Anlässlich der heute bekannt gegebenen Auflösung der schwarz-grünen Regierung in Hamburg wird es endlich mal Zeit, sich mit einer Partei zu befassen deren Anfänge so viel Hoffnung versprachen. Heute ist sie in der politischen Mitte angekommen und hat sich längst von den ideellen Ansprüchen vergangener Tage verabschiedet, so scheint es. Heute zählen taktisches Kalkül und politische Attitüde anscheinend mehr als der Wunsch eine bessere Welt zu schaffen…
Also vor 30 Jahren, 1980, die Grüne Partei entstand, keimte bei vielen Menschen Hoffnung auf. Endlich gab es eine politische Kraft, der die Umwelt wichtiger war als Geld und Macht, die sich um Menschen, Tiere und Natur sorgte. Eine Partei die sich den starken monetären Interessen in den Weg stellte und eine Versöhnung von Natur und Wirtschaft forderte. Eine neue und frische politische Kraft. Heute scheint davon nur vordergründig etwas übrig geblieben zu sein. Dabei bräuchte es umso mehr eine starke Opposition, die sich den aus dem Ruder laufenden Wirtschaftsinteressen widersetzt und schützend vor die Menschen stellt.
Grüne Hoffnungen
Als sich jedoch eben diese Grünen, zusammen mit der SPD, 1998 bis 2005 an der Regierungsmacht befanden, war von den großen Ansprüchen wenig zu spüren. Man stimmte dem Krieg im Kosovo zu und sperrte sich auch nicht, als die Handlungsschranken für Finanzmärkte gelockert wurden. Man bekam den Eindruck, dass ihnen die Macht wichtiger war als die Gesinnung. Und auch bei uns in Hamburg enttäuschten die Grünen schwer, als sie zunächst mit dem Slogan „Mit uns kein Kohlekraftwerk in Moorburg“ warben, sich wählen ließen und das Kraftwerk dann eben doch nicht verhinderten. Alle Hamburger die damals auf die Grünen setzten und vertrauten, fühlen sich noch heute belogen und betrogen. Denn schließlich wäre es möglich gewesen, Haltung zu bewahren und lieber in die Opposition zu gehen. Stattdessen nahm man wie selbstverständlich auf den Sitzen des Senats Platz und tat so, als könne man kein Wässerchen trüben.
Sicher, anderen Parteien traut man umso mehr zu, dass sie sich über den Wähler hinweg setzen und ihr eigenes Ding durchziehen. Man traut ihnen zu, dass sie uns an der Nase herum führen, mit der Wirtschaft in einem Boot sitzen und sich durch deren Lobbyisten ihre Politik vorschreiben lassen – zumindest diese Politik dulden. Doch von den Grünen hätte man mehr Standhaftigkeit erwartet und ein stärkeres Rückgrat.
Als die rot-grüne Regierung abgelöst wurde, schickte sich der Kanzler an, sein Glück in der freien Wirtschaft zu suchen. Noch vor kurzem hatte er einen Eid geleistet, den Schaden vom Deutschen Volk abzuwenden, doch nun galt es eigene Interessen zu verfolgen. Da schien es durchaus akzeptabel eben diesem Volk den Rücken zu kehren. Doch verstärkte diese Entscheidung natürlich den damals schon nicht mehr wohlwollenden Blick auf unsere Politikerkaste. Und die Grünen? Der grüne Außenminister tat es dem Kanzler nach und diente sich wirtschaftlichen Organisationen an. Was für eine Enttäuschung… Denn entweder man meint es ernst mit seinen Bekundungen und steht auch dann parat, wenn man den Umhang der Macht weitergeben muss, oder man macht sich davon. Gerade bei grünen Politikern hatte man das nicht unbedingt erwartet und die negative Wirkung auf das Image der Grünen war entsprechend.
Von da an ging es erst einmal bergab. Man glaubte den Grünen nicht mehr und es war ein weiter Weg, bis sich die Partei die Glaubwürdigkeit zurück erkämpft hatte – auf dem Rücken derer die sich wirklich den Marktradikalen in den Weg stellten und zeigten, dass sie mit ihrem kalten Politikstil nicht klar kamen.
