Die Zukunft sieht düster aus – oder doch nicht? Mal dir doch die Welt, wie sie dir gefällt! Ein Plädoyer für’s aktiv werden, selber denken und anders machen. Vorbilder gibt es genug! Der Zukunftsalmanach.

Nichts ist schon zu spät!

Wie kommt es, dass der Reichtum und die Annehmlichkeiten und die damit verbundenen Freiheiten auf der Welt nie gekannte Höhen erklommen haben – wir es aber nicht schaffen, das gerecht unter allen Menschen aufzuteilen und damit unsere Zivilisation auf ihre kulturelle Höhe zu bringen?

Wie kommt es, dass das Artensterben ein nie gekanntes Ausmaß erreicht hat, wir auf sämtliche Peaks wichtiger Ressourcen wie Öl oder Humus zusteuern (wenn nicht sogar schon drüber sind) und wir tatenlos einer Klimaerwärmung mit für die meisten kaum vorstellbaren Auswirkungen zusteuern?

Nichts davon müsste so sein. Wir könnten etwas dagegen tun. Jetzt! Also warum sind wir so bequem? Warum versuchen wir phantasielos das festzuhalten, was wir haben – auch wenn es uns gar nicht wirklich glücklich macht? Der Transition-Design-Forscher und Postwachstums-Befürworter Harald Welzer hat darauf Antworten gefunden:

Wir müssen selber denken!

Menschen sind von Natur aus kooperativ und anpassungsfähig. Das ist gut, denn es macht uns zu sozialen, überlebensfähigen Wesen. Das hat aber auch seine Schattenseiten. Beispielsweise dadurch, dass wir die „sozialen Kosten“ scheuen, die wir inkauf nehmen müssten, wenn wir etwas anders machen, als „man“ das halt so macht. Dazu gehört zum Beispiel (je nach Beruf etc.): Kein Auto fahren, in ausgebeulten Klamotten durch die Gegend laufen, dumbstern gehen oder nicht mit dem Flugzeug verreisen.

Das heißt: Selbst wenn wir erkannt haben, dass es besser wäre, anders zu leben, kostet es uns immer noch ein gutes Stück Überwindung, Mut und innere Freiheit, dies auch tatsächlich durchzuziehen. „Weil Menschen soziale und kooperative Wesen sind, ist Konformität … viel wahrscheinlicher als Abweichung und in den allermeisten Fällen auch vernünftiger. Anders gesagt: Konformität ist das jederzeit Erwartbare“, schreibt Harald Welzer in seinem Buch „Selbst Denken“ dazu.

Denkfallen vermeiden

Dass wir soziale Wesen sind führt aber zu Denkfallen: Unsere Wahrnehmung der Welt ist nämlich geprägt von der Kultur, Familie, Region, Religion etc. in der wir aufwachsen und leben. Was wir Wirklichkeit nennen, ist in Wahrheit eine mehr oder weniger unvollständige Geschichte. Der eine nennt das „Mayor Consensus Narrative“, der andere „assumptive world“. Wie auch immer man dies nennt – unser Gehirn ist so gestrickt, dass wir an einmal ausgeprägten Mustern festhalten und sie nur schwer, wenn nur überhaupt, ändern können.

Ist unsere Wahrnehmung von der Welt und unsere Denkweise geprägt von der Vorstellung „Mehr ist besser“, dann fällt es uns beispielsweise ungemein schwer, uns vorstellen zu können, dass es eine Lösung für unsere Probleme sein könnte, uns zu beschränken. Statt dessen reagieren wir auf die heranziehenden Krisen damit, das immer gleiche zu tun (etwa Wirtschaftswachstum zu fördern) – nur mit immer schnellerer Geschwindigkeit…

Handlungsspielräume erkennen

Um neue Verhaltensweisen und auch Handlungsspielräume zu erkennen, empfiehlt Welzer im Futur 2 zu denken. Sich also bspw. die Frage zu stellen: Wer werde ich gewesen sein? Was werde ich dafür getan haben, dass meine Kinder und Enkel in einer Welt leben können, die ich mir für sie wünsche? Welchen Beitrag zur Zerstörung oder zum Wandel werde ich beigetragen haben? Was wird meine Rolle gewesen sein? „Vieles von dem, was im einfachen Futur als unbequem und lästig erscheint, wird im Futur zwei plötzlich interessant und attraktiv, Futur-zwei-Imaginationen verändern Wertigkeit“, so Harald Welzer.

