Es ist gärt im Euroraum. Immer mehr Länder der Gemeinschaft geraten in Bedrängnis und gehen angesichts der gigantischen Schuldenlast in die Knie. Neben der eher grotesken Forderung nach einer DM 2.0 werden nun auch Stimmen laut, die eine Aufteilung in zwei Eurozonen fordern – eine gute und eine schlechte. Das dies nicht nur katastrophal für die in Not geratenen Nationen ist, sondern so gar nicht dem ehemals postuliertem Geist der Europäischen Gemeinschaft entspricht, kann man jetzt schon spüren.

Man hat den Eindruck, als hätte man sich einiges an Zeit sparen können, wenn man seinerzeit einfach weg gehört hätte, als die Befürworter des Euros mit dem rhetorischen Knüppel auf ihre Kritiker einschlugen. „Naiv!“, „fahrlässig“ und „verklärt“ waren damals noch die harmlosesten Kommentare. Man tat so, als sei dieser Euro das Beste was uns geschehen konnte. Abstimmen sollte das Volk jedoch darüber nicht, denn es war gar nicht so angetan von der Idee. Heute hat sich die Argumentationslage gewendet – die die es wollten, haben ihr Geschäft wohl gemacht und wünschen sich nun den Rückzug. Das ist schlechter Stil und zeigt, wes Geistes Kind hier wirkt.

Das Kartenhaus Europa wackelt bedrohlich

Immer mehr Länder geraten in den Schuldensog, können ehemals aufgenommene Kredite nicht zurück zahlen. Kein Wunder, denn man hat es privaten Ratingagentur aus den USA überlassen, diese Länder nach ihrer Kreditwürdigkeit einzuschätzen – und man hat sich Mühe gegeben, gerade die Kleineren an den Tropf zu bringen. Deutschland, mit einer Schuldenlast über 1 Billion Euro (!), kann sich noch auf die hohe Einschätzung dieser Agenturen stützen, zahlt weniger Zinsen auf seine Kredite und verkauft diese daher gern an die herunter gestuften Länder (mit höheren Zinsen) weiter. Das heißt, wenn ein Griechenland zum Beispiel 6 Prozent zu zahlen hat, nimmt es dieses Geld von Deutschen Banken an, was der Bank einen hübschen Zinsgewinn verschafft.

Überhaupt zeigt sich immer deutlicher, dass es hier allein um die großen Banken und Konzerne geht, die nicht umhin konnten, mit diesen Ländern ihr Geschäft zu machen. Prima, dass es so etwas wie eine Aufrüstungsverpflichtung für die Mitgliedsländer der EU gibt (ist im Lissabon-Vertrag geregelt). Das heißt, Griechenland muss, ganz gleich wie es um den Haushalt steht, Waffensysteme kaufen. Kann es diese am Ende nicht bezahlen, werden einfach die dafür bereit gestellten Kreditzinsen erhöht. Das ist glatte Erpressung. Denn es macht deutlich, wie verstrickt doch die Banken in den Niedergang dieser Länder sind und, mehr noch, diesen hervor gerufen haben. Da spielt es keine Rolle, wie korrupt zusätzlich noch die Politiker in diesen Ländern sein mögen, die Schulden sind gemacht und werden nun zur engen Halskrause.

Deutschland heizt die Krise weiter an

Deutschland begegnet der durch Spekulanten produzierten Eurokrise mit einem brachialen Sparprogramm. Hatte man sich in den letzten Jahren schon vom Konzept deutscher Wertarbeit verabschiedet und zum Billiganbieter gemacht, so setzt der aktuelle Sparkurs noch einen drauf. Wo gespart wird ist auch klar – bei denen die eh schon kaum noch was haben. Die Banken könnten sich jederzeit auf eine Stundung oder Entschuldung der Regierungen einlassen, doch das geht nicht. Zu stark sind die Lobbys der Banken, Rüstungsunternehmen und Finanzdiensleister. Man lässt lieber ein Land mit seinen Menschen vor die Hunde gehen, als das man beispielsweise sie zum Verzicht nötigt und damit endlich auch am Schaden beteiligt. Das geschah schon bei der letzten großen Bankenkrise nicht und das ist auch jetzt nicht der Fall. Hier wird also ein falsches Spiel getrieben.

