Nachdem ich mich tagelang aus Zeitnot nicht durch meine tägliche E-Mail-Flut arbeiten konnte, habe ich es heute endlich geschafft. Dabei sind mir zwei Pressemitteilungen in die Hände gefallen, die irgendwie Sinnbild für unsere ambivalente Welt zu sein scheinen: „Du brauchst kein großes Vermögen, um deine Welt schöner zu machen, nur ein bisschen IKEA – das ist die IKEA Philosophie auf den Punkt gebracht“, erläutert Claudia Willvonseder, IKEAs Marketing Managerin. Es geht um einen TV-Spot, den die Hamburger Agentur Grabarz & Partner für den Möbelriesen erstellt hat…

„Mit dem neuen IKEA TV-Spot kommt Licht in die aktuelle Handelswerbung. Genauer genommen sind es die berühmten IKEA Teelichter, die IKEA in einem TV-Spot von der Hamburger Agentur Grabarz & Partner hochemotional in Szene setzen lässt. Ausgerechnet in einer Zeit, in der viele Marken auf Lautstärke und Rabatte setzen, inszeniert IKEA mit dem ruhigen 30-Sekünder ganz bewusst die Kraft der Marke.“ So schwärmt die Agentur in ihrer Pressemitteilung (sorry, ich konnte den Spot weder bei IKEA noch bei Grabarz und Partner noch bei YouTube oder sonst irgendwo entdecken…).

3 Tage und rund 12 Stunden später bekomme ich Post von der NGO Rettet den Regenwald: „Damit IKEA Kerzen und Teelichter möglichst günstig verkaufen kann, setzt es verstärkt auf billiges Palmöl“, steht da. Pro Jahr verbrauche das Unternehmen 32.000 Tonnen allein für die Kerzenproduktion! Zwar wisse IKEA, dass die Produktion von Palmöl nicht nachhaltig sei. Das Unternehmen habe gegenüber Rettet den Regenwald bestätigt, dass es eine nachhaltige Produktion von Palmöl für seine Produkte nicht garantieren kann. Trotzdem setzt IKEA auf Palmöl. Und so setzt Rettet den Regenwald nun auf eine eigene E-Mail-Kampagne, an der auch Ihr euch beteiligen könnt (www.regenwald.org).

Gerade IKEA scheint mir – zumindest als Hamburgerin, die den Protest gegen IKEA in Altona mit bekommt – das Unternehmen zu sein, das unsere Ambivalenz im täglichen Leben wohl so gut zeigt, wie kaum eine andere Marke: Wie mir eine Bekannte berichtete, gab es Demonstrationen vor IKEA (in Schnelsen oder Moorfleet, das weiß ich nicht mehr) – bei den bekanntlich nicht gerade angenehmen Wintertemperaturen, die uns nun schon einige Wochen begleiten. Und so fiel es einigen Demonstrantinnen bald ein, sie könnten sich doch schnell ein paar Billig-Schnäppchen-Decken von IKEA holen…

Die Anekdote lässt schmunzeln und doch ist es nur eine Verdichtung dessen, was wohl jeder von uns – und sei er oder sie noch so idealistisch und voller guter Vorsätze – kennt: Man weiß, welche Ernährung gesund ist und ist dennoch bei MC Burger… Man ist gegen Kinderarbeit und ausbeuterische Arbeit – und greift bei Schnäppchen dennoch zu. Man ist gegen Werbung und Konsum – und freut sich dennoch nach „erfolgreichem“ Schaufensterbummel über die gemachte Beute…

Es könnte jetzt auch noch vieles gesagt und geschrieben werden – darüber, wie uns die Werbung (man beachte den Sprachstil der Pressemitteilung oben) uns verführt. Darüber wie sich die Unternehmen nicht ihrer Verantwortung stellen. Oder auch darüber, wie leicht und bereitwillig wir uns korrumpieren lassen… Aber meines Erachtens legt uns die Erkenntnis der eigenen Unzulänglichkeiten, Unvollkommenheiten und Inkonsequenzen vor allem zwei Dinge nahe.

Erstens: Seid nicht nachsichtig mit Euch selbst. Kasteit und geißelt Euch nicht (denn ehrlich: das würden wir eh nicht durch halten). Aber bemüht Euch – denn auch ein noch so kleiner Schritt bleibt besser als keiner (und dabei soll sich niemand vorschnell zufrieden geben, denn das wäre heuchlerisch!). Zweitens: Seid nachsichtig mit anderen – denn ihnen geht es wie Euch. Sie kriegen es auch nicht wirklich hin, ihre Ideale zu erreichen…

Bildquelle:
wrw, Pixelio.de