Das zweite wesentliche Element ist Achtsamkeit. Denn nicht Schnelligkeit, Steigerung und Atemlosigkeit sind die Zutaten, die uns dazu befähigen, unsere Zukunft positiv zu gestalten, unserem Leben einen echten Sinn zu geben, uns zu wandeln. Es sind wertfreie, offene und genaue Wahrnehmung der Dinge, wie sie „sind“, Zeit für Überlegungen und ein Handeln, dass sich auf Ziele richtet, die jetzt und in Zukunft weit über uns als Individuum hinausreichen.

Der Zukunftsalmanach

Das all diese keine leere Theorie ist, sondern von vielen, vielen Menschen schon längst gelebte Praxis kann man sehen, wenn man das Futurzwei Zukunftsalmanach aufschlägt, dass Welzer zusammen mit Dana Giesecke und Luise Tremel herausgegeben hat. Unter dem Schwerpunkt „Material“ erzählen sie „Geschichten des Gelingens“ in den Bereichen „Saft und Stoff“ (Baumaterial, IT, Energie und Wasser etc.), „Kaufen Essen Trinken“, „Nah und Fern“ (Mobilität und Lokale Ökonomie), „Wir Ihr Sie“ (Reparieren, Teilen, Tauschen, Leihen) sowie „Weiter und Breiter“ (von Slow Food bis Slow Fashion).

Gut und unterhaltsam geschrieben liefert der Futurzwei Zukunftsalmanach zunächst einen beschreibenden, einleitenden Text zu jedem Projekt, Unternehmen oder jeden Organisation. Ein Kasten mit den wichtigsten Fakten (Adresse, Mitstreiter, Gründungsdatum, URL etc.) ergänzt dies. Die „Geschichten“ sind höchst unterschiedlich, aber sie alle zeigen, dass es möglich ist, alles eben auch ganz anders anzugehen und zu machen…

Fazit

Der Futurzwei Zukunftsalmanach ist dick, klein gedruckt und hat dünnes Papier. Es ist ein richtiger Schinken, den auf einen Rutsch von vorne nach hinten durchzulesen – so spannend die Geschichten auch sind – schwerfallen dürfte. Doch für alle, die sich aufmachen wollen, die Zukunft selbst mitzugestalten ist es genau das richtige Nachschlagewerk! Vorbilder sind nämlich eine wichtige Sache für alle Weltverbesserer – auch oder vielleicht gerade weil sie neue Wege suchen.

Denn warum sollten wir nicht aus den Erfahrungen von Vorreitern wie Heini Staudinger, Sina Trinkwalder, Margit Kennedy sowie Vaude, Soulbottel, dem oekom Verlag, NagerIT oder urgewald schlau werden? Na, also! Auf geht’s: Buch kaufen, lesen, selber denken, machen!

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Links zum Thema

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Lesetipp: Futurzwei Zukunftsalmanach

Futurzwei Zukunftsalmanach 2015/16

Geschichten vom guten Umgang mit der Welt
Harald Welzer, Dana Giesecke, Luise Tremel (Hrsg.)
ISBN 978-3-596-03049-1
S. Fischer Verlag

16,99 Euro
Beim sozialen Online-Buchhandel Buch7 kaufen

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Harald Welzer: Selbst denken / Cover

Selbst Denken

Eine Anleitung zum Widerstand
Von Harald Welzer
ISBN 978-3-100894359
S. Fischer Verlag

19,99 Euro
Beim sozialen Online-Buchhandel Buch7 kaufen

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Foto-Credit: Dan Cooper, stokpic (via http://allthefreestock.com/)