Macht Reichtum egoistisch und gemein?

Macht reich gierig und gemein?

Macht reich gierig und gemein? Ja, sagt der Psychologe Paul Piff…

Die Fussballweltmeisterschaft steht vor der Tür. Die Brasilianer demonstrieren gegen die Ungerechtigkeit und Korruption, die die Großveranstaltung mitbringt. Und die Reichen (und wir) machen sich nichts draus und feiern trotzdem. Wie ist das möglich? Warum haben die reichen Profiteure denn gar kein schlechtes Gewissen?

Der amerikanische Psychologe Paul Piff von der Berkeley Universität hat darauf eine Antwort. Seit Jahren erforscht er, wie sich gesellschaftliche Hierarchien, Status und Reichtum auf die Haltung eines Menschen auswirken. Und was er dabei heraus gefunden hat, klingt nicht besonders rosig: In einem Versuch haben Piff und sein Team ein Monopoly-Spiel abgewandelt.

Per Münzwurf wurde zu Beginn einer der beiden Spieler zum Reichen und der andere zum Armen gemacht. Der Reiche erhielt doppelt so viel Startkapital und durfte mit 2 Würfel jeweils doppelt würfeln. Während der arme Mitspieler nur die Hälfte an Startkapital hatte und außerdem nur mit einem Würfel jeweils einmal würfeln durfte. Keine Frage, wer das Spiel gewann…

Zum Eigennutz verpflichtet

Doch am Ende nach dem Grund des Sieges gefragt, gaben die reichen Spieler meistens verschiedene Spielzüge und Strategien an. „Unser Gehirn negiert Vorteile, wie die, die wir in dem Spiel geschaffen haben“, erklärt Paul Piff in einem Fernseh-Interview. Statt dessen hat er über viele unterschiedliche Studien ermittelt: Je reicher und privilegierter sie sind, desto eher fühlen sie sich dazu berechtigt, ihre Interessen über die der anderen zu stellen.

Macht Reichtum egoistisch und gemein?

Und so schummelten in Tests reiche Menschen rund drei bis viermal häufiger als arme. Sie nahmen sich doppelt so viele Bonbon aus einem Glas, die ausdrücklich für Kinder gedacht waren. Reiche lügen eher in Verhandlungen und begehen eher kleinere Vergehen am Arbeitsplatz, wie Geld aus einer Kasse stehlen, Kunden belügen oder Bestechungen entgegennehmen. Dafür teilten arme Menschen in Versuchen fast doppelt so oft ihr Geld mit wildfremden Menschen wie reiche. Oder allgemein ausgedrückt: Piff fand zudem heraus, dass Empathie und Einfühlungsvermögen mit steigendem Einkommen sowie Vermögen sinken…

Doch was bedeutet das für unsere Gesellschaft? Es bedeutet eben nicht nur, dass sich immer mehr Geld in immer weniger Händen konzentriert. Es bedeutet auch, dass diese „Elite“ auch immer mehr und immer selbstverständlicher für sich in Anspruch nimmt, das auch zu verdienen. Ihr zunehmender wirtschaftlicher Erfolg ist für sie eben kein Ausdruck von gesellschaftlicher Ungleichverteilung und ihrer günstigeren sozialen Stellung. Sie sehen ihn als ihren persönlichen Verdienst und zeigen zugleich zunehmend weniger Empathie für diejenigen, die nicht auf der Sonnenseite geboren sind.

Untergräbt Reichtum unsere Gesellschaft?

Die liegt Vermutung nahe, dass sich an der Ungleichverteilung in den USA, aber auch in Deutschland und der Welt insgesamt, nichts ändern wird – im Gegenteil. Sie wird noch weiterhin und immer stärker zunehmen. Diese Ungerechtigkeit hat Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft: Die Soziale Mobilität nimmt ab, ebenso wie das wirtschaftliche Wachstum. Der Soziale Frieden, das Vertrauen zwischen den Menschen und das Gemeinschaftsleben werden unterminiert. Dadurch sinken auch allgemein die physische und psychische Gesundheit, die Bildung und damit auch die Lebenserwartung. Zunehmen hingegen Gewalt, Drogenmissbrauch und Kriminalität.

Also: Macht reich gierig und gemein?

Klingt alles ziemlich negativ und düster? Das stimmt. Doch Piff hat auch eine positive Botschaft. In seinen Untersuchungen fand er nämlich heraus, dass bereits kleine Veränderungen in der Haltung einen relativ großen Effekt haben. „Menschen immer wieder auf die Vorteile von Kooperation und Gemeinschaft hinzuweisen führt dazu, dass sich wohlhabende Menschen ebenso großzügig und egalitär verhalten wie arme“, erklärt er in seinem Ted Talk (siehe oben). Probanden, die einen nur 45 Sekunden langen Film über die Bedeutung gegenseitiger Hilfe sahen, waren noch über eine Stunde danach genauso hilfsbereit und emphatisch wie arme Versuchsteilnehmer.

ilona

ist freie Jour­na­lis­tin, Publizistin, Projekt­ma­che­rin und Medienaktivistin. Seit über zehn Jahren schreibt sie Bücher, Blogposts, macht Podcasts, gibt Workshops und hält Vorträge. Zudem begleitet und berät sie öko-soziale Organisationen, Gemeinschaften, Künstler:innen, Kreative und Aktivist:innen bei der ganzheitlichen und nachhaltigen Planung und Kommunikation ihrer Projekte und Bücher.

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