In allen betroffenen Ländern der EU hat sich die Stimmung gegen den Euro verändert. Es wird auf Deutschland geschimpft und das zu Recht. Immerhin wird nun deutlich, dass Deutschland vom Euro mehr profitiert hat als alle anderen und damit wird auch klar, warum gerade die deutsche Delegation in Europa bei der Einführung so viel Druck gemacht hatte. Über die Jahre hat man sich, gerade was die Arbeitsmarktpolitik betraf, für einen Alleingang entschieden. Der „Aufschwung“ von dem hier so gern geredet wurde, wurde allein auf den Schultern der Arbeitnehmer und Bedürftigen gemacht. Deutschland wurde von der Politik zu einem Billiglohnland umgebaut, bei gleichzeitiger Stärkung der großen Unternehmen. So konnte man sich auf den Export konzentrieren und die nun billig produzierten deutschen Waren in das europäische Ausland verkaufen.

Dazu kommt, dass die Länder mit hoher Zinslast nichts anderes tun können als zuzuschauen, wie die Spekulanten nun in deutsche Staatspapiere investieren und damit die Zinskosten des deutschen Schuldendienstes entlasten. Das bringt Deutschland Milliarden – und die anderen haben das nachsehen. Nun kommt dazu, dass sich Deutschland massiv gegen die Idee der Euro-Anleihen ausspricht und damit den Anschein erweckt, sich sein eigenes Süppchen kochen zu wollen.

Deutschland sei Zahlmeister Europas beschweren sich nun verstärkt Ökonomen, Politiker und eine ganze Reihe selbsternannter Experten. Doch kann man sich durchaus gewiss sein, dass unser Land über die „satten“ Eurojahre so kräftig verdient hat, dass niemand ihm den Platz als größte Wirtschaftsmacht streitig machen konnte. Und genau genommen ist natürlich nicht das Land Zahlmeister, sondern es sind die Menschen die nun zu bluten haben. Die Banken werden zu ihrem Geld kommen. Das ist ihr Geschäft. Doch die Bevölkerung wird hierfür auf Generationen aufzukommen haben.

So wird aus der Eurokrise immer mehr eine Krise Europas, deren Konsequenzen wohl vielen noch nicht so klar ist.

Wendehälse tauchen auf

Wem die politische Brisanz der Situation anscheinend wirklich nicht so ganz klar ist, dass sind die Befürworter einer Aufteilung der Eurozone. Oder etwa doch? Sie fordern eine Abspaltung der ins trudeln geratenen Länder von denen die noch besser da stehen. Noch. Denn vollkommen klar ist doch, dass sich so eine Maßnahme auch auf den Wert des Euros auswirken würde. Es würde zu einer Aufwertung des Euros bei den „starken“ Ländern kommen und damit zu einem Bruch der bisherigen, exportorientierten Strategie. Waren aus Deutschland würden schlichtweg teurer, was sich durch die dann schwächeren Eurokurse der „schlechten“ Mitgliedsländer (mit denen ja bezahlt wird) im Kaufkraftverlust widerspiegeln würde. Und wer haftet dann für Zahlungsausfälle? Wie würde dann Deutschland bei den Rating-Agenturen dastehen?

Und wirkt sich die derzeit laufende PR-Offensive der Europa-Spalter nicht nochmals negativ auf die Einschätzung der schwachen Staaten aus? Zumindest stößt die Idee bei unseren europäischen Nachbarn nicht gerade auf Gegenliebe. Am Euro könnte also auch der Zusammenhalt der flickgeschusterten Europäischen Union zugrunde gehen.

