Die Debatte um die Flüchtlinge schlagen dieser Tage hoch. Es gibt viel Unverständnis auf vielen Seiten. Dabei können Designer, Medienmacher und Künstler mit ihrer Arbeit Bindeglieder schaffen. Wir stellen euch mal ein paar interessante Projekte für und über Flüchtlinge vor.

Kunst war schon immer (auch) dazu da, die Dinge kritisch zu hinterfragen. Ebenso wie das Design und natürlich die Medien. Ebenso ist es aber auch die Aufgabe von Künstlern, Designern und Journalisten sich und ggf. die Betrachter in die Lage des Anderen, des Unverständlichen, des Unbekannten hinein zu versetzen. Dass und wie Kunst, Design und Medien Brücken bauen können, das sollen euch die folgenden sieben Projekte zeigen, die uns besonders gut gefallen haben.

Refugee Republic

Der Visual Artist Jan Rothuizen, der Journalist Martijn van Tol und der Fotograf Dirk Jan Visser aus Amsterdam machen das Leben der Flüchtlinge im wahrsten Sinne des Wortes anschaulich. Sie haben eine multimediale Web-Dokumentation entwickelt, mit der sich jeder anschauen kann, wie der Alltag in einem Flüchtlingslager nahe Syrien aussieht. Anhand von Zeichnungen, Fotos, kleinen Videos und Texten zeigen die drei, wie es den rund 64.000 Menschen geht, die dort Schutz suchen. „Mit dem Anstieg der Flüchtlingszahlen wandelt sich das Lager langsam von einer temporären Einrichtung zu einer kleinen Stadt“, berichten die Macher. Die Menschen fangen an, kleine Unternehmen und Schulen zu gründen, sie heiraten, streiten und feiern gemeinsam. http://refugeerepublic.submarinechannel.com/

Staatsangehörigkeit: Universal Unconditional

Unconditional Universal

„Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen“, so steht es im Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Doch das stimmt nicht ganz – wer sich in unserer Welt umsieht und die aktuellen Diskussionen verfolgt, kann dies leicht erkennen. Zwei Künstler aus Holland haben sich da etwas überlegt: Wie wäre es, wenn sie eine internationale Sharing-Community für Staatsbürgerschaften gründeten? Dann könnten Menschen weltweit – so ähnlich wie sie sich heute schon via airbnb ihren Wohnraum auf Zeit zur Verfügung stellen – ihre Staatsbürgerschaft für einige Monate bis maximal zwei Jahre ausleihen… Und in der Zeit kann man sich entweder die Staatsbürgerschaft von jemand anderem ausleihen oder Staatenlos sein… http://st-pr.co/unun/

Flüchtlinge: Better Shelter

Design ein Heim in der Fremde

Die Menschen, die auf der Flucht ein Camp erreichen, haben bereits schreckliches durchgemacht. Sie wünschen sich Sicherheit, Schutz und auch Würde. Es gibt bereits eine Reihe von Designern, die hier nach besseren Lösungen für die (temporären) Unterkünfte in den Camps suchen. Da gibt es zum Beispiel More Than Shelter, die mit dem so genannten Domo ein Zelt entwickelt haben, das sich in unterschiedlichen Klimazonen und für unterschiedliche Zwecke aufstellen lässt – und auch zu Mehr-Raum-Lösungen kann man die Domos kombinieren. www.morethanshelters.org

Die Initiative Better Shelter macht aus dem Zelt ein Haus – mit anderen Worten: diese Unterkunft hat eine Tür und Fenster. Die Mobule lassen sich unterschiedlich kombinieren und einsetzen sowie einzeln austauschen, sollte eines davon kaputt sein. Außerdem ist die Unterkunft mit einem Schloss sowie einem Solar-Modul ausgestattet, das eine LED-Lampe mit Strom für rund vier Stunden Kunstlicht pro Tag versorgt. www.bettershelter.org

Flüchtlinge: Game, Syrian Journey

Syrian Journey – das Refugee Game

Multimedia-Journalisten der BBC haben ein Online-Game entwickelt, über das man nachvollziehen kann, vor welchen Entscheidungen syrische Flüchtlinge stehen: Soll man die günstigere, aber gefährlichere Route über Ägypten und das Mittelmeer nehmen? Oder doch lieber die teurere Landroute via Türkei? Soll man dem Schmuggler das Geld tatsächlich im voraus geben? Oder sind dann am Ende die letzten Ersparnisse weg? Daneben liefert die Seite reale Geschichten und Hintergründe: Man kann sich beispielsweise anschauen, was die Gegenstände sind, die SyrerInnen auf ihre Flucht mitnahmen… www.bbc.com/news/world-middle-east-32057601

Comic-Workshop mit Flüchtlingen, Ali Fitzgerald

Kunst-Workshops in Camps

Eine Reihe von Fotografen, Künstler und Street Artists sind bereits in Flüchtlings-Camps gereist, um vor allem mit den Kindern Kunst zu machen – eine tolle Möglichkeit, damit diese traumatische Situationen verarbeiten, sich ausdrücken und auch noch ihre Umgebung schöner gestalten. Zum Beispiel der Fotograf Reza, der ganz beeindruckende Fotos auf seiner Website zeigt www.rezaphoto.org. Oder auch das Kunst-Programm „Paint Outside the Line“ (facebook.com/paintoutsidethelinesME), bei dem ganz tolle Streetart entsteht. Weitere Kunstprojekte findet ihr unter: http://bit.ly/1LOIVh9

Toll ist auch, was die Comic-Zeichnerin Ali Fitzgerald in einem Berliner Flüchtlingsheim macht: Sie inspiriert dort Flüchtlinge – auch Kinder – dazu, ihre Flucht als Comic zu zeichnen und damit nicht nur die z.T. traumatisierenden Erlebnisse zu verarbeiten, sondern auch anderen – egal in welcher Sprache – von der eigenen Geschichte zu berichten. Einen tolle Artikel dazu gibt es bei bento. Und bei Vox hat Ali Fotzgerald ihre Erfahrungen aus den Comic-Workshops mit den Flüchtlingen in einem ebenfalls tollen Comic verarbeitet (siehe auch Bildausschnitt oben).

Flüchtlinge: International Conference of Refugees and Migrants

International Conference of Refugees

Nicht direkt Kunst, aber immerhin in einem Kunst- und Kulturhaus – im Off-Theater Kampnagel in Hamburg – findet vom 26. bis 28.2.2016 die „International Conference of Refugees and Migrants“ statt. Das Programm wird von den Teilnehmer*innen gemacht: Flüchtlinge, Helfer*innen, Künstler*innen, Designer*innen, Idealist*innen – wer immer sich berufen fühlt und sich für Lösungen und Unterstützung einsetzen möchte. Übrigens: Finanzieren sollen die Konferenz auch die Teilnehmer*innen sowie weitere Unterstützer*innen. Also wenn Du etwas übrig hast, dann mache mit bei der Crowdfunding-Kampagne für die Konferenz. http://refugeeconference.blogsport.eu/

Fazit

Sicher, keines der hier genannten Projekte kann für sich dann das Problem der Flüchtlinge lösen. Noch nicht mal alle zusammen. Aber ich bin davon überzeugt, dass sie die Lage für einige Menschen verbessern – direkt oder indirekt. Für mich ist es berührend und auch motivierend zu sehen, wie viele Menschen sich Gedanken machen – und nicht nur das: Auch zu Tat schreiten und Projekte ins Leben rufen, um anderen Menschen, die sie zunächst nicht kennen, das schwere Leben etwas erträglicher zu machen.