1,531 Billionen US-Dollar wurden laut Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) 2009 ausgegeben. Dabei gibt es Alternativen: Rund 240 sogenannte Friedensfachkräfte des Zivilen Friedendienstes in aller Welt, um die Menschen vor Ort in ihrem Kampf um Gerechtigkeit – und damit Frieden – zu unterstützen. Oder sie leisten Friedensarbeit nach gewaltsamen Konflikten, in dem sie helfen, die schlimmen Erlebnisse aufzuarbeiten. Jürgen Deile ist Koordinator des ZFD beim Evangelischen Entwicklungsdienst und einer der beiden Sprecher des Konsortiums ZFD – und er erzählt im Interview Genaueres…
Am Anfang des ZFD stand die Frage, wie kann man militärische Interventionen verhindern kann, in dem man zivilgesellschaftliche Arbeit leistet. Welche Alternativen gibt es ?
Durch den Golfkrieg, die Einsätze von Militär in Somalia, den Völkermord in Ruanda und die Kriege auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens einerseits und das friedliche Ende der Apartheid in Südafrika andererseits wurde in den 90er Jahren die Diskussion um zivile Alternativen zu militärischem Handeln von Friedens- und Entwicklungsdiensten verstärkt geführt. Die evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg ergriff 1991 die Initiative und forderte einen zivilen Friedensdienst als „zweite Sicherheitspolitische Option“. 1996 formierte sich ein von Entwicklungs- und Friedensdiensten getragene Gesprächskreis „Konsortium Ziviler Friedensdienst“ dessen parteienübergreifende parlamentarische Initiative nach der Bundestagswahl 1998 durch ein vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung aufgelegtes Programm „Ziviler Friedensdienst“ aufgegriffen wurde.
Das Ziel des „Gerechten Friedens“ bedarf der Unterstützung der Menschen in von Kriegsgewalt bedrohten oder geplagten Gesellschaften ebenso wie das Engagement in unserer eigene Gesellschaft. So sehen Friedens- und Entwicklungsdienste einen Zusammenhang von deutschen Rüstungsexporten und Verheerung weltweit. Durch den Zivilen Friedensdienst haben Menschen die Möglichkeit, solidarisch mit Partnerorganisationen am gerechten Frieden zu arbeiten und das Erlebte in die eigene Gesellschaft zurückbringen. Ein Grund dafür, dass die Entwicklungs- und Friedensdienste die Vermittlung von Fachkräften im Rahmen des Entwicklungshelfer-Gesetzes ins Zentrum des „Zivilen Friedensdienstes“ stellten.
Wie kann man sich das vorstellen: Wann treten Sie in Aktion? Denn Sie sind ja nicht in allen Ländern, in denen es Krisen oder Konflikte gibt, tätig?
Wir verstehen den ZFD als ein Gemeinschaftsprogramm, welches von zivilgesellschaftlichen Trägern und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung getragen wird. Die Träger schlagen dem Ministerium ZFD Maßnahmen vor. Das Ministerium prüft diese Maßnahmen und bei Bewilligung werden sie von diesem auch finanziert. Dabei verantworten dann die Träger die gesamte operative Umsetzung der ZFD Maßnahmen. Das Ministerium gibt also nicht vor, wie, wo und wann der Zivile Friedensdienst genau agieren soll. Die Träger arbeiten mit spezifischen Partnerorganisationen zusammen und bilden so insgesamt das Profil des ZFD. Über die Weiterentwicklung des ZFD Programms und seines Profils findet zwischen den Trägern und dem Ministerium ein regelmäßiger Austausch statt.
So erklärt sich auch, warum wir nicht überall mit dem ZFD tätig sind: Es gibt unterschiedliche Träger mit unterschiedlichen Gewichtungen. Zum Beispiel ist in Afghanistan nur die GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH) – also der frühere DED (Deutscher Entwicklungsdienst) im ZFD Programm aktiv. Diese Arbeit der GIZ zielt auf eine Stärkung der afghanischen Zivilgesellschaft. Nichts desto trotz gibt es unter den Trägern unterschiedliche Vorstellungen darüber, ob es ratsam ist während eines Militäreinsatz vor Ort zu arbeiten oder nicht. Im DED bzw. der GIZ wurde sich dafür entschieden in Afghanistan zu arbeiten – alle anderen Träger des ZFD tun dies nicht.
Auch ist der ZFD kein schnelles Eingreif-Programm: Sein Erfolg beruht auf gewachsenen, vertrauensvollen Beziehungen zu Partnerorganisationen – deren Friedensarbeit der ZFD ja letztlich auch unterstützt. Daher kann der ZFD schwerlich durch z.B. aktuell auftretende außenpolitische Erwägungen verpflanzt werden und dann erfolgreich gedeihen.
Was bedeutet das konkret? Welche Aufgaben und Einsätze führen die ZFD-Träger durch?
Die Aufgaben der Träger sind, wie gesagt, verschiedenen. PBI (Peace Brigades International) – einer unserer Träger im ZFD – verfolgt zum Beispiel in den unterschiedlichen Ländern gleiche Aufgaben: Die PBI-Friedensfachkräfte schützen Menschenrechtsaktivisten durch ihre Begleitung. Das ist sehr organisationsspezifisch.
Bei der GIZ gibt es zum Beispiel eine stärkere Orientierung an Rahmenabkommen mit Partnerländern. Bei den Entwicklungsdiensten der evangelischen und katholischen Kirche finden sich wiederum enge und langjährige Verbindungen zu ihren ökumenischen Partnerorganisationen in Übersee. Partnerorganisationen werden im ZFD durch Fachkräfte bei ihren Anstrengungen unterstützt, Gewalt zu überwinden. Dazu werden z.B. psychologische Beraterinnen für die Traumabearbeitung, Juristen für die Aufarbeitung von Unrecht, oder auch Fachleute zur Organisationsberatung oder zu gewaltfreier Kommunikation vermittelt.