Seltsam ist, dass sich ehemalige Befürworter der Euroeinführung nun dagegen stellen. Allen voran Ex-BDI-Präsident Olaf Henkel. Er scheint im Moment in allen Talk-Shows ein Dauerlager aufgeschlagen zu haben. Rhetorisch durchsichtig gibt er sich selbst Schuld dafür die Situation nicht richtig eingeschätzt zu haben, wendet dann aber die Mitschuld am Desaster ab: Hätte er gewusst das sich die Politik nicht an ihre Versprechen halten würde, hätte er sich niemals so massiv für die Einführung des Euros eingesetzt. So so. Das heißt aber übersetzt, dass man a) bei allen Ländern von einer soliden Haushaltsschätzung ausgegangen ist und b) keinerlei echte Sicherheitskonzepte für einen Fall wie diesen auf dem Schirm hatte. Und zu glauben fällt schwer.

Unterm Strich erscheint der neue Vorstoß nicht überzeugend, denn über allem steht ja der mögliche Verzicht auf Eintreibung der Schulden. Wie gesagt, wenn Banken und Konzerne Schulden aussetzen oder gar erlassen würden, wäre es vorbei mit der künstlich erzeugten Dramatik. Den Euroraum zu spalten wäre also keinesfalls erforderlich, doch so treibt Europa immer weiter in die Krise, bis es sich nicht mehr am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen kann. Und die Geier warten schon.

Die Menschen haben keine Schuld – sollen aber zahlen

Nach den Bankenpleiten, Rettungsschirmen und Konjunkturprogrammen, die allein durch unheilige Spekulanten entstanden sind, und die unendlich viel Geld in die Taschen eben dieser spülte, ist nun die Eurokrise der nächste Raubzug. Und eben auch weil sich ein großer Teil der Medien lediglich auf die unsolide Haushaltspolitik der Länder – und eben nicht die Ursachen gestürzt hat – gibt sich ein großer Teil der Bevölkerung seinem „Schicksal“ hin. Das sie abermals still hält und in Kauf nimmt, dass mehrere kommende Generationen daran noch zu knabbern haben werden, ist mehr als seltsam.

Immerhin trifft doch den Bürger selbst keine Schuld. Zumindest nicht direkt. Trotzdem scheint es vielen zu reichen, über die anderen Länder zu schimpfen, sie für faul und kriminell zu halten. Angestachelt durch die Medienberichterstattung wird damit jedoch abermals von den Ursachen abgelenkt und böses Blut gekocht.

Nicht die Menschen sind schuld, aber sie haben es über Jahrzehnte vorgezogen, den Traum von Aufstieg, Karriere und Wohlstand zu träumen, so dass sie bereit waren, die Dinge geschehen zu lassen. Sie waren bereit, sich in hierarchische Systeme pressen und entsolidarisieren zu lassen. Hauptsache Karriere und Wohlstand, so wurde es ihnen von Kindesbeinen beigebracht. Heute sind sie oftmals unfähig, aus diesem Hamsterrad auszubrechen. Doch nun, wo auch für sie die Luft dünner wird – selbst wenn sie alles „richtig“ gemacht und allein auf ihre Karriere geachtet haben – gibt es für sie ein moralisches Dilemma. Arbeit soll sich lohnen? Von wegen… der Stuhl unter dem Hintern ist oft schneller weg, als sie gucken können. Es ist nicht verwunderlich, dass gerade die Ehrgeizigen in unserer Gesellschaft bereit sind, soziale Einschnitte (zu Lasten der Schwächeren) zu unterstützen.

Wir haben den Zusammenhalt der Gesellschaft dem Mammon geopfert, doch auch jetzt wo der Gegenwind bläst, kommen wir aus der Nummer nicht mehr so richtig raus. Wie auch? Wenn das Grundprinzip unserer Wirtschaft auf Leistung, Konkurrenz und Hierarchie basiert, dann fällt es natürlich schwer umzuschwenken. Obwohl genau das bedauerlicherweise der einzige Rettungsanker wäre – auf deutscher, aber eben auch auf europäischer Ebene. Wenn wir es den Spaltern überlassen hier Geschichte zu schreiben, und den Medien, Zusammenhänge so darzustellen, wie es Politik und Wirtschaft von ihnen fordern, ist es um den Gemeinschaftsgedanken schlecht bestellt. Erst ein harter Kahlschlag, also der Zusammenfall des Systems, birgt in sich den Keim einer ethischen Reform. Solange aber noch viele profitieren, und in den Hierarchien weiter oben kleben, wird das kein freiwilliger Prozess sein.

