Globales Denken und regionale Initiative

Scheitern der Weltpolitik: Der Klimagipfel von Kopenhagen ist gescheitert.

Zwei Wochen lang verhandelten die Regierungen der Staaten unserer Welt um eine Einigung, um uns vor den Folgen einer globalen Klimakatastrophe zu bewahren – oder diese Folgen zumindest durch beherztes Eingreifen so weit einzudämmen, wie es derzeit noch möglich ist. Doch statt rechtlich verbindlicher Abkommen lieferte der Kopenhagener Gipfel windelweiche Versprechungen, eine Not-Einigung auf das 2-Grad-Ziel, das zwar immerhin ein Schritt in die richtige Richtung ist, aber ohne Verbindlichkeit für die Initiativen und Zielsetzungen der einzelnen Staaten daherkommt.
Im Grunde sind wir genauso weit wie vorher – jeder weiß, dass der Klimawandel aufgehalten werden muss oder sollte, jeder weiß, dass wir eigentlich an einem Punkt angelangt sind, an dem uns die Zeit davonläuft, um noch etwas zu ändern. Und trotzdem kann sich die globale Politik nicht darauf einigen, an einem Strang zu ziehen, der für uns alle die letzte Rettungsleine ist, um uns aus dem Sumpf der Klimakatastrophe noch soweit herauszuziehen, dass wir wenigstens noch atmen können.

Unvorhersehbare Konsequenzen

Dabei könnte man meinen, alle Beteiligten hätten mehr zu verlieren als zu gewinnen, wenn sich nicht bald etwas ändert. Es wird Zeit, das Ruder herumzureißen, denn niemand will diese Zukunft, die sich dunkel am Horizont abzeichnet. Eine Klimaerwärmung von nur wenigen Grad im globalen Durchschnitt hat zur Folge, dass Gebiete, die über Jahrhunderte hinweg bewohnbar waren, unfruchtbar und unbewohnbar werden. Die Verwüstung weiter Teile der Erde wird sich fortsetzen.

Das Abschmelzen der Polkappen wird unser Klima komplett auf den Kopf stellen, denn in den Polregionen unserer Erde liegt ein wichtiger „Suppenkessel“ für unser Klima – ein zweiter wichtiger Faktor für das globale Klima, wie es bisher herrschte, ist außerdem der Regenwald, den wir beständig abholzen. Mit der Zerstörung dieser klimatisch wichtigen Zonen unserer Erde werden Effekte verursacht, deren weiter gehende Wirkung niemand vorhersagen kann.

Kein abstrahiertes Klimamodell

Kein abstrahiertes Klimamodell dieser Welt kann eine vollständige Wirkungskette der Prozesse aufbauen, die in unserem Ökosystem ineinander greifen. Wir drehen bisher nur an ein paar wenigen klitzekleinen Variablen in diesem gigantischen Netz der Natur, den atmosphärischen Treibhausgasen, Abholzung des Regenwaldes, Monokulturen… Aber wer weiß, was passiert, wenn aufgrund der Erderwärmung die Polkappen schmelzen?

Wer hat eine Ahnung davon, wie viel Methan in den Steppen der russischen Tundra und Taiga in einen Eispanzer eingebettet ist, der bald ebenfalls abschmelzen könnte und diese gigantischen Reserven ebenfalls auf die Atmosphäre loslässt? Es gibt Theorien, dass der Golfstrom versiegen könnte, wenn der Süßwasserzufluss in den Atlantischen Ozean aus dem Abschmelzen der Polkappen zu groß wird.

Dann wird nicht nur das europäische Klima unter einer doppelten Veränderung leiden: Den fehlenden Eismassen der Polkappen und dem Versiegen der warmen Meeresströmungen aus dem Golf von Mexiko. Schon diese zwei Veränderungen sind so massiv, dass sich ihre weiteren Effekte auf den Rest der Welt nicht annäherungsweise exakt vorhersagen lassen. Was für eine Rückkopplung haben sie auf das Ökosystem? Wie wirkt das veränderte Klima- und Ökosystem dann auf uns Menschen?

