Occupy Frankfurt: Im Schatten der EZB

Es ist kurz vor ein Uhr mittags, als unser Bulli ins Rotlichtviertel Frankfurts einrollt. Ganz in der Nähe liegt das Bankenviertel. Darin die EZB. Daneben das Camp von Occupy Frankfurt.

Es ist ein komisches Gemisch von Bankern und Luden, durch das wir uns unseren Weg in Deutschlands größtes Camp bahnen: Rund 200 Menschen haben es sich mit etwa 100 Zelten im Schatten des Euro-Zeichens eingerichtet. Es gibt ein Küchenzelt, Orga-Tafeln, einen Info-Stand und die obligatorische Protest-Kunst.

Ein kleines gallisches Dorf…

Das Zeltlager wirkt auf uns wie das kleine gallische Dorf von Asterix und Obelix. Es ist ein buntes Gewusel aus Okkupisten aller möglichen Nationen; Besuchern, die hier ihre Mittagspause verbringen und neugierig sind; Geschäftsleuten, die durch den Park zum nächsten Termin eilen; jeder Menge Journalisten, die zum Teil vergeblich versuchen, Interviews zu ergattern; und sogar einem »Medien-Mönch«, der eine Szene mit seinem Kamera-Team rund zehnmal probt, bis es sitzt. Doch nach einiger Zeit haben wir einen Überblick und sind auch sogleich in erste Gespräche verwickelt.

Einer der Okkupisten kommt mit einer Zeitung in der Hand auf uns zu. Er hält uns eine ganzseitige Anzeige einer Bank , die mit einer gestellten Occupy-Demo wirbt, unter die Nase. »Nun wollen sie schon mit uns Profit machen – das ist doch unglaublich«, schnaubt er. Wir stimmen zu – und haben schon den nächsten Interview-Partner gefunden. Sobald wir uns als Blogger zu erkennen geben – also nicht von »der Presse« – sind die Zeltbewohner beruhigt und gewähren uns Einblicke in ihre Gedanken und Organisationsstrukturen.

Die große Medienfrage

Und schon sitzen wir eine halbe Stunde später in einer »informativen Assamblea«, in der es um die Frage geht, wie die Frankfurter Bewegung mit den Medien umgehen möchte. Soll man zu Maybritt Illner und Co – oder lieber nicht? Und wenn – wie viele sollen gehen und wer? Die Bewegung ist noch unglaublich jung. Es gibt viele Fragen zu klären und Positionen zu beziehen. Doch das alles geschieht in den Assambleas nach direkt-demokratischen Prinzipien und in auffallend konstruktiver Weise.

Denn die Asambleas sowie das gesamte Camp-Leben folgen Regeln, die sich bereits in Spanien bewährt haben. Die Frankfurter haben sich von diesen nicht nur inspirieren, sondern auch beraten lassen: Mittlerweile wandern viele Spanier durch Europa, um in anderen Ländern und Städten Camps aufzubauen und ihr Wissen weiter zu geben.

Eine junge Frau erklärt uns vor der zentralen Info-Wand, wie die verschiedenen Arbeitsgruppen aufgeteilt werden und zusammen arbeiten. Und obwohl wir doch mächtig davon beeindruckt sind, wie gut das Zeltlager vor der EZB organisiert ist, winkt die junge Aktivistin lachend ab: »Echt? Hier läuft doch alles total chaotisch ab!«, meint sie und verschwindet zur nächsten Asamblea. Wir aber halten das ganze für ein gut organisiertes »Chaos«, steigen in unseren Bus und fahren weiter, Richtung Düsseldorf.

#OccupyFrankfurt
Asambleas: Täglich um 19.30 Uhr (meist auch um 12 Uhr)
Ort: Europäische Zentralbank (EZB)
URL: www.occupyFrankfurt.de
Livestream: www.livestream.com/occupyfrankfurt

Unser Dokumentarfilm: Occupy Me!

Nachdem wir in Hamburg im Camp waren, haben wir uns gefragt: wie sieht es eigentlich in den anderen Städten Deutschlands aus? Als wir die Menschen im Occupy Camp in Hamburg fragen, gab es nur Schulterzucken. Kurzerhand haben wir und einen VW-Bus ausgeliehen, haben eine Kamerafrau mit an Bord geholt und sind durch Deutschland gefahren – von Occupy Camp zu Occupy Camp. Frankfurt war nach Berlin, Zeulenroda, Leipzig und Stuttgart unsere fünfte und vorletzte Station. Wochen später – nach langen Nächten des nervenzermürbenden Filmschnitts – sehr ihr hier unser fertiger Dokumentarfilm über die Occupy Bewegung in Deutschland:

ilona

ist freie Jour­na­lis­tin, Publizistin, Projekt­ma­che­rin und Medienaktivistin. Seit über zehn Jahren schreibt sie Bücher, Blogposts, macht Podcasts, gibt Workshops und hält Vorträge. Zudem begleitet und berät sie öko-soziale Organisationen, Gemeinschaften, Künstler:innen, Kreative und Aktivist:innen bei der ganzheitlichen und nachhaltigen Planung und Kommunikation ihrer Projekte und Bücher.

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