„Trickle Down Effect“ war ja immer das Lieblingsversprechen, wenn es darum ging, der breite Masse zu beruhigen, die unter Marktliberalisierungen, Abbau von Staats- und Sozialleistungen und der so genannten Globalisierung bzw. dem Wettbewerb der Nationen zu leiden hatte. Das Versprechen war, dass der Reichtum, der von den oberen Zehntausend durch diese Maßnahmen angehäuft werden kann, nach einiger Zeit „nach unten“ tröpfeln würde – alle würden dieser Theorie entsprechend über kurz oder lang von einem steigenden Wohlstand profitieren.
Soweit die Theorie. Das die noch nie so richtig funktioniert hat sei mal außer Acht gelassen – nun aber scheint der sich selbst regulierende Markt genau umgekehrt zu funktionieren: Die oberen Zehntausend verspekulieren ihr Geld – und die (vergleichsweise oder tatsächlich arme) Mehrheit zahlt ihnen dafür Steuergeld. Zugegebenermaßen ganz platt formuliert – aber so erscheint es wohl doch den meisten. Und was tut man in solch einer Situation, in der man das Gefühl hat, abgezockt zu werden? Was tut man, wenn man feststellt, dass anscheinend genau diejenigen die Regeln für eine angeblich krisenfreie und gerechtere Zukunft aufstellen sollen, die uns diese Krise überhaupt erst eingebrockt haben (siehe dazu auch die Meldung „Bock oder Gärtner“ vom 1. März 09)?
Der Internationale Währungsfond befürchtet jedenfalls Ausschreitungen und Unruhen. Die Stimmung in den Foren, Blogs und auch hier bei uns werden wütender. Radikalere Schritte gegen die Ungerechtigkeiten und für eine bessere Welt werden gefordert (siehe Kommentare auf den Beitrag „Revolution und dann?“ vom 8. Feburar 09). Diese Wut ist nachvollziehbar – aber bringt sie uns weiter? Sicherlich, Wut ist ein guter Motivator. Sie könnte in der kommenden Zeit noch einige dazu bringen, sich zu engagieren, die dies bislang noch nicht für notwendig gehalten haben. Doch was wäre denn radikal? Was wäre sinnvoll? In welche Richtung sollen die Wütenden marschieren? Gibt es denn ein „richtiges Leben im Falschen“?
Radikal im Sinne von couragiert
Wir haben uns mal unsere Gedanken gemacht – eigentlich bereits schon lange vor der Krise und wie haben für uns die Frage auch eigentlich schon lange vor der Krise beantwortet: Für uns kann die Antwort auf Ungerechtigkeiten nicht in Angst und Wut liegen – sondern nur in Optimismus und Mut. Radikal wäre das „nur“ in dem Sinne, dass man sich traut, sich selbst zum Außenseiter zu machen (was wir beide nicht tun – zugegeben!). Radikal heißt für uns nicht brutal. Radikal heißt für uns viel mehr „Zivilcourage“ zeigen – auch da, wo es unbequem wird – und Menschen nicht nach Geld und Status zu beurteilen, sondern nach zwischenmenschlichen Werten.
Das hört sich sicherlich für viele zunächst sehr zahm an und erinnert an die andere Wange, die man hinhalten soll – das christliche Prinzip eben. Doch sind wir überzeugt, dass nur dies die einzig richtige Veränderung sein kann – nur, wenn sich jeder einzelne im Kleinen ändert, kann eine große Veränderung vor sich gehen. Jesus, Ghandi und andere gewaltfreie „Aktivisten“ haben gezeigt, dass dieser Weg sehr wohl erfolgreich sein kann.