Wir denken nicht weit genug

Was machen wir mit den Abermillionen Flüchtlingen, die sich bei Anstieg des Meeresspiegels in die noch bewohnbaren Regionen der Erde zu retten versuchen? Mikronesien steht vor dem Untergang, ebenso wie viele asiatische Küstenregionen und eine unzählbare Menge an pazifischen Inselgruppen und Archipelen. Afrikas Küstenregionen wird es nicht besser ergehen, genauso wenig wie den europäischen oder amerikanischen. Was passiert, wenn die großen Flüsse in Asien austrocknen, weil sie kein Schmelzwasser mehr von den Gletschern erhalten, das sie speist?

Was geschieht mit den Menschen, die dann dort im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Trockenen sitzen und kein Wasser mehr für Landwirtschaft haben? Und bei dieser Frage sollte man sich vor Augen führen, dass es sich nicht um wenige Menschen handelt. Wir reden hier über Regionen wie Nordindien, China, Thailand, Vietnam – und damit über gigantische Bevölkerungszentren, die sich mit einem gigantischen Problem konfrontiert sehen.

Wer ernährt diese Menschen, wenn ihnen das Wasser fehlt? Werden noch mehr Urwaldflächen gerodet? Regenwälder haben die Eigenschaft, ihren eigenen Wasser- und Nährstoffhaushalt selbst aufrechtzuerhalten. Regenwälder wachsen für gewöhnlich auf eher unfruchtbaren Böden, aber durch das Absterben von Blättern, Tieren und anderen Organismen bildet sich auf diesen eigentlich schlechten Böden eine nährstoffreiche Schicht von 30-50cm Dicke, die durch die Bäume wiederverwertet wird.

Kreislauf mit perfektem Recycling

Ein gigantischer selbsterhaltender Kreislauf mit perfektem Recycling, der allerdings durchbrochen wird, wenn der Mensch die Bäume fällt und seine Nutzpflanzen auf dem Gebiet anbaut. Nach einigen Jahren ist die Nährstoffschicht aufgebraucht, zurück bleibt braches Land, das keinen eigenständigen Wasserkreislauf besitzt und keine Nährstoffe generiert.

Und es dauert Jahrhunderte, bis der Urwald sich vollständig regeneriert hat – und das kann er auch nur, wenn der Mensch ihn bis dahin völlig unberührt lässt. Bis dahin wird das Land weitgehend unfruchtbar bleiben, mit allen Nebenwirkungen, die man in jedem Biologie- oder Geographielehrbuch nachvollziehen kann. Was dann? Wer ernährt die Menschen dann? Holzen wir das nächste Stück Regenwald ab, bis keiner mehr da ist? Düngen wir das brache Land, damit es irgendwann verkarstet und unser Grundwasser vergiftet?

Man muss diesen Gedankengang nur lang genug weiterspinnen, oft genug „und dann“ fragen – und selbst mit simplen Antworten wird man die Tragweite und das globale Vermächtnis des Problems erfassen können, auch ohne ausgeklügelte wissenschaftliche Modelle zu benötigen.

Schuldzuweisungen und abgeschobene Verantwortung

Und vor diesem Hintergrund schaffen es die Mächtigen dieser Welt nicht, sich darauf zu einigen, effektive Schadensbegrenzung zu betreiben? Ein Alien, der um unseren Planeten kreist und uns beobachtet, würde den Kopf schütteln – oder ihn auf das Schaltpult seines Raumschiffes schmettern, bis er in Ohnmacht fällt, um sich diese Tragödie nicht länger ansehen zu müssen.

Wenn er überhaupt einen Kopf hat. Das ist der Punkt, in dem ein jeder von uns global Denken muss, in dem jeder seine eigene Rolle in diesem System versteht und die Folgen, die unser Handeln für uns selbst und für alle anderen haben. Mit der Natur gibt es keine faulen Kompromisse!

Unglücklicherweise sehe ich bisher nicht, dass die Politik diesen Fakt erkannt hat. Noch wird hier und dort gefeilscht, noch verlangen die Entwicklungsländer Hilfe, um mit den Problemen und Folgen fertig zu werden. Und die westlichen Industrienationen zeigen mit dem Finger auf China, den mittlerweile größten Treibshausgasemittenden weltweit.

