Die zunehmende Patentierung von Saatgut, konventionellen Pflanzensorten und Nutztierrassen bedeutet eine weitgehende Enteignung von Bauern und Züchtern: Landwirte dürfen ihr Saatgut aus der Ernte nicht mehr zurückzubehalten und Züchter können mit dem patentierten Saatgut nur noch sehr eingeschränkt weiter arbeiten.

Das Europäische Patentamt (EPA) hat im Interesse der multinationalen Konzerne in den letzten Jahren die Patentierbarkeit immer stärker ausgeweitet und die bestehenden Verbote unterlaufen. Unsere Nahrungssicherheit liegt zunehmend in den Händen einiger weniger transnationaler Chemie- und Biotechnologie-Konzerne.

Jetzt befasst sich das Europäische Patentamt mit der Grundsatzfrage:

Patente auf normale Pflanzen und Tiere!

Die Große Beschwerdekammer des EPA will am Fall eines Patentes auf Brokkoli (EP 1069819) grundsätzlich entscheiden, ob konventionelle Pflanzen patentierbar sind. Die Entscheidung (Fall T 0083/05) wird auch bindend sein für alle anhängigen Patentanträge und sogar für Nutztiere und deren Nachkommen.

In einem Globalen Aufruf an die Große Beschwerdekammer wenden sich die Organisatoren dieser Webseite, sowie zahlreiche Bauernverbände aus aller Welt gegen die Patentierung von konventionellen Pflanzen und Tieren.

Offener Brief:

Gemeinsamer Offener Brief

an die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes,

Regierungsvertreter,

Aufsichtsräte der Agrarindustrie-Unternehmen
Keine Patente auf Saatgut und Tiere aus konventioneller Züchtung

Seit einigen Jahren werden weltweit Patente auf gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere vergeben. Landwirte haben dadurch das Recht verloren, Saatgut aus der Ernte zurückzubehalten und Züchter das Recht, mit dem patentierten Saatgut weiter zu züchten – diese zerstörerischen Effekte sind allgemein bekannt.

In Kanada und den USA hat das multinationale Saatgut-Unternehmen Monsanto viele Farmer wegen der Verletzung von Patentrechten verklagt1. Das gleiche Unternehmen hat auch Gerichtsverfahren gegen Betriebe angestrengt, die argentinisches Soja nach Europa importieren2. Darüber hinaus sorgt die Möglichkeit, Saatgut zu patentieren, für monopolistische Marktstrukturen: Dabei beherrschen nur 10 multinationale Unternehmen ungefähr die Hälfte des weltweiten Saatguthandels.

Viele Bauernverbände und Nicht-Regierungs-Organisationen kämpfen gegen diese Patente. Weil gentechnisch veränderte Organismen (GMO) noch nicht in allen Ländern angebaut werden bzw. nur wenige Arten betreffen, sind die negativen Auswirkungen der Patente nicht überall zu spüren.

Patente werden inzwischen nicht nur für GMOs (wie „Round-up“-Sojabohnen) beansprucht, sondern auch für konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere. So wurde zum Beispiel eine Sojabohnen-Art zum Patent angemeldet , die eine bessere Ölqualität hat3 – das Patent deckt Teile des pflanzlichen Erbguts (Genoms) ab und gilt für die konventionelle Züchtung ebenso wie für neue Techniken, die die Züchtung verbessern sollen, zum Beispiel „marker-assisted-breeding“.

Einige der umstrittensten Patente hält Syngenta, ein Agrar-Konzern, der große Teile des Reis-Genoms zum Patent angemeldet hat4. Dabei wird auch die Züchtung von anderem Getreide erfasst, das ähnliches Erbgut hat wie Reis, beispielsweise Mais und Weizen.

Das Europäische Patentamt hat auch ein Patent vergeben für Pflanzen, die gegen Blattläuse resistent sind – auch wenn diese aus ganz konventionellen „marker-based“ (marker-unterstützten) Züchtungsmethoden stammen5. Patentanmeldungen von Monsanto beziehen sich auf Schweine, die ebenfalls aus konventionellen Züchtungen stammen und nicht gentechnisch verändert sind6.

Es zeigt sich eine wachsende Gefahr, dass die genetische Vielfalt landwirtschaftlich genutzter Pflanzen und Tiere von einigen Unternehmen weltweit monopolisiert wird.

Bald wird die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes über ein anderes, ähnliches Patent entscheiden – über eine Methode, spezielle Inhaltsstoffe bei Brokkoli zu erhöhen7. Diese Entscheidung wird zum Wegweiser für die Patent-Fähigkeit von konventionellem Saatgut in Europa werden.

In den USA sind Patente für konventionelle Pflanzensorten die normale Praxis; viele andere Staaten hingegen, gerade die Entwicklungsländer, lehnen Patente auf Pflanzen und Tiere ab.

Die jüngere Geschichte zeigt aber, dass die Standards, die in den Patentämtern der USA, in Europa und Japan entwickelt und angewendet werden, internationale Abkommen beeinflussen (etwa bei TRIPS, einer Vereinbarung der WTO über handelsrelevante Aspekte vom Recht am geistigen Eigentum; oder bei der WIPO, die weltweite Organisation zum Schutz von geistigem Eigentum). Patentämter auf der ganzen Welt werden gedrängt, ihre Standards und Anwendungen anzupassen oder bilaterale Verträge schließen. Indien zum Beispiel hat inzwischen schon die dritte Änderung seines Patentrechts beschlossen, um sich an die TRIPS-Regularien anzupassen.

Dieser Trend in der Patent-Politik wird viel mehr Landwirte und Züchter betreffen als es bei den GMO-Patenten der Fall ist. Überall werden die verbleibenden Rechte von Landwirten und Züchtern auf Pflanzensorten und Tierzucht verschwinden. Diese Patente werden das traditionelle Gefüge der Rechte und Privilegien der Landwirte und Züchter zerstören, die entscheidend sind für das Überleben der Bauern und Züchter, für die Nahrungssicherheit und den Erhalt der Arten- und Sortenvielfalt in der Landwirtschaft. Der größte Teil der Landwirte in den Entwicklungsländern sind Kleinbauern, die vollständig darauf angewiesen sind, ihr eigenes Saatgut züchten und tauschen zu können.

Wir setzen uns dafür ein, dass auch in Zukunft Landwirte, Forscher und Züchter einen freien Zugang zu Saatgut und genetischen Ressourcen haben. Denn nur auf diese Weise ist es möglich die Ernährungssicherheit – auch für die kommenden Generationen – sicher zu stellen.

Wir, die unterzeichnenden Landwirte, Forscher, Züchter und Nichtregierungorganisationen aus der ganzen Welt setzen uns dafür ein, dass keine Patente auf das Leben vergeben werden; insbesondere fordern wir Politiker und Patentämter auf, rasch zu handeln, um zu verhindern, dass Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere vergeben werden, sowie auf Erbgut-Abschnitte, die in konventionellen Züchtungsmethoden verwendet werden; ebensowenig dürfen Verfahren zur konventionellen Züchtung von Pflanzen und Tieren patentiert werden. Wir fordern die Saatgut-Industrie auf, keine derartigen Patente anzumelden.

Hier können Organisationen unterschreiben.

Und hier findet man die Unterschriftenliste (PDF) für Privatpersonen.

Quelle: No patents on Seeds