Gene Sharp und der Weg zur Demokratie
Ein Blick in das Buch „Von der Diktatur zur Demokratie“ von Gene Sharp – das eigentlich erörtert, wie Diktaturen gestürzt werden können, aber dennoch Gedankenanregungen enthält, die auch uns weiter bringen könnten – zeigt, dass Gewaltfreiheit nicht nur eine Frage der Religiosität ist. Es will die Frage beantworten, wie wir eine Gesellschaft als Einzelperson verändern können ohne dazu auf Politiker und andere Eliten zu hoffen und mag damit unsere Überlegungen vielleicht stützen:
Sharp geht darin bspw. analytisch den Faktoren nach, die eine Diktatur stützen und kommt zu dem relativ nahe liegenden Schluss: es sind natürlich die Menschen, die Bevölkerung. Guerillakriege, Revolutionen und ähnliche gewaltsame Veränderungen hält der Autor anhand der bislang gesammelten Erfahrungen für wenig Erfolg versprechend. Erstens, weil derlei Bewegungen die Diktatur genau dort anzugreifen versuchen, wo sie am stärksten ist. Und zweitens, weil sich – wenn solche Aktionen dennoch erfolgreich waren – nach solchen Prozessen in aller Regel ähnlich starke Hierarchien wieder etablieren wie unter der Diktatur selbst, um die junge Macht zu schützen. Das gleiche System schleicht sich also wieder ein, nur eben unter anderen Vorzeichen.
Sharp sieht deshalb in der Bevölkerung die beste „Waffe“ gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit. Nicht Aggression und Gewalt kann nach seiner Analyse zum Erfolg führen – sondern nur Solidarität, Gemeinschaft und (ganz wichtig) der Glaube an den Erfolg. Sicher, unser „Problem“ ist, dass die meisten Menschen – anders als bspw. in Diktaturen – nicht das Gefühl haben, dass sie ihr Leben, ihre Bequemlichkeit und ihr Ansehen für ein Engagement opfern sollten. Der „Leidensdruck“ ist quasi noch nicht groß genug – und nicht wenige hoffen derzeit ja, dass dieser durch die Finanzkrise endlich groß genug werden würde.
Du bist nicht allein
Wahrscheinlich ist dem auch so – jedenfalls wenn man dem IMF glauben schenken darf (s.o.). Doch muss uns allen klar sein, dass solche Situationen bisher schon immer von Rädelsführern genutzt wurden, um die Massen aufzuhetzen. Davor sollten wir in diesen Zeiten auf der Hut sein. Es nutzt nichts, die Politik zu verteufeln – denn sie ist unsere einzige Alternative, unsere Gesellschaft und die Welt gerechter und nachhaltiger zu gestalten.
Viel wichtiger ist es statt dessen wohl, den Menschen, die bereits zweifeln oder die verzweifeln, zu zeigen, dass sie nicht alleine sind. Die Massenmedien arbeiten ja mit allen Tricks, um bestimmte Meinungen als die angeblich „öffentliche Meinung“ (also das, was die meisten Menschen denken) darzustellen. Und die meisten Menschen sind nun mal so gestrickt, dass sie – zumindest öffentlich – nur die Meinung vertreten, die allgemein akzeptiert zu sein scheint. Deshalb kommt es gerade jetzt schon darauf an, zu seinen Überzeugungen zu stehen – auch wenn dies bedeutet, lächerlich gemacht zu werden – und diese so laut und vernehmlich wie möglich zu äußern.
Die Partei Die Guten…
In diesem Sinne freuen wir uns über eine neue Partei: Die Guten.
Wir, die Guten, sind eine Vereinigung politisch engagierter Bürger, die nicht länger mit ansehen wollen, wie unsere Republik schleichend in ein totalitäres System der Lobbywirtschaft umgewandelt wird. Wir möchten mit so vielen Menschen wie möglich Kontakt aufnehmen (und auch halten), die sich die Zeit nehmen wollen, mit uns zu diskutieren, zu debattieren und hoffentlich auch einiges zu ändern, heißt es auf ihrer Website.
Sehr viele Infos zur Partei konnte ich leider noch nicht herausfinden. In ihrem Forum wird schon fleißig diskutiert und das Grundsatzprogramm scheint auch ganz vernünftig zu sein. Wer also momentan total unzufrieden ist, aber nicht so genau weiß, was er wie machen kann: nehmt doch schon mal Kontakt auf zu den Engagierten aus Jena.
Viele weitere Ideen könnte übrigens auch eine Liste am Ende des bereits erwähnten Buches von Gene Sharp liefern: Unter der Überschrift „Die Methoden gewaltlosen Vorgehens“ reiht er acht Seiten lang Vorschläge auf – von Sit-ins oder Stand-ins über öffentliche Reden, Scheinwahlen, Zerstörung des eigenen Eigentums, Fasten und Hungerstreiks bis hin zu Beschwerdebriefen, Protestpublikationen oder Blockaden (um nur einige zu nennen).
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