Seit über zehn Jahren bin ich Journalistin. Ich gehöre nicht zu denen, die von vornherein angetreten sind, die Welt investigativ zu verbessern. Ich bin da irgendwie so rein gerutscht. Dennoch kommt der Murdoch-Skandal für mich nicht total überraschend. Auch wenn ich mir die Ausmaße zuvor nie habe so richtig vorstellen wollen. Doch aus der Praxis weiß sicherlich jeder Journalist, wie weit allein schon die Vermischung von PR und Journalismus fortgeschritten ist: so weit, dass vielen gar nicht mehr auffällt, wo die Grenze verläuft… auch nicht den Journalisten.

Wenn ich von Kollegen höre, dass sie Pressemitteilungen von Pharmakonzernen zu „redaktionellen Beiträgen“ umschreiben müssen (oder sonst ihren Job verlieren). Wenn ich höre, dass renommierte Verlage freien Journalisten raten, doch Interviewpartner zu erfinden (die können wenigstens nicht klagen). Wenn ich erlebe, wie PR-Vertreter ganz selbstverständlich davon ausgehen, dass ein Deal á la Anzeige-gegen-positive-Berichterstattung „ihr gutes Recht“ ist. Wenn ich höre, dass die Bewegung gegen Stuttgart21 „trotz der Medienberichterstattung“ entstanden ist… dann frage ich mich, wie man in diesem Land guten Gewissens Journalist bleiben kann.

Sicher, es gibt sie – die aufrechten Journalisten, die in investigativer Detailarbeit Skandale aufdecken. Aber könnten die ihren Lebensunterhalt sichern, wenn die Verlage sie nicht mit Tausenden von PR-bereiten Journaliste querfinanzieren würden? Sicher, viele richten ihre Hoffnung auf die ach-so-unbefangenen Blogger – oder gar auf die Schwarmintelligenz der Microblogging-Community… Doch scheint mir eine solche „Institution“ als vierte Macht im Staat zu vage und unsicher (auch wenn ich selbst leidenschaftliche Bloggerin bin und die Offenheit des Internet als absolute Bereicherung erlebe).

Können NGOs den kritischen, aufdeckenden Gegenpol bilden? Sie haben zwar in der Regel die Strukturen und Budgets – doch welche Verkrustungen, Abhängigkeiten von Spendern und öffentlichen Geldern bestehen hier? Und ist es nicht eigentlich ihre Aufgabe zu Polarisieren – und nicht möglichst objektiv die Welt zu beschreiben, wie das eigentlich die Aufgabe der Journalisten sein sollte?

Wir denken vielleicht unbewusst „Ach in Deutschland würde so etwas nie passieren!“ Aber stimmt das? Hätten wir nicht auch gedacht, dass unsere Polizei niemals illegal unsere Handy-Daten ausspähen würde – und ist es nicht dennoch passiert? Woher wissen wir, wie bei uns im Land die Verflechtungen zwischen Presse, Wirtschaft, Polizei und Politik verlaufen? Woher wussten die Journalisten zum Beispiel schon vorab von der Verhaftung Zumwinkels, des ehemaligen Geschäftsführers der Deutschen Post? Wie konnte so manche eigentlich geheime Ermittlungsinformation im Fall Kachelmann in die Presse gelangen?

In Deutschland fragt man lieber nicht genauer nach… schon gar nicht, wenn man Journalist ist (und auch künftig noch seinen Lebensunterhalt damit verdienen will). Und so beginnt sich die Katze in den Schwanz zu beißen. Aber wo bleibt da unsere Theorie von der Demokratie? Wo bleibt die vierte Macht im Staat, die die „Dreiheiligkeit der Gewaltenteilung“ kontrolliert, hinterfragt, bewacht und überführt? Wie kann die „freie Austragung von Interessenskonflikten“, die ja essentiell für eine Demokratie ist, funktionieren, wenn es niemanden mehr gibt, der „frei“ abwägen kann – wenn nur noch der Starke – will heißen: Finanzkräftige – dominiert?

Vielleicht wird der eine oder andere „erwachsene Realpolitiker-Mensch“ nun achselzuckend denken „Ach Schätzchen, so ist das Leben halt“ und weiter machen. Dem kann ich aber nur entgegen halten: ja, genau weil Du das denkst, ist es so! Und was meint Ihr? Welche Erfahrungen habt Ihr Journalisten unter unseren Lesern? Wie erlebt ihr das als Nicht-Journalisten? Welchen Medien und Menschen traut ihr? Wie bildet ihr Euch eine Meinung? Würde mich sehr freuen, Feedback von euch zu erhalten…

Übrigens: Es gibt eine ganz interessante Dokumentation zur Verflechtung von PR & Journalismus vom Netzwerk Recherche: http://bit.ly/rpBhmP. Außerdem möchte ich noch mal auf die Sendung ZAPP hinweisen, die zum Teil sehr gute, aufklärerische Beiträge zur Pressekritik bringt: www.ndr.de/zapp

Und noch der obligatorische Hinweis zum Bild: Danke an Jeanne Müller, pixelio.de