Stuttgart 21 bringt den grünen Aufschwung
Spätestens seit Stuttgart 21 wendete sich das Blatt, haben die Grünen wieder Aufwind. Wie zu erwarten stellten sie sich ganz einfach an die (optische) Spitze der Bürgerbewegung und ließen es so aussehen, als sei es eine Bewegung der grünen Massen. Und das Volk glaubte ihnen erneut. Gerade junge Menschen die sich die Wandlung der Partei in den letzten 30 Jahren nicht angesehen hatten, fanden bei dieser Partei eine neue Heimstadt. Doch bei allen die sie schon seit Jahrzehnten beobachtet und sich über den Schlingerkurs gewundert hatten, sprangen die Alarmleuchten an.
Hier in Hamburg sieht es ganz ähnlich aus, denn das Platzen der Regierung riecht ziemlich stark nach taktischem Kalkül. Nun muss man sagen, dass wir nach dem Hopplahopp-Weggang von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) eh schon einen kollektiven Kurs im Wundern ablegen durften. Denn der Nachfolger war schnell zur Hand, nur kannte ihn kaum jemand und gewählt war er auch nicht. So einfach war es also, eine Nase auszutauschen und das Wählervotum zu umgehen. Nachdem nun aber die Grünen im Aufwind sind und die Sympathie wieder wächst, mag man sich wohl von der CDU nicht runter ziehen lassen. Man möchte es alleine schaffen und zu den Sternen greifen. Was also aus Anstand nicht geschah – die Auflösung des Senates nach dem Rücktritt des Bürgermeisters, oder schon vorher nach der Durchsetzung des Kohlekraftwerkes in Moorburg sowie der gescheiterten Schulreform – klappt mit einem Mal – aus schnöden demoskopischen Gründen? Doch wo bleibt bei alledem der Wähler?
Die Grünen greifen wieder zur Macht
Hamburg wird neu wählen und die Grünen erhoffen sich nun natürlich einen erdrutschartigen, oder zumindest beachtlichen Wahlerfolg. Dieser Spreizschritt schritt könnte jedoch gründlich in die Hose gehen. Denn gerade durch dieses aktuelle Verhalten zeigen die Grünen noch einmal mehr, dass ihnen Macht schlichtweg wichtiger ist, als der Wähler der sie überhaupt erst ermöglicht. Das ist wirklich betrüblich und wirft die Frage auf, welcher Partei man überhaupt noch vertrauen kann. So wie es aussieht, leider keiner:
Die Grünen: Sie haben ihre Bodenhaftung verloren, scheinen machtgeil und sind dafür sogar bereit, marktradikale Ideen notfalls mit zu tragen. Sie wären gut beraten, ihre Stärke in diesen Tagen ganz der Opposition zu widmen. Sie sind ein Abbild einer Gesellschaft die sich den vermeintlichen Erfordernissen der Wirtschaft bis zur Unkenntlichkeit untergeordnet hat. Aus diesem moralischen Tief muss sie sich befreien.
SPD: Kaum eine Partei hat sich so sehr ins Gegenteil verkehrt wie die SPD. Als Partei der Arbeiter und Beschützer der Schwachen wurde sie groß und musste bereits ansehen was geschieht, wenn aus Turbokapitalismus diktatorische Strukturen erwachsen. Heute hat sie dies anscheinend vergessen. Besinnt sie sich nicht radikal auf ihren moralischen Kern, wird sie sich schneller als erwartet in Wohlgefallen auflösen.
CDU: Eine Partei die sich christlich und sozial nennt, aber in den letzten 30 Jahren gezeigt hat, dass sie christliche Demut, Bescheidenheit und Mitgefühl nicht praktiziert. Sie nennt sich konservativ, hat in dieser Zeit aber nicht nur gesellschaftliche Strukturen zerstören helfen, sondern gleichfalls unsere Umwelt durch ihre aggressive Auslegung der Marktgesetze bedroht. Daran ist nichts konservativ. Würde sie sich tatsächlich auf das „C“ und das „D“ in ihrem Namen besinnen, könnte sie einigen Schaden wieder gut machen. Doch das steht nicht zu erwarten.