Aber mit dem Finger zeigen und die Verantwortung auf andere schieben, das funktioniert nicht mehr lange. Wir sitzen alle in diesem sinkenden Schiff – und nur wenn wir alle anpacken und das Leck, oder besser, die Lecks, flicken, dann können wir vielleicht mit Mühe und Not verhindern, dass das Schiff sinkt und uns gerade so über Wasser halten. Diese Erkenntnis muss man haben, wenn man begreifen will, wieso wir alle global denken müssen und uns nicht nur auf unsere eigenen Probleme konzentrieren dürfen.

WIR müssen etwas tun!

Gleichwohl hat sich in den letzten Tagen gezeigt, wie sinnlos es ist, nur dazusitzen und zuzusehen. Wir delegieren unsere Aufgaben nämlich gern, denn es ist bequem, einfach und für die meisten Leute der einzig sichtbare Weg. „Was kann ich denn schon machen, ich bin doch nur ein Einzelner.“

Das ist eine beliebte Antwort, wenn man die Menschen mit den gigantischen Problemen unserer Welt konfrontiert, mit Dingen wie Umweltschutz und Eigenverantwortung. So viele Menschen hoffen auf die Politik, die in ihren Arbeitsweisen und Strukturen noch mindestens 20 Jahre hinterherhinkt. So viele Menschen wollen etwas tun, doch sie wissen nicht wie, sie sehen keinen Weg.

„Was kann ich denn als Einzelner schon in der großen weiten Welt verändern? Wenn alle anderen weitermachen wie bisher, dann bringt es doch auch nichts, wenn ich etwas ändere.“, klagen sie. Die Menschen verfallen in Hoffnungsloskeit und Apathie, weil sie von den großen Problemen überwältigt scheinen. Sie resignieren gegenüber der Politik, die ihnen so viel verspricht und doch so wenig Ergebnis bietet.

Steuererleichterung und Staatsschulden

Die meistern Deutschen wollen doch gar keine Steuererleichterungen um den Preis massiver Staatsverschuldung! Dass die tolle, bessere, neue Zukunft kommen wird, daran glaubt mittlerweile kaum jemand mehr. Man ist enttäuscht von der Politik, die sich in scheinbaren Belanglosigkeiten immer wieder selbst zerfleischt. Die Mühlen der Bürokratie mahlen zu langsam, um die nahende Bedrohung effektiv zu bekämpfen.

Und der Bürger? Er vergisst in seiner apathischen Starre und Machtlosigkeit seine eigene Macht, seine Fähigkeit, seinen Teil zur besseren Zukunft beizutragen. Nur ganz langsam erwacht das Selbstbewusstsein der Menschen wieder, nur langsam erkennen sie, dass es nicht darauf ankommt, dass sie allein die Welt retten, sondern, dass sie nur wie alle anderen einen fairen Beitrag leisten müssen. Es braucht nur ein paar „Dumme“, die den ersten Schritt machen! Leute, die zuerst ihren Beitrag leisten und den anderen zeigen, dass es gar nicht so schlimm ist, ja, sogar angenehmer sein kann als das was bisher war!

Die ersten Schritte können wir nicht global machen

Und diese ersten Schritte können wir nicht global machen. Auch nicht national. Dieses Vorangehen können wir nur regional organisieren. Wir können den Amerikanern nicht diktieren, dass sie ihre Treibhausgase bitte reduzieren mögen. Wir können den Chinesen keine Zwangsbedingungen auferlegen, die sie dazu zwingt, ihre Kohlekraftwerke durch regenerative Energien zu ersetzen.

Wir können uns ja nichteinmal effektiv mit den Amerikanern oder Chinesen zusammenschließen, die
das gern wöllten. Der Internet ist zwar ein effektives Instrument, die Welt ein Stück näher zusammen zu bringen, aber es ist nicht so mächtig wie der echte Kontakt mit dem Gegenüber.

Was wir jedoch können, ist, uns mit unserem Nachbarn zusammenzuschließen. Mit unserer Kommune. Mit unserer Stadt – mit unserer Region und vielleicht auch noch mit den benachbarten Regionen. Auf regionaler Ebene wird die globalisierte Zukunft bestimmt.

Im globalen Puzzle ist jeder Stein entscheidend

Der Weltbürger und die globale Zivilgesellschaft werden sich auf regionaler Ebene organisieren müssen und ein Netzwerk von Menschen bilden, die ihren Teil zur Veränderung unserer Welt beitragen. Und ich bin mir sicher, dass die Menschen in Scharen bereitwillig hinzuströmen werden, um ihren Beitrag zu leisten, wenn sie erkannt haben, dass die Welt ein Flickenteppich ist – ein gewaltiges Puzzle, in dem jeder Einzelne ein Puzzlestein ist.

