Finanzkrise, Eurokrise, Klimakrise, Demokratiekrise, Ressourcenkrise. Krise, Krise, Krise wo man hinschaut. Und unsere Jugend? Hängt faul, verwöhnt und übersättigt vor ihrem Smartphone ab? Beleibe nicht, meint Daniel Boese, seines Zeichens Journalist und – darf man wohl sagen – Klimaaktivist. Er bloggt nicht nur über die internationale Jugend-Klimabewegung, er hat auch ein Buch über sie geschrieben.

Die Jugend setzt sich ein

Auf über 250 Seiten, in einem Softcover, veröffentlicht vom renommierten Oekom Verlag, schreibt Daniel Boese also über eine kraftvolle, internationale Jugendbewegung, die in Deutschland und von den (deutschen?) Medien kaum bis gar nicht wahr genommen wird: Der Kampf junger Menschen für eine lebenswerte Zukunft. Eine Zukunft ohne Wetterextreme, ohne Dürren, Überschwemmungen und Wirbelstürme. Und auch ohne die Kosten einer Klimaerwärmung, die aller Wahrscheinlichkeit nach mal wieder vor allem die Menschen auf der südlichen Erdhalbkugel zu tragen haben werden – auch wenn sie vornehmlich von den Menschen auf der Nordhalbkugel verursacht wurde.

 

Wie sieht die Klimabewegung in verschiedenen Ländern aus?

Daniel Boese schreibt über Studenten, viel versprechende »High Potentials«, die ihre Karriere in den Wind schießen, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: unsere Umwelt zu schützen und unser Überleben in Würde zu retten. Dabei geht Boese auf die Unterschiedlichkeiten der Bewegungen auf verschiedenen Kontinenten oder Ländern ein: Denn während in Deutschland kaum Schwung in die Klimaschutzbewegung zu kommen scheint – u.a. weil wir eine Regierung haben, die vorgibt sich für den Klimaschutz einzusetzen. Aber auch weil Umweltschutzorganisationen traditionell hier sehr stark vertreten sind und der gemeine Bürger darauf vertraut, dass diese sich des Themas schon in ausreichendem Maße annehmen werden.

Während hierzulande also wenige Individuen meinen, Klimaschutz hinge ganz persönlich von ihrem Engagement ab, sieht dies laut Boese in Groß Britanien schon wieder ganz anders aus. In vielen südlichen (Entwicklungs)Ländern haben derlei Bewegungen sogar noch mehr Zulauf – zum Beispiel in Indien, das Boese zu Recherchen für das Buch besucht und die dortigen Klimaaktivisten gesprochen und -aktivitäten untersucht hat. In den USA gibt es laut Boese ebenfalls sehr engagierte Klima-Aktivisten… doch sie treffen auch auf viel härtere Betonköpfe als beispielsweise in Deutschland. Zu tief sitze hier die Vorstellung, dass jeglicher Klimaschutz direkt den »american Way of Life« angreife, meint Boese.

 

Die Klimabewegung global betrachtet

Was in der Natur der Sache liegt – und damit auch diese ganzen, unterschiedlichen Bewegungen vereint – ist die Tatsache, dass sowohl der Klimawandel als auch der Kampf dagegen nur weltweit zu sehen ist. Entsprechend trachten Initiativen wie 350.org danach, auch weltweite, gemeinsame Aktionen und Aktionstage zu organisieren. Die Treffen zu den internationalen Klimaverhandlungen (legendär ist – aus Aktivistensicht – sicher der in Kopenhagen) geraten somit auch zu internationalen Treffen der Klimaaktivisten. Hier werden schon lange nicht mehr nur Aktionen geplant und durch geführt. Hier vernetzt man sich vor allem auch, tauscht Erfahrungen, Ansichten und Einsichten aus oder organisiert gegenseitige Unterstützung auf ganz praktische Weise.

Natürlich muss man bei der Lektüre sofort an die aktuelle – ebenfalls weltweite – Demokratiebewegung denken. Auch hier gibt es – trotz der offensichtlichen, nationalen und/oder kontinentalen Unterschiede – gemeinsame Visionen, Träume und Hoffnungen, die vor allem auf einen allgemeinen Bewusstseinswandel zielen (auch 350.org macht sich u.a. Gedanken darüber). Hier wie dort ist deshalb auch der Vergleich zu Bewegung der 68er nicht weit. Daniel Boese ist sich sicher, das die Bewegung der internationalen Klimaaktivisten jetzt schon größer und mächtiger im Einfluss ist, als es die 68er damals waren. Von »Occupy Wallstreet« bis »Democracia Real Ya!« hoffen dies zumindest einige, manche sind sich auch da sicher. Hier wie dort erfährt man über die klassischen Medien eigentlich so gut wie gar nichts davon…

 

Unser Fazit: Naiv? Und wie! Das brauchen wir!

Daniel Boeses Buch merkt man die Euphorie an. Er wird nicht müde über »Erweckungsgeschichten« zu berichten. Am liebsten darüber, wie viel versprechende, junge Studenten ihr Stipendium an einer amerikanischen Elite-Universität hinschmissen, um in Indien Aktionen am Rande des zivilen Ungehorsams für einen längst überfälligen Klimaschutz zu organisieren. Man merkt Daniel Boeses Buch an, wie sehr ihn die internationalen Treffen auf den Klimagipfeln euphorisiert haben müssen.

Vielleicht macht ihn das ein bisschen naiv. Vielleicht macht ihn das ein bisschen schwärmerisch. Vielleicht. Doch – seien wir ehrlich – wir alle lechzen nach solchen Heldengeschichten! Wir alle wollen sehen und hören, dass wir aus diesem System des immer mehr und immer schneller aussteigen können… und dass dieser Schritt nicht nur »erlaubt« ist, sondern sogar notwendig… dringend. Und wir wollen wissen – zumindest hoffen dürfen – dass der Mut, den wir dafür aufbringen müssen, sich lohnt.

Obwohl letztes auch dieses Buch – natürlich! – nicht beantworten und schon gar nicht beweisen kann, empfiehlt es sich meines Erachtens. Es verbreitert den schmalen (politischen) Blick aus und auf Deutschland. Er öffnet das Bewusstsein für einen Blick auf das Wohl der gesamten Welt. Einen Blick, den wir so dringend erreichen wollen, und der uns im ganzen Hickhack der Finanzkrise aber – Rettungsschirm um Rettungsschirm – abtrainiert wird. Unser Bewusstsein ist das des Knappen: von knappem Wohlstand, knappem Geld, knappen Ressourcen. Wer will da schon an das Wohl anderer denken, erst recht, wenn sie auf der anderen Seite der Erde sitzen.

Doch Boeses Buch macht einmal mehr klar: Wir können unsere Probleme nur gemeinsam lösen. Ja, mehr noch: Wir bekommen mehr, wenn wir teilen. Mehr Glück, mehr Freunde, mehr Geborgenheit, mehr Vertrauen, mehr Hoffnung – und einen weiteren Horizont.

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Bibliografische Angaben

Wir sind jung und brauchen die Welt
Daniel Boese, www.danielboese.de
ISBN 978-3-86581-252-0, 253 Seiten, 14,95 Euro
Oekom Verlag, www.oekom.de

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