FDP: Die Partei des Geldes wirkt wie ein Hort von BWLérn und Juristen. Man wolle sich für den Mittelstand einsetzen, betreibt aber eine Politik zugunsten der Großen. Wer hier also Mitleid für diejenigen erhofft, die durch die sich ständig erweiternden sozialen Maschen erwartet, kann nur enttäuscht werden. Die FDP ist in einem Dilemma, denn durch ihre Politik schafft sie genau die Wählerklientel ab, die sie zu unterstützen vorgab.
Die Linken: Es hört sich natürlich gut an, wenn sie die Ungerechtigkeit anprangern, doch bei allem rhetorischen Heldentum muss man sich anschauen was geschieht, wenn sie an die macht kommen. In Berlin war die Tagespolitik von rot-rot keinesfalls sozial. Die Realpolitik verdrängte das Ideelle, schneller als man gucken konnte. Wer glaubt, dass mit den Linken eine Welt der Gleichheit und Gerechtigkeit entstünde, der wird sich wohl am Ende wundern. Hier existieren die gleichen Hierarchien, Strukturen und Machtgeplänkel wie anderswo auch. Alle sind gleich, nur manche sind halt wohl noch etwas gleicher.
Die Struktur verhindert echte Politik für die Menschen
Man sieht, das Problem sind vielleicht weniger die Parteien, als ihre Strukturen. Solange wir unsere Zukunft aber von Parteien abhängig machen und den Politikern vertrauen, setzen wir auf ein Image, ein Bild dass wir von ihnen haben. Um aber zu bewerten, was wir tatsächlich von ihnen zurück bekommen, muss man sich nur anschauen, wie sie unsere Welt verändern, was sie antreibt und wie sich ihre Politiker verhalten – was sie tun, wenn sie an der Macht sind.
Der Ausweg aus den Problemen unserer Zeit dürfte also keinesfalls von Parteien zu erwarten sein, auch wenn sie uns noch so süß ihre Verheißungen ins Ohr flüstern. Stuttgart 21 zeigt, dass wir Bürger es selbst sind, die Bewegung in die verkrusteten Strukturen der parteipolitischen Macht bringen. Sobald wir uns von Parteien vereinnahmen lassen und ihnen blind vertrauen, wird es der Erfahrung nach nur schlimmer. Wir brauchen neue, andere Strukturen, in denen nicht nur Mensch und Umwelt mehr zählen als der Profit, sondern wir auch zeigen, dass wir diese politische Arroganz nicht mehr dulden. Die politische Klasse hat einfach zu viel kaputt gemacht, als das man ihr den Auftrag geben könnte, unsere Zukunft in die Hand zu nehmen.
Nur der Bürger und bürgerschaftliches Engagement – ohne die Gier auf Macht und Geld – wird das bewirken. Ganz genau so wie es bei den Grünen mal angefangen hat. Genau hier läge also auch eine Lösung für die Partei, wenn man sich für sie eine Lösung wünscht. Die Grünen scheinen, was ihre Entwicklung angeht, das Alter eines Spätpupertierenden erreicht zu haben, doch so wie man auch einen Pupertanten Einhalt gebieten würde, wenn er große Dummheiten anstellt, so muss man es auch bei dieser Partei verlangen: Entweder sie kommt sofort zur Vernunft, oder sie kann sich einreihen in die Riege der Parteien denen die Bevölkerung misstraut. Sie muss bedenken: Auch die FDP war vor der Bundestagswahl im Aufwind. Heute ist sie nur noch ein Schatten ihrer selbst…
Wie sehr die Bevölkerung Politikern vertraut, kann man jetzt sehen, nachdem der Schlichtungsspruch in Stuttgart durch ist. Sie lässt sich die Pro-Befürworter-Entscheidung nicht gefallen. Die Grünen haben in dieser Sache einen Eiertanz sondergleichen geboten und wollten sich besser nie ganz festlegen.
Nibiru
Stimmt, den Parteien zu trauen ist heutzutage fast unmöglich geworden. Wir dürfen uns auf sie nicht mehr verlassen, sondt erleben wir immer wieder unser blaues Wunder.
Heiner
Eine sehr differenzierte Darstellung. Ich glaube so etwas passt auch gut für die Seite http://www.ich-finde.es .
Helmuth