Der Einzelne fühlt sich schwach und machtlos gegenüber den großen Problemen unserer Zeit – aber wie machtvoll kann eine Bewegung werden, wenn sich nur genügend Einzelne unter dem Banner eines gemeinsamen Interesses zusammenschließen? Solche Macht hat Diktaturen und Königreiche zerschmettert, Länder von eingeengten Denkzwängen befreit und Nationen vereint.

Und wir als Deutsche, vor allem wir Sachsen als Ostdeutsche, sollten das am Besten wissen, denn es war ein solches gemeinsames Interesse, eine solche Bewegung, die sich Bahn brach, die vor 20 Jahren die Mauer zu Fall brachte und ein Volk wieder zusammengebracht hat, den Kalten Krieg beendete und das drohende Damoklesschwert des Atomkrieges, das über Europa und der Welt schwebte, zerschlug.

Schwerter zu Pflugscharen, wie es in der sozialistischen Propaganda hieß – und all das haben nicht vorrangig die Politiker erreicht, sie haben nur ihren Teil im gesamten Puzzle gespielt. Nein, diese Errungenschaft war den Menschen entsprungen, die sich zusammengeschlossen haben und den Mut hatten, etwas zu tun, statt sich auszuliefern.

Handeln statt hoffen!

Wir sind es, die unsere Welt gestalten, nicht die Politiker. Wir sind es, die den Markt gestalten – wir bestimmen mit unserer Kaufentscheidung, welche Entwicklung unsere Wirtschaft nimmt. Wir gestalten unsere Region, mit unseren Entscheidungen und unserer eigenen Verantwortung.

Wir müssen uns dieser Verantwortung nur bewusst werden und sie richtig einsetzen, statt sie den Politikern zuzuschieben und sich dann zu beschweren, dass alles schlechter und nichts besser wird. Wir sollten anfangen, uns vor Augen zu führen, wer die Macht hat, diese Welt zu verändern – nämlich wir. Und wenn jeder Mensch – oder zumindest ein Großteil – diese Lektion gelernt hat, wenn die Menschen aus eigener Initiative an einem Strang ziehen, dann und nur dann, haben wir eine realistische Chance, die Probleme unserer Welt in den Griff zu bekommen.

Noch eine weite Strecke

Doch bis dahin ist es noch eine weite Strecke und möglicherweise ist es bald zu spät – und das, obwohl es so viele gibt, die eigentlich nur nicht wissen, was sie selbst beitragen können. Darum ist es unsere vorrangigste Aufgabe, den Menschen eine Hand entgegenzustrecken, die sie nur noch ergreifen müssen. Wir müssen ihnen einen Weg zeigen, den sie selbst einschlagen können, um etwas zu tun.

Wenn man den Leuten nur einen einfachen Weg zeigt, das Zusammenleben umzugestalten, ihnen die Augen öffnet und offenbart, dass sie nicht ausgeliefert sind sondern selbst entscheiden können, dann bin ich mir sicher, dass die Lawine langsam, aber sicher, ins Rollen kommt. Erst sind es nur ein paar Wenige, die anfangen.

Aber diese Wenigen, die gegen allen Widerstand etwas tun und handeln, sind die Wichtigsten. Sie sind der Flügelschlag des Schmetterlings, der einen Orkan auslöst. Das Beispiel, das andere inspirieren wird, es ihnen gleich zu tun. Wobei es darum geht, ist den Interessen und Stärken der Einzelnen überlassen.

Ob Regionalwährungen, Genossenschaften zur Förderung regenerativer Energie, Kommunen die ihre Energieversorgung regional und dezentralisiert gestalten, Fair Trade oder Biologischer Landbau – irgendwo hat immer jemand angefangen. Doch all das ist nicht durch politisches Diktat entstanden, sondern durch engagierte und verantwortungsbewusste Bürger, die auf regionaler Ebene zusammenarbeiten.

Das ist die vorrangige Lektion für unsere Globalisierungsgesellschaft. Unsere Lektion.

Robert Börnig

Bildquelle: Andreas Dengs, Pixelio.de