Volksentscheide (auch bundesweit), Bürgerhaushalte, Planungszellen, Wahlen mit Panaschieren und Kumulieren… Es gibt etliche Vorschläge, wie man für mehr (direkte) Demokratie sorgen könnte – und immer mehr Menschen fordern sie. Doch wie viel ungerechte Politikverdrossenheit steckt dahinter? Und wie viel gerechtes Demokratieverständnis?

Kann man dem Volke trauen?

Paul Tiefenbach ist Diplom-Psychologe und Politikwissenschaftler. Außerdem engagiert sich bei der Organisation Mehr Demokratie e.V. (www.mehr-demokratie.de). Er hat seine jahrelange Auseinandersetzung mit dem Pro und Contra von mehr direkter Demokratie in einem äußerst spannenden und gut geschriebenen Taschenbuch mit dem Titel >>Alle Macht dem Volke?<< zusammen gefasst.

Denn überzeugend ist vor allem, dass Tiefenbach – trotz seines offensichtlichen Engagements für direkte Demokratie – die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Möglichkeiten gegeneinander abwägt und – so zumindest mein Eindruck – zu sachlichen Ergebnissen kommt.

Volksentscheide und ihre Risiken

Der größte Teil des Buches ist dem Thema >>Volksentscheid<< gewidmet. Hier vergleicht Tiefenbach vor allem die Erfahrungen, die man seit Jahrzehnten in der Schweiz und den USA mit dem Verfahren machen konnte. Er schildert die Nachteile und möglichen, negativen Auswirkungen – vor allem die Gefahr, dass eine Mehrheit die Bedürfnisse einer Minderheit unterdrücken kann.

Er stellt dem aber auch Vorschläge gegenüber, wie sich diese negativen Auswirkungen verhindern oder zumindest abmildern lassen könnten (hier spielen vor allem die Kultur und das allgemeine, politische Klima einer Gesellschaft eine wichtige Rolle). Und er zeigt, welche positiven Einflüsse Volksentscheide erfahrungsgemäß haben.

Volksentscheide und ihre Chancen

Zum Beispiel zeigt sich am Beispiel Schweiz, dass Volksentscheide in Finanzangelegenheiten gar nicht unbedingt zu geringeren Steuern (also Staatseinnahmen) führen – sehr wohl aber für eine Senkung der Ausgaben sorgen. Dazu kommt, dass so nicht nur Politiker Themen setzen können, sondern per Volksentscheid auch die Bürger. Kommt es dazu, greifen die Medien die Themen auf, die Menschen beschäftigen sich damit – und das nachweislich ausgewogen und sachlich. Volksentscheide dienen somit über lange Sicht gesehen der politischen Bildung – und damit auch indirekt der Demokratie.

Vorurteile gegen Volksentscheide

Ein ebenfalls nicht geringer Teil des Buches ist der Entkräftung unterschiedlicher Vorurteile gewidmet, die man in Deutschland so findet – einem Land, das vermeintlich aufgrund seiner Geschichte ein besonderes Misstrauen gegenüber der Weisheit der Vielen (sprich des Volkes) hat.

So legt Tiefenbach dar, warum die Einführung bundesweiter Volksentscheide in Deutschland keineswegs zur Wiedereinführung der Todesstrafe, zur Stärkung von Demagogen oder zur Massenmanipulation durch Massenmedien mit untragbaren Folgen kommen würde. Tiefenbach gibt zudem einen europaweiten Vergleich in Sachen Volksentscheid – und wagt die Prognose, dass sich Volksentscheide künftig kaum noch von den Parlamenten >>verhindern<< ließen.

Bürgerhaushalt, Planungszellen und Wahlreformen

Rund ein Drittel des Buches befasst sich Tiefenbach darüber hinaus mit den Potentialen des Internet für die Direkte Demokratie, mit den Chancen und Möglichkeiten von Bürgerhaushalten in Deutschland (im Vergleich zu Brasilien) sowie den Planungszellen. Und zu guter Letzt schildert Tiefenbach, wie und warum sich das Wahlsystem Deutschlands in kleinen, aber entscheidenden Punkten verbessern ließe.

>> Alle Macht dem Volke?<< ist damit eine gute Grundlagen-Lektüre für alle, die mehr für ihre politische Bildung tun wollen, als pflichtschuldig kurz vor der Wahl ein bisschen im Netz zu stöbern. Klar – es handelt sich dabei um Themen, die nicht besonders emotional packend oder inspirierend, anregend sind. Eher schon ein bisschen trocken und anstrengend. Dennoch ist das Buch von Paul Tiefenbach ein wirklich empfehlenswerter und für das Thema auch kurzweiliger Lesetipp für alle politisch interessierten Menschen.

Bibliografische Angaben:
>>Alle Macht dem Volke? Warum Argumente gegen den Volksentscheid meistens falsch sind<<
Paul Tiefenbach
Heraus gegeben von Mehr Demokratie e.V.
VSA Verlag
ISBN 3-89965-560-5
14,80 Euro
www.vsa-verlag.de

Danke an Wilhelmine Wulff für das Bild (via Pixelio)