Was ist zu tun?

Für Europa gibt es nicht viele Wege. Der oben beschriebene der Entschuldung erscheint mir äußerst unwahrscheinlich. Die Einführung der alten Länderwährungen, wie der DM, ebenso. Also bliebe nur der Weg der Spaltung, der sich entweder durch die neue Offensive und Aufteilung in zwei Eurozonen erreichen ließe, oder aber das Ergebnis der Zeit ist die man ins Land gehen lässt.
Der erste Schritt wäre sicherlich, sich von den Rating-Agenturen zu trennen – zumal deren Verwicklung mit Banken und Medien zu keiner Zeit eine neutrale Arbeit ermöglicht. Warum lassen wir uns von einer Hand voll Privatfirmen was sagen, zumal wir doch wissen, was die Resultate sind?

Der zweite Schritt ist der Erhalt der politischen Solidarität, welche der schwierigste Akt in der Rettung Europas werden könnte. Denn Europa ist kein solidarisches Gerüst. Kleinere Volkswirtschaften wurden unter der Rigide des Euros fast ausgesaugt und sollen nun ganz verspeist werden. Das kann es nicht sein. Hier wären jedwede Anstrengungen wichtig, die Solidarität zu erhalten. Das jedoch geht nur, wenn man den Spaltern widerspricht und aufzeigt, dass sie mit ihrem Plan ein Höllentor aufstoßen.

Der Bürger wird, solange er schweigt, nichts ausrichten. Denn es gibt keine bürgerliche Allianz mehr, die sich gegen die Ausbeutung geschlossen zur Wehr setzen könnte. Deshalb gilt es, diese Solidarität neu herzustellen. Mittlerweile dürfte auch der Letzte verstanden haben, dass er – wenn er nicht gerade Millionen auf dem Konto hat – sehr schnell zu den Verlierern gehören könnte und deshalb eine Unterstützung der gegenwärtigen Strukturen nichts weiter ist, als das berühmte Sägen an dem Ast, auf dem gesessen wird.

Der fatalste Zustand ist der, dass durch Sozialneid  getrieben die Menschen sich gegenseitig das Leben schwer machen und sich somit gegenseitig zu Fall bringen. Also: Hass auf Hartz IV-Empfänger oder Immigranten ist das Ergebnis zu kurzen Denkens. Nicht hier liegt das Problem. Wenn man den Schaden vergleicht, den der Betrug von Hartz IV-Empfängern am Volksvermögen im Vergleich zum Betrug durch Banken und internationale Konzerne beträgt, so ist dieser homöopathisch gering. Allein das sollte einem zu denken geben. Das die Profiteure keine Solidarität wollen ist doch klar, denn sie freuen sich natürlich darüber, dass man die Folgen ihrer Taten anderen unterjubelt. Hier ist die erste Bürgerpflicht sich nicht gegeneinander aufhetzen zu lassen und jedem der das versucht klar zu machen, dass dies durchschaubar und vor allem niederträchtig ist.

Das einfachste ist es, einfach nicht mehr auf die Spalter zu hören, den Medien nicht alles zu glauben und einen eigenen Weg der Gemeinschaft zu gehen. Viele müssen dies ganz neu lernen, doch sie werden sehen, dass ihnen dies viel besser tun wird, als der einsame Erfolg. Und das kann man sagen: Wenn es so weiter geht, werden die Erfolgreichen am Ende einsam sein, ungemocht, vielleicht sogar angefeindet und bedroht. Das muss nicht sein, denn sie sind nur Opfer des eigenen Traums geworden – einem Traum der nun zum Alptraum werden könnte.

Bildquelle:
Pixelio.de, Jobo