Dabei prüfen alle Organisationen jeweils vor jeder Personalvermittlung , ob eine Friedensfachkraft auch sinnvoll ist – oder zum Beispiel eher Beratung oder eine finanzielle Förderung die Partnerorganisation angemessen unterstützt.
Sie unterstützen also vor allem Organisationen vor Ort. Wieso diese so wichtig für den Frieden in einem Land?
Ja, das ist richtig. Wir wollen nicht intervenierend von außen eingreifen, sondern lokal vorhandene Initiativen unterstützen. Das können größere Organisationen sein, etwa große kirchliche Verbände als Partner der katholischen Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe oder landesweite Programme von Kirchenräten wie beim Evangelischen Entwicklungsdienst.
Aber auch staatliche Einrichtungen wie bei der GIZ. Aber es gibt auch typische Graswurzelbewegungen, lokale Initiativen mit denen z.B. EIRENE, der Weltfriedensdienst oder die Kurve Wustrow eng zusammenarbeiten. Allen Trägern ist dabei bewusst, dass die ZFD Partnerorganisationen auch stark genug sein müssen, um eine ausländische Friedensfachkraft integrieren zu können – schließlich wollen wir keine Organisation mit unseren Fachkräften dominieren.
Das heißt die Steuerung, die Einbettung und auch die Bestimmung der Ziele der Arbeit unserer Friedensfachkräfte muss von den Partnerorganisationen vor Ort kommen. Das ist unser Credo: Friedensentwicklung ist nicht nachhaltig, wenn sie nicht von den Leuten vor Ort getragen wird. Frieden kann nur aus der Bevölkerung vor Ort kommen und nicht von außen aufgesetzt werden.
In Kamerun ist die Perspektivlosigkeit der Jugendlichen zum Beispiel ein Wahnsinnskonflikt. Dort unterstützen wir mit dem ZFD Organisationen, die diesen Konflikt friedlich und mit zivilgesellschaftlichen Mitteln bearbeiten.
Wobei es uns nicht um die Vermeidung von Konflikt geht. Konflikte sind an sich ja nichts Schlechtes. Sie sind im Gegenteil ja sehr wichtig, um Gerechtigkeit und damit Sicherheit zu erreichen. Aber für die Menschen ist entscheidend, dass diese Konflikte mit demokratischen Mitteln ausgetragen werden – und nicht mit Gewalt und militärischen Instrumenten. In vielen Ländern gibt es Initiativen, die genau dies versuchen. Diese gilt es durch den Zivilen Friedensdienst zu unterstützen.
Das leitet vielleicht über zur nächsten Frage: Ab wann ist Ihre Arbeit nicht mehr möglich und ab wann ist denn Ihrer Ansicht nach eine militärische Intervention notwendig?
Für uns ist die militärische Intervention nicht die Fortsetzung des zivilen Friedensdienstes – menschliche Sicherheit ist unser Thema. Und menschliche Sicherheit schafft man vor allem über Gerechtigkeit. Grundsätzlich haben wir sehr viel mehr Anfragen nach Fachkräften des Zivilen Friedensdienstes als wir bedienen können, sodass sich unsere Träger auch sehr viel mehr Aufgabenbereiche vorstellen könnten, als zu bewerkstelligen in der Lage sind. Der ZFD ist mit 30 Millionen Euro pro Jahr ein relativ kleines Programm.
Deshalb ist für uns nicht die Frage, bis wohin wir gehen können – wir arbeiten auch in Regionen, in denen es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommen kann, etwa im Kongo, oder in Post-Konfliktregionen in denen deutlich ist, dass Nach-Konflikt Regionen schnell zu Vor-Konflikt Regionen werden können. Wir arbeiten also überall dort, wo wir Partnerorganisationen mit unseren zivilen Friedensfachkräften stärken können. Das ist unsere Messlatte, die aber jede Organisation in ihrem eigenen Setting noch mal prüft und anwendet.
Man kann sich als Friedensarbeiter qualifizieren lassen – was macht man da genau?
Ja, das Forum ziviler Friedensdienst bietet mit seiner Akademie für Zivile Konfliktbearbeitung im Rahmen des ZFD ein Ausbildungsprogramm an. Viele Träger rekrutieren dort auch oder nutzen das Angebot zur Vorbereitung ausreisender Friedensfachkräfte. Doch für die meisten Träger ist diese Ausbildung keine Voraussetzung.
Wichtiger sind die Fähigkeiten, die durch die Anforderungen in Übersee beschrieben werden – also das, was sich die Partnerorganisationen wünschen Das Spektrum der Qualifikationen von Friedensfachkräften ist sehr breit: entscheidend ist der Bedarf der Partnerorganisation. Das fängt an bei der pädagogischen und psychologischen Arbeit und reicht über Menschen, die Organisationen in ihrer Struktur stärken können – also zum Beispiel Betriebswirte – bis hin zu Menschenrechts-Expertinnen. Der Bedarf ist in der Regel auch mit mehrjähriger beruflicher Erfahrung verbunden und natürlich wird persönliche Reife vorausgesetzt. Aktuelle Stellenausschreibungen können auf den Internetseiten der Träger eingesehen werden.
Vielen Dank für das Gespräch!
Weitere Informationen zum Zivilen Friedensdienst findet man unter: www.ziviler-friedensdienst.org
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