Bei den Streifzügen durch das Netz stößt man immer wieder auf Kurioses und Denkwürdiges. Und gerade wenn es um Texte geht, die sich mit Medien beschäftigen, sich sozusagen selbst reflektieren, wird es ganz besonders spannend.
So ging es mir, als ich eben auf Seiten des Niedersächsischen Bildungsservers stieß, die sich kritisch mit dem Thema Medienkritik beschäftigen. Der Autor holt hier zu einem Rundumschlag gegen unterschiedlichste Formen der Kritik aus und stellt diese gleich in der Einleitung als eine Art verquasten Irrtum dar, der schon fast an die Grenzen der Hysterie zu reichen scheine. Grund genug der Kritik an der Kritik noch einige kritische Bemerkungen hinzuzufügen.
Die Website ist als Quelle und Inspiration für „Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, Eltern und andere Gruppen“ gedacht, wie man unter dem Menüpunkt „Zielgruppen“ lesen kann. Sie vermittelt „Medienkompetenz“ und soll wohl auch ein umfassendes „Medienverständnis“ vermitteln. Ganz genau lässt sich das nicht sagen, da die Texte insgesamt eher unpersönlich und an niemand gerichtet wirken. Das Ganze hat eher mehr vom Dozieren als vom Kommunizieren. Direkt kommentieren kann man jedenfalls nicht.
Medienkritik ist stereotyp
Gleich in der Einleitung wird der Leser auf die großen Irrtümer eingestimmt, der die Medienkritik (anscheinend im Allgemeinen) unterliegen soll. Zunächst gibt es einige eher krude Behauptungen, die den Kritikern in den Mund gelegt werden. Danach werden diese gleich wieder aufgelöst: „Diese Argumentation steht in einer langen Tradition.
Seitdem das Lesen nicht mehr einer kleiner Schicht vorbehalten war, wurden Probleme des Medienkonsums mit Vorliebe als Sucht definiert und in Begriffen der Diätlehre diskutiert.“ Kritik an den möglichen Auswirken medialen (Dauer)konsums werden so mit der flachen Hand abgebügelt, später als antiquiert und sogar naiv dargestellt.
Dabei muss man kein Kritikerkritiker sein, um zu erkennen, dass unser gesamtes Leben durch den Zuwachs an Informationen eine neue Qualität bekommen hat: Wir konsumieren schneller, denken schneller, entscheiden schneller uswusf. Nur selten habe ich wirklich einseitige, oberflächliche oder gar „stereotype“ Medienkritik gelesen – höchstens bei denjenigen, die sich sonst nicht stark mit dem Thema auseinandergesetzt haben; wobei diese ohnehin lieber konsumieren als analysieren.
Aber das ist ihr gutes Recht. Natürlich, unbestritten. Die Kritik an der Medienqualität sollte man vielleicht auch lieber an diejenigen richten, die Medien machen und die für die Inhalte verantwortlich sind. Denn sie sind es, die unsere Realitäten formen. Wer war denn schon mal persönlich in Afghanistan oder an der somalischen Küste etc. und konnte sich ein eigenes Bild machen? Unser Weltbild ist nun mal das Ergebnis der Weltsicht, die uns die Medien vorgeben.Und das hat schon Konsequenzen…
Amüsieren wir uns doch nicht zu Tode?
Der eigentliche Text steigt genau da ein, wo Kritiker ohne akademischen Anspruch vielleicht schon wieder aufhören: bei Neil Postmans Klassiker „Wir amüsieren uns zu Tode“. Die in dem Buch vorgebrachten Argumente gegen den gesellschaftsunkritischen Umgang mit den Medien werden als fundamentalistisch ausgedeutet und der kritikkritische Autor stellt die pikante Frage, ob es denn reiche, sich in der Konsequenz in ein „selbstgenügsames, auf sich selbst gestelltes Leben in der Natur“ zurück zu ziehen, oder ob man nun mal nicht mit der Zeit gehen müsse: „Falls dieser Rückzug in die Natur jedoch keine realistische Alternative ist, dann kann man sich auch nicht aus den weltumspannenden Informationsnetzen verabschieden, die den weltweiten Verflechtungen von Politik, Wirtschaft und Ökologie entsprechen.“
Auch wenn das Beispiel bei Postman – hier handelt es sich eher um ein Zitat – drastisch klingt, so kann es doch keine argumentative Hebelkraft entwickeln, geht es dem Autor doch vielmehr um eine Reflexion dessen was wir mit Medien und die Medien mit uns anstellen. Wer sich die Inflation an zweit-, dritt- und sogar viertklassiger Unterhaltung allein im Fernsehen ansieht, der dürfte sich zwar nicht zurück in die finsteren Höhlen unserer Vorfahren wünschen, dafür aber durchaus einmal kurz zurücklehnen, um aus der Entwicklung eine Tendenz abzulesen.
Ja, unsere Medien werden anspruchsloser
Ja, wer sich den ganzen Tag mit trivialer Unterhaltung beschäftigt, wird eine andere Sichtweise auf die großen Temen haben, als jemand der sich intensiver damit auseinandersetzt. Die Kommerzialisierung der Information hat in den letzten 20 Jahren ein Ausmaß erreicht, dass uns durchaus vor die Frage stellt, ob wir uns hier nicht zu Tode amüsieren – vielleicht nicht durch den direkten Einfluss (den hält man gewiß eine Weile aus), auf jeden Fall aber durch das Desinteresse, dass wir durchaus bedrohlichen gesellschaftlichen Veränderungen entgegen bringen. Man muss gar nicht in die Kiste greifen, um Beispiele zu finden. Man braucht die Glotze nur mal am Abend einschalten und durch die Sender zappen.
Doch der Text sieht im gängigen Mediendiskurs eine Ansammlung von Plattitüden, die in ihrer Substanz nicht greifen. Ob in dem besagten Buch oder ganz allgemein. Die Kritik gäbe sich radikal, bleibe jedoch an der Oberfläche, sie sei geschichts- und kontextblind, hier zumeist technikzentriert (Stichwort: Epilepsie unterm Datenhelm), träfe die Realität der Informations- und Mediengesellschaft nicht und eröffne keine pädagogischen Handlungsmöglichkeiten, sondern reduziere sich auf eine sterile Verweigerung…
Die Lösung, so steht es dort: „Medienpädagogik wird nur dann eine Chance haben, wenn es gelingt, die Schule vom Postman-Syndrom einer kontext- und geschichtsblinden Medienkritik zu kurieren.“ Was beim Leser so ankommt, als sei eine Kritik gerade an eben diesem gesellschaftlichen und geschichtlichen Kontext ebenso zu verpönen. Das es hinreichend Beispiele für (gravierende) Fehler gesellschaftlicher und geschichtlicher Entwicklungen gibt, und das es geradezu existenziell ist, aus diesen Fehlern zu lernen, klingt noch nicht richtig durch.
Nostalgie ist naiv!
Der nächste Angriffspunkt richtet sich gegen
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