etc.)?
- Innovationskraft und Vorbildfunktion: Setzt dein Engagement neue Impulse? Entwickelst du kreative Lösungsansätze und inspirierst du andere Initiativen oder Bewegungen? Hast du dich umgeschaut und machst Dinge nach, die woanders schon gut funktioniert haben, die bei dir in deiner Gegend oder in deinem Themenbereich aber noch nicht genutzt wurden? In diesem Bereich ist Nachmachen meistens ausdrücklich erwünscht! Teilst du dein Wissen und deine Erfahrungen mit anderen Aktivist*innen und Engagierten, damit sie ebenfalls wirkungsvoller sein können?
Mein Fazit: So wirst und bleibst du wirkungsvoll aktiv für eine bessere Welt!
Am Ende bleibt mir die Erkenntnis: Veränderung braucht Geduld, Ausdauer und immer wieder auch die Bereitschaft, sich selbst und die eigene Wirkung ehrlich zu hinterfragen. Zivilgesellschaftliches und politisches Engagement ist kein Selbstläufer – aber gerade deshalb ist unsere Beharrlichkeit so wertvoll. Jede einzelne Aktion, jede Diskussion, jeder kleine Schritt zählt. Es ist völlig normal, dass sich Erfolge manchmal erst nach einiger Zeit einstellen oder auf den ersten Blick unsichtbar bleiben.
Lass dich davon nicht entmutigen von der quälenden Frage „was kann ich schon tun?“. Im Gegenteil: Nimm dir regelmäßig Zeit, um zu reflektieren, was du mit deinem Engagement bewirkst – und wie du deine Energie vielleicht noch gezielter einsetzen kannst. Schau dazu auch noch mal in unsere „10 Tipps, wie du dein Engagement feierst und dich motivierst“. (LINK) So bleibst du handlungsfähig, lernst dazu und stärkst dich und andere für den langen Weg, der noch vor uns liegt.

Stark! Super, liebe Ilona, … danke!!!
Vielen Dank für deinen Kommentar – das freut mich sehr! lg, Ilona