Seit Jahren steigen die Krankenkassenbeiträge, wachsen die Möglichkeiten der medizinischen Versorgung – doch stehen dem meist keine gleichwertigen Verbesserungen für die Menschen gegenüber. Die einen sind übertherapiert, die anderen unterversorgt. Was stimmt da nicht? Das Buch >>Gesundheit ist keine Ware<< analysiert die aktuelle Situation.

Gesundheitssystem: Wozu?

Wie kam es eigentlich dazu, dass aus unserer Gesundheit eine Ware wurde – dass krank sein zum Wachstumsmotor mutierte… und wer nicht genug krank ist, um die Wirtschaft anzukurbeln, eben einfach dafür erklärt wird? Diese Frage klingt vielleicht polemisch und ist natürlich so nicht in jedem Fall zutreffend. Doch die Entwicklung geht in diese Richtung – und das ist das erschreckende.

Die Autoren Arndt Dohmen, Manfred Fiedler, Werner Rätz und Werner Schüßler beschreiben und analysieren in ihrem Buch >>Gesundheit ist keine Ware<< die Entwicklungen der letzten Jahre. Im ersten Abschnitt geht es um die allgemeinen Veränderungen in unserem Gesundheitssystem – wie kam es zu der Spaltung zwischen Privat- und Kassenpatienten? Warum wird der Einzelne eigentlich zunehmend als der >>Manager<< und damit Verantwortliche für seine eigene Gesundheit und Fitness dargestellt – und nicht sein Arzt oder Krankenhaus?

>>Dabei ist Gesundheit nicht nur eine Frage des persönlichen Lebensstils, sondern auch des sozialen Status<<, erklären die Autoren und ziehen Studienergebnisse dafür heran: Obwohl in Japan sehr viel mehr Männer rauchten als in Deutschland oder Großbritannien, litten dort nur sehr weniger an Herzerkrankungen. Der Grund aus Sicht der Autoren: Große soziale Ungleichheit verursache Stress und weil in Japan weniger soziale Ungleichheit herrsche als in den anderen genannten Ländern, seien die Männer dort auch gesünder.

Neue Medikamente, neue Krankheitsbilder

Obwohl dies natürlich eine gewagte These ist (die bessere Gesundheit könnte ja schließlich auch daran liegen, dass Japaner mehr Fisch, Reis und Gemüse essen als Schweinshaxen und Sauerkraut), stimmt die Richtung natürlich schon. Wobei ein hoher sozialer Status – und die damit einhergehende private Krankenversicherung – keineswegs ein Garant für eine längere Lebenserwartung zu sehen ist.

Denn wo Gesundheit zur Ware wird, muss in einem System des unbegrenzten Wachstums auch die Nachfrage nach selbiger stetig gesteigert werden – kranke Menschen müssen also her. Im Zweifelsfall werden daher Krankheiten dramatisiert und übertherapiert. Diverse Fälle sind bekannt und schon des öfteren durch die Medien gegangen.

Bedrohung Krankenhaus

Im zweiten Abschnitt ihres Buches gehen die Autoren daher auch folgerichtig dem Wirtschaftsbetrieb >>Krankenhaus<< auf den Grund – und dessen Bedrohungspotential. Sie schildern wie das 2004 eingeführte Diagnosis Related Group-System – kurz DRG – einen wahren Teufelskreislauf in Gang gesetzt hat:

Das DRG belohnt bestimmte Behandlungsverfahren, indem dafür mehr Punkte abgerechnet werden können. Das führt logischerweise dazu, dass Ärzte und Krankenhäuser – nicht nur aus reiner Profitgier, sondern weil sie als Wirtschaftsunternehmen eben einfach rentabel >>wirtschaften<< müssen – teurere Behandlungsmethoden einsetzen … und abrechnen müssen.

Das wiederum führt wiederum dazu, dass einfachere und dennoch ausreichende Behandlungsmethoden schlicht einfach nicht mehr angewandt werden. Der eklatante Anstieg von Knie- und Bandscheibenoperationen ist wohl jedem bekannt und ist Produkt dieser Entwicklung. Das Buch listet noch viele weitere, detailliertere Folgeerscheinungen auf.

Generell gesprochen heißt das jedoch: Die Kosten für unser Gesundheitssystem müssen steigen, so wie es derzeit angelegt ist… Den Ärzten in ihren Praxen geht es nicht anders, wie das dritte und letzte Kapitel beschreibt. Auch hier tobt der >>Klassenkampf<< im Wartezimmer. Auch hier besteht die Zerreißprobe zwischen ethischem Auftrag und kaufmännischem Kalkül…

Das Fazit

Wer sich detaillierter mit der Misere unseres sogenannten Gesundheitssystems auseinander setzen möchte, der findet in dem schmalen Bändchen der vier Autoren einen guten und unterhaltsam geschriebenen Einstieg. Wer Lösungsvorschläge erwartet, wird jedoch enttäuscht: Dieser Aspekt wird in dem kleinen Büchlein nach meinem Geschmack ebenso vernachlässigt wie der Blick in andere Länder und deren Situation.

 

Bibliografische Angaben

Gesundheit ist (k)eine Ware
Arndt Dohmen / Manfred Fiedler / Werner Rätz / Werner Schüßler
Wenn Geld die Medizin beherrscht!
Ursachen – Folgen – Alternativen
AttacBasisTexte 43
96 Seiten | 2013 | EUR 7.00
ISBN 978-3-89965-564-3
http://www.vsa-verlag.de

 

Bild-Credit: Vielen Dank für das schöne Bild mit dem roten-Kreuz-Aufkleber auf der grünen Wand von Peter Franz (via Pixelio).